Damit der eigene Wille bis zuletzt zählt
Archivmeldung vom 25.02.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.02.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWas geschieht, wenn man wegen Unfall oder Krankheit seinen Willen nicht mehr äußern kann? Seit 1. September 2009 sind die Patientenrechte durch ein neues Gesetz zu Patientenverfügungen gestärkt worden. Jeder Volljährige kann darin im Voraus festlegen, ob und wie er etwa bei schwerer Demenz, Koma, mehrfachem Organversagen oder schweren Hirnschädigungen ärztlich behandelt werden möchte.
Eine Patientenverfügung beugt Konflikten zwischen Ärzten und Angehörigen vor. Auch wenn sie vor dem 1. September 2009 formuliert wurde, verliert sie nicht ihre Gültigkeit. Um Missverständnissen vorzubeugen, sollte eine Patientenverfügung nicht Bestandteil eines Testaments sein, sondern auf einem getrennten Schriftstück verfasst werden. Je aktueller, genauer und persönlicher Ihre Patientenverfügung ist, umso beruhigter können Sie sein.
Lassen Sie sich Zeit. Nehmen Sie Ihre Patientenverfügung zum Anlass, einmal ganz gründlich über Ihre Einstellungen zum Leben nachzudenken. Sie haben übrigens jederzeit die Möglichkeit, die Verfügung zurückzuziehen oder zu ändern. Bis zuletzt können Sie sie noch formlos und sogar mündlich widerrufen, sollten Sie sich anders entscheiden.
1. Schriftlich:
Der Gesetzgeber hat nur wenige Vorgaben zum Inhalt der Patientenverfügung gemacht. Neu ist die Festlegung der Schriftform. Die Verfügung muss nicht handschriftlich verfasst sein. Nach der Erfahrung von Experten haben aber handschriftlich erstellte Verfügungen oft größere Überzeugungskraft gegenüber dem behandelnden Arzt oder dem Vormundschaftsgericht. Auch Menschen mit Behinderung, die selbst nicht schreiben können, müssen sich schriftlich äußern. Sie können die Verfügung aber diktieren und niederschreiben lassen. Trotzdem ist eine eigenhändige Unterschrift immer notwendig.
2. Ihr Wille gilt:
Da Ärzte dem Grundsatz für das Leben verpflichtet sind, werden normalerweise auch schwerst Kranke mit allen nur möglichen medizinischen Mitteln behandelt. Doch kein Patient ist zu einer medizinischen Behandlung verpflichtet, auch wenn diese Entscheidung den Tod bedeuten würde. Unabhängig von Art und Stadium Ihrer Erkrankung gelten die Bestimmungen Ihrer Patientenverfügung deshalb ohne Wenn und Aber. Allerdings sind Bestandteile unwirksam, die aktive Sterbehilfe vom Arzt verlangen, diese ist in Deutschland nämlich verboten. Die Verfügung gilt unabhängig davon, ob sie im gesunden oder kranken Zustand verfasst wurde. Hält sich ein Arzt nicht an Ihre Verfügung, kann Ihr Bevollmächtigter Strafanzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung stellen. In grundsätzlichen Zweifelsfällen entscheidet das Vormundschaftsgericht.
3. Genau und aktuell:
Ein Satz wie "Ich will nicht an Maschinen hängen, wenn ich krank bin" ist nicht aussagekräftig genug. Schon bei einer normalen, nicht bedrohlichen Operation "hängt man an Maschinen" wie Narkose- oder Kontrollgeräten. Sie müssen die Umstände also so genau wie möglich beschreiben. Hilfestellungen beim Formulieren bekommen Sie aus der Literatur oder in einer persönlichen Beratung. Denkbar ist auch, die Erkrankungen festzulegen, bei denen Sie die Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen wünschen, und solche, bei denen Sie das nicht wünschen. Wenn Sie aktuell bereits an einer schweren Krankheit leiden, die in einem späteren Stadium Einschränkungen Ihrer Handlungsmöglichkeiten mit sich bringt, sollten Sie in Ihrer Patientenverfügung auf den vorhersehbaren Krankheitsverlauf genau Bezug nehmen. Besonders in diesem Fall empfiehlt es sich, die Punkte mit Ihrem Arzt zu besprechen. Dies gilt nicht nur für eine als unheilbar geltende, sondern auch für eine dementielle Erkrankung oder einen Schlaganfall. Empfohlen wird, die Verfügung etwa alle zwei Jahre auf Aktualität zu prüfen. Am Ende der Verfügung sollte man folgenden Satz einfügen: "Ich habe die oben stehende Patientenverfügung noch einmal durchgelesen und stelle hiermit fest, dass sie nach wie vor meinem Willen entspricht." Darunter können mehrere Zeilen eingefügt werden, auf denen Sie mit Datum unterschreiben.
4. Ganz individuell:
Die Glaubwürdigkeit Ihrer Patientenverfügung wird erheblich erhöht, wenn Sie auf einem eigenen Blatt Ihre persönlichen Wertvorstellungen erläutern. Fragen der Religion, Ihre gesellschaftlichen Überzeugungen, aber auch persönliche Erlebnisse im Zusammenhang mit Sterben und Tod haben hier Platz. Ihre Schilderungen machen Sie für den Arzt oder einen Richter zum Individuum, dessen Wünsche besser nachzuvollziehen sind.
5. Sicherer vom Notar:
Gerade wenn es hart auf hart kommt, haben bei Vormundschaftsgerichten notariell beglaubigte Patientenverfügungen, die am besten von einem weiteren Zeugen unterzeichnet wurden, mehr Relevanz. Gesetzlich vorgeschrieben ist dies aber nicht. Wer seine Patienten- und Betreuungsverfügung sowie die zugehörige(n) Vollmacht(en) im "Zentralen Vorsorgeregister" der Gerichte einstellen lässt, sorgt dafür, dass diese auch in Eilfällen jederzeit abrufbar sind. Zum Beispiel dann, wenn ein Schriftstück nicht auffindbar ist. Über anfallende Notar- und Anwaltskosten lassen sich keine generellen Aussagen treffen. Ratsam ist der Abschluss einer "Vergütungsvereinbarung", in der die Höhe des Anwaltshonorars für den Streitfall im Vorfeld festgelegt wird. Wichtig: Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung Parallel zur Patientenverfügung sollten Sie unbedingt eine Vorsorgevollmacht ausstellen. Nur so bleiben Sie nach außen handlungsfähig, wenn Sie selbst dazu nicht mehr in der Lage sind.
6. Einen Vertrauten bestimmen:
Zunächst sollten Sie eine Person Ihres Vertrauens bestimmen, die Ihren Willen, der in der Patientenverfügung festgelegt ist, gegenüber Ärzten oder Angehörigen vertreten und durchsetzen kann. Wichtig ist, dass sich diese Person ihrer Verantwortung für "den Fall der Fälle" bewusst ist. Nicht jeder traut sich die vielleicht auch endgültigen Entscheidungen zu, die dann getroffen werden müssen. Deshalb ist ein ehrliches und offenes Gespräch die wichtigste Voraussetzung. Ihr Vertrauter sollte unbedingt wissen, wo in Ihrer Wohnung die wichtigsten Unterlagen aufbewahrt sind, also auch Ihre Patientenverfügung. Am einfachsten ist es, dem Vertrauten eine "Generalvollmacht" auszustellen, die Vermögens- und Gesundheitssorge sowie Aufenthaltsbestimmung umfasst. Zusätzlich kann in ihr die Nachlassverwaltung festgelegt werden. Allerdings raten Experten, bei der Auswahl eines Vertrauten darauf zu achten, dass dieser keinen finanziellen Vorteil aus Tod oder Leben des Patienten zieht. Deshalb kommen beispielsweise nicht immer Ehegatte, Lebenspartner oder Verwandte in Frage. Und wer in einem Heim lebt oder von einem Pflegedienst versorgt wird, sollte keinesfalls Personen bevollmächtigen, die durch eine Anstellung in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen. Ein zuverlässiger Freund hingegen könnte durchaus bevollmächtigt werden.
7. Vollmachten aufteilen:
Denkbar ist auch die Aufteilung der Vollmachten, beispielsweise für persönliche und finanzielle Belange. Falls der Bevollmächtigte ausfallen sollte, ist es sinnvoll, auch eine Ersatzperson festzulegen. Die Reihenfolge der Bevollmächtigten sollte schriftlich fixiert sein. Mehrere Bevollmächtigte zu benennen, die nur zusammen handeln dürfen, ist zwar möglich, aber wenig praktikabel.
8. Ohne Vollmacht:
Wenn Sie keine Vorsorgevollmacht verfasst haben, hilft eine Betreuungsverfügung. Sonst wird für Sie vom Vormundschaftsgericht ein gesetzlicher Vertreter als Betreuer benannt. Das Gericht wird dann tätig, wenn ihm vom Arzt, von Ihren Angehörigen oder einer Behörde mitgeteilt wird, dass Sie nicht mehr handlungsfähig sind. In der Betreuungsverfügung können Sie nicht nur festlegen, wen Sie dann als Betreuer wünschen, sondern auch, wer dies keinesfalls übernehmen soll. Diese Wünsche sind für das Gericht verbindlich. Wenn keine Ihnen bekannte Person geeignet erscheint oder Sie diese Lösung ausdrücklich abgelehnt haben, wird ein professionell tätiger, amtlicher Betreuer bestellt. Egal, wer Ihr Betreuer ist: Ihre Patientenverfügung ist auch für diesen immer verbindlich.
Lesetipp: Neue VdK-Broschüre Der Sozialverband VdK hat für seine Mitglieder eine aktuelle Broschüre zum Thema "Vorsorge/Patientenverfügung" erstellt, die von Experten verfasst und geprüft wurde. Der Vertrieb dieser Broschüre wird je nach VdK-Landesverband unterschiedlich geregelt. Bitte wenden Sie sich deshalb bei Interesse an Ihren zuständigen Landesverband: Landesverbände Hilfe bei Fragen zur Patientenverfügung bietet ebenfalls die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD). Von Montag bis Freitag (10 bis 18 Uhr) sind die Berater unter der kostenfreien Rufnummer 0800-0117722 zu erreichen. Anlaufstellen vor Ort erfahren Sie auch im Internet unter www.upd-online.de.
Quelle: Soziales Expertennetz