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Die Physik des Christentums

Archivmeldung vom 24.07.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.07.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

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Die Physik des Christentums: Ein naturwissenschaftliches Experiment
Die Physik des Christentums: Ein naturwissenschaftliches Experiment

Eigentlich stand „Tipler“ schon seit Wochen auf meiner Liste, aber ich bin erst jetzt dazu gekommen, mir sein neuestes Werk genauer unter die Lupe zu nehmen.

Vorweg möchte ich schicken, dass sein Klassiker „Die Physik der Unsterblichkeit“ natürlich auch nicht in meinem Bücherregal fehlt – ein Werk, das ich bemerkenswert finde und das sich ungeachtet der für „Otto-Normalverbraucher“ schweren Verdaulichkeit einen Platz unter den Bestsellern erobern konnte. Doch das ist nicht das heutige Thema.

Bevor ich mit meinen Ausführungen beginne, sollten wir einen Blick auf die Botschaft werfen, mit der Autor und Verlag auf das Werk „Die Physik des Christentums: Ein naturwissenschaftliches Experiment". (Piper, München 2008) aufmerksam machen.

Darin heißt es unter anderem: „In Zeiten heftiger Diskussionen um Wissenschaft versus Religion bringt der renommierte Physiker Frank J. Tipler seine wissenschaftliche Disziplin und seinen persönlichen Glauben in einer aufregenden Versuchsanordnung zusammen. Er erklärt die kosmologische Singularität, also den Ursprung von allem außerhalb von Raum und Zeit, zum jüdisch-christlichen Gott. Und er will zeigen, dass die »Wunder« des Neuen Testaments, darunter die jungfräuliche Geburt, die Auferstehung und die Fleischwerdung, den physikalischen Gesetzmäßigkeiten nicht widersprechen.“

Das klingt viel versprechend und auch „das Renommee“ des Verfassers scheint außer Frage zu stehen. So ist Tipler seit 1987 Professor für mathematische Physik an der Tulane University in New Orleans und arbeitete an zahlreichen Instituten, unter anderem auch mit Stephen Hawking und Roger Penrose zusammen.

Nach einer erklärenden Einführung und einem kleinen Exkurs in die Quantenphysik kommt Tipler in seinem Buch rasch „zur Sache“. Dabei wird Gott zu einer kosmologischen Singularität, also dem Ursprung unseres Universums – völlig losgelöst von Raum und Zeit. Das ist eine These, mit der sich der Rezensent gerne anfreunden mag, weil er sie in seinem Buch (s. weiter unten) und diesbezüglichen Artikeln selber vertritt. Tipler geht jedoch noch einen Schritt weiter und sucht auch für die Dreifaltigkeit des christlichen Glaubens eine naturwissenschaftliche Erklärung. Und diese stellt er wie folgt dar: Der Heilige Geist ist Urknall-Singularität, Gott entspricht der Endsingularität und die Assoziation von beiden ist Jesus. Anstatt in einen Freudentaumel zu verfallen, wird es dem Rezensenten an dieser Stelle erstmals ein wenig mulmig.

Aber es kommt noch viel heftiger, als sich Tipler von der Kosmologie entfernt und an die Wunder der Bibel heranpirscht. So unterlässt der Autor keinen Versuch, hierfür die abenteuerlichsten physikalischen Erklärungen anzubieten, wie einige Beispiele zeigen. Ein „Paradestück“ ist die Auferstehung Jesu, wo Tipler zufolge der Prozess der Baryonenvernichtung (http://de.wikipedia.org/wiki/Baryon) beteiligt war. Diesen Prozess, der kurz nach dem Urknall eine wichtige Rolle bei der Umwandlung von Strahlung in Materie gespielt haben könnte, soll Jesus einfach umgekehrt haben und die Materie seines Körpers in unsichtbare, aus Neutrinos bestehende Strahlung umgewandelt haben. „Das ist keine verrückte Spekulation, sondern schlicht und ergreifend messerscharfe Logik“, würde vermutlich nur der legendäre Vulkanier „Spock“ (http://www.crunchgear.com/wp-content/uploads/mr_spock.jpg) solche Gedankengänge bezeichnen.

Nächstes Beispiel ist der legendäre See Genezareth, dessen Oberfläche Jesus trockenen Fußes überquert haben soll. Während einige Wissenschaftler glauben, dass eine Eisscholle das Wunder bewirkt haben könnte (http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/263820.html) hält Tipler offenbar nichts von bodenständigen Erklärungen und macht für diesen „Effekt“ vielmehr einen Neutrinostrahl verantwortlich, der von Jesus Füßen ausgehend nach unten auf die Wasseroberfläche gerichtet war.

Zum „Glück“ wird in Tiplers Werk nicht nur die Physik strapaziert. Auch die Genetik muss arg Federn lassen. So bei der Erklärung der jungfräulichen Geburt Jesu. Tipler geht davon aus, dass zu Bethlehem ein männliches Wesen mit zwei X-Chromosomen geboren wurde. Das dieser XX-Mann vermutlich am Klinefelter-Syndrom (http://de.wikipedia.org/wiki/Klinefelter-Syndrom) zu leiden hatte, darüber schweigt Tipler sich aus.

Fazit: Ich habe Tipler bisher geschätzt weil er sich als Naturwissenschaftler nicht scheut, über den Tellerrand zu schauen und seine Visionen zu veröffentlichen. Hierzu gehört auch der Versuch, ein neues, Naturwissenschaft und Religion vereinigendes Weltbild zu schaffen. Einige namhafte internationale Wissenschaftler haben auf diesem Gebiet in den vergangenen Jahren die Pforte bereits einen Spalt breit geöffnet. Tipler dagegen fällt mit der Tür ins Haus und konterkariert die seriösen Bemühungen weniger Avantgardisten geradezu. Das finde ich persönlich sehr schade. Und wenn Tipler zum Schluss gar dafür plädiert, Religion zu einem Teilgebiet der Physik zu erklären, dann dürfte dies auch in theologischen Kreisen auf wenig Gegenliebe stoßen.

Immerhin: Wer ein Faible für Skurriles hat, dem kann das Buch durchaus empfohlen werden.

Der Rezensent ist Autor des gerade in einer aktualisierten Neuauflage erschienenen Buches „Die geheime Physik des Zufalls. Quantenphänomene und Schicksal – Kann die Quantenphysik paranormale Phänomene erklären?“. Edition BoD, Norderstedt, Juni 2008. Herausgegeben von Vito von Eichborn. 

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