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Steuerfahndung und Strafverfolgung - Verhaltensmaßregeln bei polizeilichen oder anderen Durchsuchungsmaßnahmen

Archivmeldung vom 26.02.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.02.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die aktuellen und weitgehend als rechtswidrig einzustufenden Praktiken der Finanzbehörden in der Liechtensteinaffäre, die sich demnächst zu einer Rechtsstaatskrise weiter entwickeln wird, hat eine Diskussion über das richtige Verhalten gegenüber solchen Maßnahmen ausgelöst.

Erpressung, Einschüchterung und Nötigungshandlungen in Gestalt der „Öffentlichen Hinrichtung“ selbst dann, wenn, folgt man den Schauspielern der Steuerfahndung, alle wesentlichen Tatumstände bereits weitgehend – rechtswidrig – „aufgeklärt“ sind verdeutlichen, dass die beteiligten Behörden neue Wege gehen. Die Einschaltung der Öffentlichkeit zwecks Rückendeckung ist in dieser Intensität ebenso neu wie der Einsatz des Bundesnachrichtendienstes und erheblicher Steuergelder zwecks Beschaffung rechtwidrig erlangter Datenbestände im Wege der Hehlerei.
Bisher musste man in der Praxis der Fahndung und Ermittlung tendenziell feststellen, dass Haftbefehle und richterliche Durchsuchungsmaßnahmen, soweit nicht aus vermeintlichen und hinterher kaum darstellbaren Gründen der Gefahr im Verzug, die auch ein polizeiliches Eingreifen in jeder Lage erlauben, ohne weiteres erlassen und dann auch vollzogen wurden, was mit erheblichen Beeinträchtigungen und nicht selten jahrelangen Ermittlungen verbunden ist, nach denen dann auf jeden Fall eines festgestellt werden kann:
Der Beschuldigte ist nicht selten in der Regel ruiniert, sein Ruf ohnehin verbraucht, das Unternehmen immer wieder kaum noch zu retten, der Tatvorwurf in dem ursprünglichen Umfang später nicht mehr vollumfassend zu halten. Die Ermittlungsbehörden sind dann im Interesse der Selbstreinwaschung bemüht, wenigstens einen Krümel an Vorwürfen zu untersetzen, um ja eine wenn auch geringe Verurteilung durchzusetzen, nur um das eigene Übermaßverhalten und etwaige Regressmaßnahmen zu verhindern.

Haftbefehle dienen immer wieder nur allein einem Zweck: Der Aussageerzwingung derer, die an sich Schweigen dürfen. Gerade für Gewerbetreibende oder Selbständige wäre die Gefahr eines Haftvollzugs oftmals mit so schwerwiegenden Nachteilen verbunden, dass Aussagen gemacht werden, nur um in Freiheit zu gelangen. Im Falle Zumwinkel, in dem angeblich alle Tatumstände bekannt waren, entschloß sich Vater Staat zur medienwirksamen Großaktion, obwohl alle etwa weiter benötigten Unterlagen sicher einfacher und ohne weiteres herausgegeben worden wären, nur um den Medienrummel zu verhindern. Erwischte Täter sind selten interessiert daran, sich zusätzlichen Herausforderungen auszusetzen.
Die maßvolle und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Fahndung und Durchsetzung von Ermittlungsbefugnissen wird in der Praxis der Verfolgungsbehörden der Bundesrepublik Deutschland die Ausnahme. Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass mit der Einheit sehr viel Personal aus einem Wertekreis übernommen wurde, in dem die Verteidigung ziviler Rechte auf der Grundlage der Zivilcourage nicht ausgeprägt war.

Die personelle Ausstattung, die Arbeitsbedingungen oder sonstige allein vom Staat selbst zu vertretende Umstände dürfen nie der Grund sein, eine oberflächliche Sachbehandlung und quasi inflationäre Ausstellung von Haft- oder Durchsuchungsbefehlen zu rechtfertigen. Leider muß die Praxis davon ausgehen, dass Betroffene ungeachtet des späteren Ausgangs des Verfahrens mit überzogenen Fahndungsmaßnahmen rechnen müssen. Dabei überzeugt die Fahnder selten, dass ein wirklicher Straftäter nicht noch so einfältig sein wird, die Beweise unter dem Kopfkissen zu bewahren.
Für Anwälte und Steuerberater gehören Fahndungserfahrungen und Durchsuchungen zur Praxis, suchen doch z.B. Steuerfahnder hier die noch benötigten Letztbeweise am ehesten.

Um handlungs- und verteidigungsfähig zu bleiben sind für die Betroffenen Vorsichtsmaßregeln wichtig, die in jedem Fall auch dann zu beachten sind, wenn man sich selbst nichts vorwerfen muß. Hier und da drohen auch Zeugen oder vermeintlichen Zeugen unerbetene Besuche, die sich im Einzelfall auch einmal zu einer größeren Beschlagnahmesituation ausweiten können.

1. Verhalten bei Erscheinen von Ermittlungsbehörden

a. Überraschungseffekte

Fahnder spekulieren auf den Überraschungseffekt. Gut abgestimmt werden in der Hoffnung auf Entdeckung aller erforderlichen Beweise Durchsuchungen an verschiedenen Orten vollzogen. Nicht immer um 7.00 Uhr morgens. Immer wieder müssen die Beamten dennoch wieder abziehen oder ihre Maßnahmen abbrechen, weil sich die gesuchten Unterlagen beim Berater oder einem Büroservice befinden, der zufälligerweise nicht auf dem Durchsuchungsbefehl steht. Die Beschlagnahme dort wegen der Gefahr im Verzug gelingt nicht immer.

b. Geschäftsunterlagen kopieren oder scannen

Wichtige Geschäftsunterlagen sollten im Interesse der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes in Kopie vorliegen. Es bietet sich ein elektronisches Sicherungssystem an, mit dem alle Kontobelege, Rechnungen, Geschäftspapiere etc., die für den laufenden Betrieb erforderlich sind, in digitaler Form erfasst werden, damit etwaige Beschlagnahmeaktionen nicht zur dauernden Betriebsunterbrechung führen. Es dauert nicht selten Jahre bis die Sachbearbeiter beschlagnahmte Dokumente ausgewertet haben. Ohne Kenntnis der Belege ist eine Verteidigung nach langer Zeit mit einem erheblichen Aufwand verbunden, der selten bezahlt werden kann, so dass immer wieder festzustellen ist, dass Verurteilungen hingenommen werden müssen, weil sich die Beteiligten nicht oder nicht mehr verteidigen können.

c. Rechtsmittel einlegen

Durchsuchungsmaßnahmen ist ebenso wie die sich anschließende Beschlagnahme in jedem Fall zu widersprechen. Achten Sie darauf, dass der Widerspruch in das Beschlagnahmeprotokoll übernommen wird. Der Widerspruch steht der dringenden Empfehlung nicht entgegen, Akten oder vermeintliche Beweismittel nicht freiwillig herauszugeben.
In Steuerstrafverfahren ist der Beschuldigte oft einem doppelten Verfahren ausgesetzt. Neben dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren läuft das normale Veranlagungs- und Steuerfestsetzungsverfahren weiter. Dies kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass ein Beschuldigter strafrechtlich verurteilt wird, obwohl die steuerrechtliche Beurteilung noch gar nicht abgeschlossen ist. Nicht selten ist festzustellen, dass das 10 Jahre später mit der Sache betraute Finanzgericht den Sachverhalt ganz anders beurteilt, als die überforderten Strafgerichte, die sich allzu gerne auf die Feststellungen der Fahnder verlassen. Obwohl zur eigenständigen Prüfung von Straftaten verpflichtet folgen Strafrichter immer wieder unkritisch den Anklagen. Ob die späte Rehabilitierung dann einen Grund zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens ergibt, hängt sehr vom Einzelfall ab.

d. Anwesenheitsrecht & Verteidiger

Betroffene haben das Recht, den Durchsuchungsmaßnahmen beizuwohnen. Sie haben das Recht ihren Verteidiger hinzuzubitten und auf dessen zeitnahes Erscheinen warten zu lassen.

e. Freiwillige Herausgabe und Widerspruch

Die „freiwillige“ Herausgabe soll unnötige Zerstörungen verhindern helfen. Sie verhindern auch die unverhältnismäßige Durchsuchung von Akten oder Dokumenten, die ihrem äußeren Anschein mit dem Tatvorwurf gar nichts zu tun haben können. Kooperatives Mitwirken ist manchmal überzeugender. Auf der anderen Seite sind wirkliche Straftäter bemüht, die Fahnder systematisch abzulenken, in dem ihnen die falschen Unterlagen mit vorher manipulierten Aktendeckeln mitgegeben werden. Ein beliebter Trick besteht darin, ein komplettes Büro mit unbrauchbaren Dokumenten zu unterhalten, die nur einen Zweck erfüllen sollen: Die Beschlagnahme. Bis der Fehlgriff bemerkt wurde, sind alle wichtigen Dokumente zur Seite geschafft.
Wurden keine Kopien gefertigt, bietet es sich an, Kopien der wichtigsten Dokumente nach Abstimmung mit den Ermittlungsbeamten zu fertigen, damit der Geschäftsbetrieb nicht zum Erliegen kommt.

f. Dokumentation der Durchsuchung und Beschlagnahme

Die richterliche Anordnung mit der Begründung des Durchsuchungsbeschlusses sind ebenso wie die Kopie des Beschlagnahmeprotokolls herauszugeben. Diese Dokumente werden für die gerichtliche Überprüfung der Maßnahmen von der Verteidigung benötigt. Durchsuchungsbeschlüsse müssen dem Bestimmtheitsgebot genügen. Alles, was nicht vom Beschluß gedeckt ist, darf nicht beschlagnahmt werden. Ausnahmen hierzu gibt es („Zufallsfunde“).

g. „Schweigen ist Gold“ wert

Beschuldigte haben das Recht zu schweigen, was nicht gegen sie ausgelegt werden darf. Zeugen und Mitarbeiter ebenfalls, soweit sie sich belasten würden, ein Zeugnisverweigerungsrecht oder gar ein Aussageverweigerungsrecht beanspruchen können. Da der Umfang der Rechte nicht ohne weiteres festgestellt werden kann, sollte ein Anwalt kontaktiert werden, um die Sache zu klären. Unverfängliche Unterhaltungen mit den Ermittlungsbeamten sind zu vermeiden. Es ist nicht auszuschließen, dass aus Nebensächlichkeiten im späteren Protokoll Erklärungen werden, die so nicht gewollt oder abgegeben wurden. Jugendliche dürfen nicht ohne weiteres in Abwesenheit ihrer Eltern oder Verteidiger befragt oder vernommen werden. Achten Sie darauf, dass Sie in jedem Fall belehrt werden. Zur Belehrung gehört die Aufklärung über die Folgen eines Tuns oder Unterlassens. Nur bei richtiger Belehrung kann später eine Verwertung erfolgen.

h. Befragungen kontrollieren und Exzesse verhindern

Vom Durchsuchungsbeschluss nicht gedeckte Vernehmungen sind zurück zuweisen. Kein Ermittler hat das Recht, unerlaubte Ermittlungen zu tätigen. Befragungen von Mitarbeitern oder etwa Kunden sind im Zusammenhang mit einer Untersuchung grundsätzlich unzulässig. Keine heimliche Durchsuchung von Räumen oder Dokumenten dulden. Vorsicht vor Täuschungen und irritierenden Drohungen.

i. Keine Entbindung von Beratern von der Verschwiegenheitspflicht

Die für den Beschuldigten tätigen Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Notare und Steuerberater unterliegen der gesetzlichen Schweigepflicht, die allerdings immer weiter ausgehöhlt wird. Dennoch darf keine Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht erfolgen, bevor dies nicht von der Verteidigung aus Gründen der Rechtesicherung ausdrücklich befürwortet wird. Beachten sie stets, dass es eine Teilbefreiung nicht geben kann. Ist eine Befreiung einmal erklärt, muß sich der Berater umfassend erklären, was auch negative Folgen haben kann. Auch hier gilt der Grundsatz: „Schweigen ist Gold“.

j. Vernichtung von Unterlagen vermeiden

Die Vernichtung von Unterlagen oder die Erschwernis der Untersuchung durch beiseite geschaffte Dokumente kann eine Verdunkelungsgefahr begründen und damit einen Haftgrund. Die Gefahr einer Strafvereitelung oder eine Beihilfe hierzu ist ebenfalls immer zu vermeiden. Sie erkennen: Guter Rat und die richtige Vorbereitung sind an dieser Stelle teuer.

k. Durchsuchung von EDV und elektronischen Speichermedien

Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft – stets prüfen und gegebenenfalls telefonisch kontrollieren – können Polizeibeamte neuerdings auch Festplatten oder sonstige Speichermedien überprüfen.

2. Ergebnis

Es ist nicht strafbar, die Ermittlungsbehörden bei der Tätigkeit zu unterstützen und mit umfassendem Material im Interesse einer ebenso hoffentlich umfassenden Ermittlung zu unterstützen. Was dazu beiträgt, kann erst sehr viel später festgestellt werden. Nicht selten ist es angesichts unklarer Umstände empfehlenswert Zeit zu gewinnen. Langanhaltende Ermittlungen sind dabei mitunter von Vorteil. Es empfiehlt sich weiterhin im Interesse der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes Kopien von wichtigen Dokumenten vorzuhalten, um jederzeit handlungsfähig zu bleiben. Wichtige Abschriften oder auch Kopien von Datenträgern sollten in digitaler Form ausgelagert werden. Soweit die Auslagerung in eine Datenbank im Internet erfolgt, sollte diese auch nach langer Zeit noch zur Verfügung stehen.

Ein Tipp:

Je nach Standort kann es sinnvoll sein, einen kompetenten Anwalt von außerhalb zu beauftragen. Gleiches gilt im Bereich der Steuerberatung. Ihr Umfeld erhält auf diese Weise nicht unmittelbar Einblick in Ihren höchstpersönlichen Angelegenheiten. Das hat Vorteile gerade in Kleinstädten. Höhere Kosten sind damit selten verbunden.

Quelle: Trempel & Associates Berlin


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