Unani – die „Königin der Medizin“ (Teil 3)
Archivmeldung vom 21.02.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAuf medizinischem Gebiet stellte das griechische Erbe die Grundlage und Referenz für die arabische Medizin dar. Es wurden Schulen und Hospitäler gegründet, und dank dem verfügbaren Erbe aus der Vergangenheit entstanden neue Theorien und neues Wissen.
Die Liste der ins Arabische übersetzten Werke griechischer Ärzte ist sehr lang, besondere Erwähnung verdienen hierbei Hippokrates, Diokorides (Pedanius) und Galen (Klaudios Galenos).
Einer der ersten bedeutenden arabischen Ärzte war Yuhanna Ibn Sarãbyùn, den man auch Serapion den Älteren nannte (9./10. Jh.). Er ist Autor eines medizinischen Manuskriptes (Kunnãsh As-Saghi), das unter dem lateinischen Namen Brevarium bekannt wurde. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts publizierte Al-Tabari sein Firdaws Al-Hikma (Das Paradies des Wissens). Dies war eine medizinische Enzyklopädie, welche das Wissen der Griechen, Perser, Inder und Araber umfaßte. Bald darauf schrieb Abu Bakr Mohammad Ibn Zakaria Al-Razi, im Westen als Rhazès bekannt, das wichtige Buch Al-Hawi, welches in viele Sprachen übersetzt und unter dem Namen Continens bekannt wurde. Wenig später schuf er ein weiteres Werk mit dem Titel Kitab Al-Mansur fil-Tibb, das man heute als Al-Mansorem kennt.
Im Damaskus des 13. Jahrhunderts erforschte und dokumentierte Ibn Nafis erstmals in der bekannten Geschichte den Herz-Lungen- Kreislauf. Seine Theorie hat bis heute Gültigkeit, beschreibt sie doch zwei Blutkreislauf- Systeme: Der systemische Kreislauf bringt das Blut zu den Organen und der pulmonale oder Lungen-Kreislauf frischt das Blut mit Sauerstoff auf. Letzterer wurde von Ibn Nafis mit der Vitalkraft gleichgesetzt. Diese Theorie inspirierte William Harvey im 17. Jahrhundert zu seinem anschaulichen Diagramm des Blutkreislaufes.
Ende des zehnten Jahrhunderts sollte in Persion der berühmteste Arzt aller Zeiten geboren werden: Abu-Ali Al-Hussein Ibn Sinâ, auch Avicenna genannt. Alle seine Schriften wurden in viele Sprachen übersetzt, wobei der Kanon der Medizin zweifellos sein bedeutendstes Werk ist, das im Mittelalter 700 Jahre lang die medizinische Anschauung prägte. Es wurde in über 80 Sprachen übersetzt und wird bis heute immer wieder neu aufgelegt. Avicenna verfasste über 276 Bücher, doch leider sind weniger als die Hälfte erhalten geblieben. Ungefähr zur gleichen Zeit stand im Maghreb und in Andalusien eine ähnliche wissenschaftliche und kulturelle Bewegung in ihrer Blüte. Sie brachte Ibn Zuhr hervor, den man im Westen als Avenzoar kennt. Er schrieb viele wertvolle medizinische Bücher, beispielsweise über Nierenkrankheiten oder Lebensmittel. Er publizierte auch ein Arzneibuch der Pflanzen. Sein Kitab al-Teyssir filmudawat wa-t-tadbir, im Westen kurz Al-Teyssir genannt, bleibt jedoch sein wichtigstes Werk, das praktisch alle medizinischen Themen behandelt.
Der zu Beginn des 12. Jahrhunderts in Cordoba geborene Ibn Rushd oder Averroès hatte neben Avicenna wohl den größten Einfluss auf das Mittelalter. Eines seiner bekanntesten Medizinbücher ist zweifellos das Kulliyat fil-Tibb oder Colliget. Man könnte noch viele arabische Gelehrte anführen, was uns aber hier aus Platzgründen verwehrt bleibt.
Als die mongolischen Nachfahren von Dschingis Khan im dreizehnten Jahrhundert im arabischen Raum einfielen, flüchteten viele Gelehrte und Ärzte nach Indien, China und andere Länder in Fernost. So verbreitete sich das Wissen der Unani-Medizin auch in diesen Regionen. In Europa wurde diese Lehre mit den Mauren und Sarazenen über Nordafrika in die westlichen Mittelmeerländer getragen. So erstaunt nicht, daß die ersten drei europäischen Universitäten, die Unani-Medizin lehrten, in Cordoba (Spanien), Salerno (Italien) und Montpellier (Frankreich) standen. Viele weitere sollten später folgen.
Noch heute ist die Unani-Medizin im ganzen fernöstlichen Raum weit verbreitet und stark verwurzelt, vor allem aber in Indien, China und auch in Australien. Die allopathische Medizin der westlichen Pharmaindustrie hingegen scheint an Einfluss zu verlieren, da sich immer mehr Menschen auf der Welt nach alternativen Heilmethoden umsehen. Diese Zeichen an der Wand hat auch die Weltgesundheitsorganisation WHO erkannt – und in ihrem Genfer Hauptsitz neu eine ganze Abteilung der Unani-Medizin gewidmet.
(von Hassan Halaby)