Lehman Brothers – wann kann die beratende Hausbank in die Haftung genommen werden
Archivmeldung vom 14.10.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.10.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAuch wenn derzeit noch nicht überblickt werden kann, wie sich das Insolvenzverfahren der Lehman Brothers entwickeln wird und ob auch die europäische Tochter, die Lehman Brothers Treasury Co B.V. davon betroffen ist, sprechen die Depotbewertungen eine eindeutige Sprache.
Viele Anleger sind entsetzt, weil sie ihrer Auffassung nach ein 100%
sicheres Produkt gekauft haben und fühlen sich falsch beraten. Ob eine
Falschberatung und damit eine Haftung der vermittelnden Bank vorliegt,
hängt von mehreren Faktoren ab:
zunächst ist zu überprüfen, was im Risikoprofil festgehalten ist. Bei
der Beratung durch die Bank werden Anleger darüber abgefragt, welche
Erfahrung sie mit Finanzprodukten und deren Risiken haben und wie es um
die Bereitschaft steht, Risiken bei der Anlage ihres Geldes in Kauf zu
nehmen. Ist aus dem Risikoprofil zu entnehmen, dass der Anleger keinen
Verluste hinnehmen möchte und ein sicheres Produkt sucht, dann sollten
Zertifikate ohne Einlagenversicherung ihm nicht angeboten werden.
Weiterhin ist zu fragen, ob die Bank versichert hat, es handele sich
bei dem Zertifikat um eine absolut sichere Anlage. Oftmals wurde
nämlich gerade die Frage des Emittentenrisikos und damit dem – wie
jetzt die Gegenwart zeigt – nicht nur theoretischen Risiko des
Totalverlustes, ausgespart. Bei zutreffender Belehrung darüber, das man
für die Aussicht auf lediglich ein paar Prozentpunkte mehr gleichzeitig
ein Verlustrisiko von bis zu 100% eingeht, hätten sicherlich viele
Anleger eine sichere Sparanlage, die durch eine Einlagesicherung
abgesichert ist und einen Garantiezins beinhaltet, vorgezogen.
Diese Belehrung hätte die vermittelnde Bank vor allem den Anlegen
angedeihen lassen sollen, die noch in diesem Jahr oder gar erst in der
zweiten Jahreshälfte Zertifikate erworben haben.
Die Banken haben zudem eine gewisse Nachsorgepflicht. D.h. im
Idealfall, dass die Bank dem Anleger bevor es kritisch wird bescheid
gibt und Optionen aufzeigt. Im ungünstigsten Fall hat die Bank noch
kurz vor der Pleite geraten, die Papiere zu halten, obwohl der Anleger
eigentlich, wenn auch mit Verlust, verkaufen wollte.
Hat die Bank einen oder mehrere Fehler gemacht, stellt sich die Frage,
ob der Fehler derselben auch nachgewiesen werden kann. Hierauf
erstreckt sich die Arbeit spezialisierter Rechtsanwälte. In jedem Fall
sollten betroffene Anleger prüfen lassen, ob ihnen ein Anspruch gegen
die vermittelnde Bank zusteht. Als Anlaufstellen stehen die
Verbraucherzentralen und spezialisierte Rechtsanwälte zur Verfügung.
Quelle: Rechtsanwalt Jörg Reich