Arbeitslosigkeit - Kurzarbeit - Pleite trifft Unterhaltspflichtige oft hart: Was tun?
Archivmeldung vom 25.09.2020
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Freigeschaltet durch André OttDie Corona-Krise war Impuls für eine Wirtschaftskrise in der Autoindustrie, in Teilen des Maschinenbaus, der Gastronomie, der Touristik. Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und Pleiten weiten sich aus. Das trifft Unterhaltszahler*innen besonders hart, weil sie für Kinder Unterhalt und manche auch für den Expartner Betreuungsunterhalt leisten müssen.
"Wer jetzt belegen kann, dass Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit länger andauern, sollte sogleich einen Antrag auf Unterhaltsabänderung stellen. Bevor man das Gericht bemüht, sollte man aber immer seinen Partner bemüht haben, um zu einer außergerichtlichen Einigung zu kommen", fordert der ISUV-Vorsitzende, Rechtsanwalt Klaus Zimmer. Der Verband warnt davor, den Unterhaltsberechtigten zu kompromittieren und einfach weniger zu zahlen oder Zahlungen ganz einzustellen. "Wer das macht, riskiert eine Pfändung, gleichzeitig laufen Schulden auf", stellt Zimmer fest.
Immer häufiger sind unterhaltspflichtige Mitglieder in Kurzarbeit oder gar von Arbeitslosigkeit betroffen. Besonders schlimm ist es, wenn es beide Trennungseltern betrifft. Das bedeutet nur noch 67 Prozent des Nettoeinkommens stehen zur Verfügung. Entsprechend weniger Unterhalt kann geleistet werden. Wenn es ums Geld geht, müssen 70 Prozent der Unterhaltsberechtigten und Unterhaltspflichtigen auf jeden EURO schauen. Das gegenwärtige Gezerre und Gezeter um den Kinderbonus zeigt das Konfliktpotential unterhaltsrechtlicher Verteilung. Wenn Kindesunterhalt oder gar Betreuungsunterhalt neu justiert werden müssen, steht viel mehr Geld auf dem Spiel. Bei allem Verständnis für berechtigte Existenzängste, bei der Bemessung des Unterhalts müssen Regeln eingehalten werden.
Einigkeit spart Geld und schont die Nerven
Erster Schritt jedes Unterhaltspflichtigen sollte der Versuch einer Einigung mit dem Unterhaltsberechtigten sein. Die Einigung kann in einer Unterhaltsstundung, einer Kürzung, Ratenzahlungen oder in einem vorübergehenden Verzicht bestehen. "Die Einigung sollte immer einen Verzicht auf Zwangsvollstreckung beinhalten. Grundsätzlich stehen beide Seiten in der Pflicht zu überlegen, ob nicht der Einkommensverlust durch Sozialleistungen, wie beispielsweise den Notfall-Kinderzuschlag gemildert werden kann", hebt ISUV-Pressesprecher Josef Linsler hervor.
Ist der Unterhaltsberechtigte dazu nicht bereit, so muss der Alimentenzahler*in beim Familiengericht einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung und gleichzeitig einen Antrag auf Unterhaltsabänderung stellen. Darin muss der Unterhaltsschuldner nachweisen, dass er den geschuldeten Unterhalt langfristig nicht mehr zahlen kann. Der Nachweis ist oft nicht einfach. "Gelingt der Nachweis nicht, so bleibt der Unterhaltspflichtige auf den Gerichts- und Anwaltskosten sitzen. Das Kostenrisiko ist also hoch. Wir raten daher unseren Mitgliedern immer sich zuerst bei einem ISUV-Kontaktanwalt kostengünstig beraten zu lassen." (Linsler)
Kriterien für die Abänderung von Unterhaltstiteln
Ein Blick in die Düsseldorfer Tabelle gibt eine erste Orientierung, wie hoch der Kindesunterhalt sein könnte. Die Einkommensgruppen in der Tabelle haben Spannen von 400 EURO. "Wir haben Mitglieder, die in Kurzarbeit 80 Prozent des vormaligen Nettogehalts erhalten. Einige bleiben in der gleichen Einkommensgruppe, es ändert sich für sie nichts. Die vertrackten Regeln des Unterhaltsrechts sind schwer zu vermitteln. Betroffene gehen davon aus, weniger Einkommen, weniger Unterhalt", weiß Linsler aus der Praxis.
Unterhaltszahler müssen auch zur Kenntnis nehmen: Wer Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld bezieht, dem steht ein notwendiger Eigenbedarf - "Selbstbehalt" - von nur 960 EURO zu, das muss für alle Existenzbedürfnisse reichen.
Gerichte achten besonders darauf, dass der Mindestunterhalt bezahlt wird. Es gehört zu den Leitgedanken des Unterhaltsrechts, Unterhaltspflichtige haben eine "gesteigerte Erwerbsobliegenheit", wenn Unterhalt für minderjährige Kinder geschuldet wird. Unterhaltspflichtigen kann vom Gericht auch zugemutet werden einen Nebenjob anzunehmen, um den Mindestunterhalt zahlen zu können. Praktisch heißt das, wer den Mindestunterhalt nicht oder weniger als den Mindestunterhalt zahlen kann, muss nachweisen, dass er unverschuldet und trotz vieler Bewerbungen nicht 1300 EURO Einkommen erzielen kann.
Wichtig ist des Weiteren für eine erfolgreiche Abänderungsklage der Nachweis, dass der Einkommensverlust "wesentlich" ist, d.h. der Unterhaltspflichtige hat mindestens 10 Prozent weniger Einkommen zur Verfügung. Ein weiteres Kriterium für eine erfolgreiche Abänderungsklage ist der Nachweis, dass die Einkommensänderung "nachhaltig" ist, d. h. Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit länger andauern. "Dies ist jetzt bei Arbeitsverhältnissen in Krisenbranchen anzunehmen", stellt Zimmer fest.
In den ersten Monaten der Coronakrise haben Unterhaltszahler*innen den titulierten Unterhalt meist weiter gezahlt in der Annahme, die Krise werde schnell überwunden sein. Oft fragen Betroffene jetzt, ob sie den zu viel gezahlten Unterhalt wieder zurückbekommen, sie hätten "unter Vorbehalt" gezahlt? "Der Hinweis hat nur dann Relevanz, wenn gleichzeitig ein Unterhalts-Abänderungsverfahren geführt wird. Grundsätzlich kann zu viel gezahlter Unterhalt nicht zurückgefordert werden, er gilt als verbraucht", stellt Linsler klar.
Trotz aller Hürden, die bei einer Abänderung des Unterhalts berücksichtigt werden müssen, rät ISUV-Kontaktanwalt Simon Heinzel: "Wenn einvernehmliche Lösungen nicht möglich sind, dann sollten Abänderungschancen genutzt werden, anderenfalls kann auf Grund eines nicht abgeänderten Unterhaltstitels auch Jahre später noch gepfändet werden."
Quelle: Interessenverband Unterhalt u. Familienrecht - ISUV (ots)