Verbraucherzentrale NRW warnt vor Versandkosten-Falle: Die Ein-Cent-Ecke von Amazon
Archivmeldung vom 30.09.2020
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.09.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttDer Ein-Euro-Shop war gestern, heutzutage lockt die Ein-Cent-Ecke - zu finden beim Online-Giganten Amazon. Die Verbraucherzentrale hat sich umgeschaut und warnt. Die Shoppingtour der Verbraucherzentrale NRW bei Amazon endete spektakulär.
Im Warenkorb landeten 20 Artikel: darunter Laufschuhe und Jogginghose, Armbanduhr und Fitnesstracker, Kopfhörer und Fernlenk-Hubschrauber, Dessous und Hundespielzeug, Lichterkette und Polo-Shirt. Gerade mal 20 Cent betrug der Gesamt-Warenwert - ein Cent pro Artikel. Mehr Schnäppchen geht nicht.
Der Weg ins Billigparadies führte über die Suchfunktion von Amazon. Wer dort nach "Preis: aufsteigend" sortiert, findet mal längere, mal kürzere Listen mit Ein-Cent-Angeboten, vor allem bei Klamotten und Kleingeräten. Doch kein Garten Eden ohne Schlange. Die Euphorie wich schnell Entsetzen beim Thema "Versandkosten". Denn die addiert, musste die Verbraucherzentrale für den Amazon-Einkauf nicht 20 Cent, sondern vielmehr satte 312,41 Euro berappen. Das entsprach im Durchschnitt 15,62 Euro Versandkosten pro Artikel, bisweilen drastisch mehr. Beim Hundespielzeug und bei den Laufschuhen etwa kamen zum einen Cent jeweils 25,99 Euro hinzu, bei einem "Ringlicht für Selfies" schnellte die Verschickung gar auf 29,99 Euro.
Am dreistesten war die Kalkulation bei einem Paar Damensandalen. Auf die Ein-Cent-"Espadrilles" (blau, Größe 35) hatte der Händler 44,99 Euro draufgeschlagen. Damit nicht genug. Begründet wurden solche Kosten keineswegs mit einer zügigen Versendung, geschweige denn "Express"-Lieferung. Im Gegenteil. Die Händler genehmigten sich für den Transport bis zu "37 Tage", gern auch bis zu "54 Tage". Das Schneckentempo erklärt ein Blick ins Impressum der Shops. Deren Lager nämlich stehen in China. Von dort füllen die Verkäufer den Marketplace von Amazon fleißig mit Ein-Cent-Offerten.
Weit weniger eifrig geben sie sich bei Transparenz und Kommunikation. Nicht einer der 20 Chinashops im Check offenbarte seine "Rücksende- und Erstattungsrichtlinien" im Händler-Profil von Amazon. Das kann Kunden ins Grübeln bringen, die den Onlinekauf retournieren wollen: ob und wie teure Paketkosten von und nach China erstattet werden? Stattdessen bat Amazon: "Kontaktieren Sie" den Händler, um "Informationen über Richtlinien zu erhalten". Das hat die Verbraucherzentrale mehrfach per E-Mail versucht. Vergebens.
Wichtig deshalb zu wissen: Bei einem Widerruf oder bei einer Rückgabe muss per Gesetz nicht nur der Kaufpreis, sondern es müssen auch die Hinsendekosten erstattet werden. Bei der Rücksendung nimmt der Branchenprimus "internationale Händler" auf dem Marketplace darüber hinaus an die Kandare. Die müssen entweder "eine Rücksendeadresse innerhalb Deutschlands" anbieten oder "ein vorfrankiertes Etikett für eine kostenlose Rücksendung". Alternativ können sie auf eine Retoure der Ware verzichten.
Verweigert sich ein Händler diesen Vorgaben, verspricht Amazon mit seiner "A-Z-Garantie" einzuspringen. Das sollten Käufer von Ein-Cent-Artikeln gut im Hinterkopf behalten. Denn Ein-Cent-Artikel eignen sich prächtig als tricky Lockangebot, wobei die oftmals absurd hohen Transportkosten den Warenwert verschleiern.
Ein fieses Beispiel dafür: die blauen "Espadrilles" in Größe 35. Andere Farben und Größen dieser Sandale vertickte der Amazon-Händler für scheinbar teure 12,99 Euro. Doch statt 44,99-Euro forderte der Händler bei den Varianten für den Versand nur 11,99 Euro. Im Klartext: Der Gesamtpreis von 45 Euro für die Ein-Cent-Sandale war gut 20 Euro teurer.
Quelle: Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. (ots)