Geheimnisse des christlichen Altertums
Archivmeldung vom 04.08.2012
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Freigeschaltet durch Andreas FerchIst es möglich, ja ist es denkbar, dass es im frühen Christentum Menschenopfer gegeben hat? Genau dieses behauptet ein Autor des 19. Jahrhunderts, der zwischen Goethe und Nietzsche in Deutschland wirkte. Dieses Werk Daumers wurde kürzlich neu herausgegeben und birgt erschreckende Inhalte: Das Christentum ist so körper- und sinnenfeindlich, dass Christen der Frühzeit meinten, ihrem Gott zu gefallen, wenn sie sich in dieser Welt verstümmeln, um in einer jenseitigen ein seliges Leben zu haben.
Mag es Geheimnisse der Frühzeit des Christentums geben, die wir Heutigen noch nicht kennen? Zumal wenn die erste Ausgabe des hier vorgestellten Buches bereits vor über 160 Jahren erfolgte? Denn Daumers „Geheimnisse des christlichen Altertums“ erschienen bereits 1847.
Daumer war beeinflusst von Hegel, Schelling, Baader und Böhme, ist aber letztlich eine einsam suchende Gestalt, die nur mit Friedrich Nietzsche verglichen und als dessen Vorläufer er angesehen werden kann. Wesentlich bekannt wurde Daumer durch seine fürsorgliche Pflege des wundersamen Kaspar Hauser in Nürnberg im Jahre 1828. So unterschiedliche Gestalten wie Rudolf Steiner und Ludwig Klages wurden auf ihn aufmerksam.
Das Buch (nur der erste Teil) erfuhr kürzlich eine Neuauflage im historischen Melchior-Verlag. Der erneuten Auflage von 1923 wurde ein Vorwort von dem Begründer des Marxismus beigefügt, aus dem hier ein Wortlaut folgt:
„Von allem, was die deutsche Philosophie geleistet hat, ist die Kritik der Religion das wichtigste, jedoch ist diese Kritik nicht aus der gesellschaftlichen Entwicklung hervorgegangen. Alles, was bisher gegen die christliche Religion geschrieben wurde, beschränkt sich darauf, zu beweisen, dass sie auf falschen Grundsätzen beruhe, wie z.B. dass die Schriftsteller einer den anderen benutzt haben.
Aber was man noch nicht untersucht hatte, war der praktische Kultus des Christentums. Wir wissen, dass das Höchste im Christentum das Menschenopfer ist.
Daumer weist in einem kürzlich erschienen Werk nach, dass die Christen wirklich Menschen geschlachtet und im Abendmahl Menschenfleisch gegessen und Menschenblut getrunken haben.
Es erklärt sich hieraus, warum die Römer, die alle Religionssekten duldeten, die Christen verfolgt haben und warum die Christen später die ganze heidnische Literatur, welche gegen das Christentum gerichtet war, vernichtet haben.“
So weit der berühmte Karl Marx. Daumer nennt den Gott, dem die Menschenopfer gebracht wurden, Moloch.Wir machen einen Sprung in die unmittelbare Gegenwart. Es ist ein sonderbarer Zufall, dass gegenwärtig bei YouTube ein Video über das alljährlich im Sommer wiederkehrende, heimlich abgehaltene okkulte Ritual im kalifornischen Waldareal Bohemian Grove gezeigt wird; durch einen Enthüllungsjournalisten, der heimlich filmte, wie eine Puppe einer scheußlich tönenden Wesenheit, die Molech genannt wird, rituell geopfert wird. Im Text zum Video, dass mittlerweile wegen möglicher Urheberrechtsverletzung gesperrt wurde, heißt es:
Der Nachfolger der legendären Dokumentation "Dark Secrets inside Bohemian Grove" von Alex Jones. Sehen sie wie Mitglieder des Groves, lokale Protestler und die Massenmedien reagiert haben in den vergangenen 5 Jahren seit Jones' Infiltrierung des Bohemian Grove Clubs in den Wäldern Nordkaliforniens. Außerdem gibt es neue Videoaufnahmen aus dem Grove welche ein Mitarbeiter heimlich in der Anlage gedreht hatte; u.a. Innenaufnahmen vom Molech-Steingötzen und Aufnahmen jenes Holzhäuschens, in dem einst der Bau der ersten Atombombe geplant wurde.
Doch zurück zu Daumer. Er hat durch Studien, die im Buch zitiert werden, insbesondere die Heiligen-Leben nach den Menschenopfern befragt und liefert dazu zahlreiche Beispiele, die zwar in der Regel bekannt sind, aber nicht in dem hier aufgezeigten Kontext. Das liegt daran, dass die blutigen christlichen Opfertaten der „Märtyrer“ ja in unerreichbar ferner Vergangenheit angesiedelt werden, derweil heute alles nur allegorisch, symbolisch gesehen wird. Der Hauptkritikpunkt Daumers am Christentum ist der: Dieses alte Christentum bezeichnet er als die Religion des Geistes. Was nicht geistig, sprich geistlich ist, das ist auch nicht christlich: alles Körperliche, Sinnliche, Natürliche. Ja, das Christentum ist für Daumer sogar das genaue Gegenbild des körperlich-sinnlich-Natürlichen. Dann ist es auch nur folgerichtig für den überzeugten Christen, seinen physischen Leib hinzugeben, der Gottheit zu opfern. Und dazu geben die Heiligen-Biographien zahlreiches Anschauungsmaterial: Je grausamer der Tod, je unmenschlicher die Qual ist, desto größer der Lohn im unkörperlich-unsinnlichen-unnatürlichen Jenseits, auf welches der Christ seine Hoffnung setzt.
Es ist verblüffend, wie Daumer an sich bekannte Sätze aus den Evangelien oder insbesondere den Paulusbriefen interpretiert. Beispielsweise aus dem Korintherbrief: „Ich habe euch einem Manne verehelicht, Christo, um euch demselben als reine Jungfrau zuzuführen“ (11,2). Dazu dann Daumer: „Es sind insbesondere die Leiden und Qualen des Märtyrertodes, was als Hochzeit, Brautbett und Vermählungswonne in diesem negativen, antirationalistischen Sinne des Wortes gilt.“ (S. 9). Nicht vergessen werden darf, dass ja im Mittelpunkt aller christlichen Kulte, auch heute noch, das ebenso blutige Opfer des Christus auf Golgatha steht. Und Messe und Abendmahl als Haupthandlungen des christlichen Kultus beziehen sich gerade darauf. Kritiker mögen demgegenüber Stellen aus dem Neuen Testament anführen, wo das Menschenopfer abgelehnt wird. Sie werden nichts anführen können, da es nichts gibt. Vielmehr heißt es: „Ihr seid mit dem teuren Blut Christi, als eines unbefleckten fehllosen Lammes erkauft.“ (1. Petri 1,19)
Daumer bringt zahlreiche Beispiele aus dem traditionellen kirchlichen Schriftgut, die alle das Opfer zelebrieren. Er bringt Märchen der Gebrüder Grimm, christliche Sagen und vieles mehr, Schilderungen, wonach Menschen gezwungen wurden, geschlachtete Kinder zu essen und durch den „Genuss“ furchtbare Tobsuchtanfälle bekamen. Auch Beispiele aus der Kunstgeschichte werden herangeführt, die bildlich zeigen, was sonst schriftlich fixiert wurde: In der Abendmahlsschale wurden mitunter Kinder hinein gemalt. Freilich wurden diese Bilder schon Mitte des 19. Jahrhunderts zu Daumers Zeiten weitgehend aus dem Verkehr gezogen, heute etwas zu finden ist nochmal ungleich schwerer.
Daumer fragt aber auch historisch gründlich nach. Wie kommt z.B. der als römischer Schriftsteller geltende Tacitus zu seinem so negativen Urteil über die Christen, die ihm Unmenschen und Verbrecher der allerscheusslichsten und schuldvollsten Art sind? (S. 23). Und Daumer fragt weiter, warum die in Religionsfragen so toleranten Römer ausgerechnet gegen die Christen so hart vorgegangen sind. Waren den Römern die christlichen Menschenopfer so zuwider?
Und wer es nicht annehmen kann, was geschildert wird: Man schließe sich heute beispielsweise einer geomantischen Erdheilungsgruppe an oder einzelnen spirituellen Heilern oder Heilerinnen und höre, was sie im Jahre 2012 an unerlösten Seelen und furchtbaren Ritualopfern überall in Deutschland finden. Insbesondere an christlichen Kirchen werde sie fündig.
Ziehen wir ein Resume:
Manches Einzelne von dem, was Daumer seinerzeit schrieb, dürfte nach tieferer Prüfung nicht haltbar sein. Das Wesentliche und Grundsätzliche aber, die Feindschaft des Christentums gegen das Körperliche, Sinnliche, Natürliche, auch Sexuelle ist zutreffend, auch heute noch. Wiederholen wir Daumers ersten Satz: „Das Christentum ist die Religion des Geistes.“ Und weisen wir an dieser entscheidenden Stelle auf das großartige Werk eines im christlichen Deutschland unbekannten Philosophen hin, das minutiös im Detail den Nachweis der Richtigkeit dieses Satz erbringt: Ludwig Klages (1872-1956): Der Geist als Wiedersacher der Seele (1929-1932, 3 Bände).
Geheimnisse des christlichen Altertums
Autor: Georg Frierich Daumer
mit einer einleitenden Rede von Karl Marx
Melchior Verlag (dort schon nicht mehr geführt)
ISBN: 978-3-941555-48-8
Preis: 7,95 beim Verlag
Quelle: Buchbesprechung von Andreas Ferch