Kontopfändung: Wenn der Kuckuck auf den Kohlen sitzt
Archivmeldung vom 13.01.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.01.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt„Ich kann Ihnen leider nichts ausbezahlen, weil Ihr Konto gepfändet ist." Die sonst freundliche Dame hinterm Tresen in der Bank wirkt betreten und zugleich etwas abweisend. Ihr Kunde, den sie zuvor immer mit zuvorkommender Höflichkeit bedient und behandelt hat, ist in ihren Augen auf einmal suspekt. Und sie lässt ihn dann auch ohne einen Euro Geld in der Tasche heim gehen.
Nach Auskunft der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) in Bonn
kommt es in Deutschland immer öfter zu Szenen wie
dieser.
Doppelpfändungen beim Arbeitgeber und dem Geldinstitut
Die
Kontopfändung ist, neben der Lohn- und Sachpfändung, eine zunehmend genützte
Möglichkeit für einen Gläubiger, seine Forderungen zwangsweise einzutreiben.
Laut Johann Tillich, Insolvenzspezialist des VfE e. V., komme es sogar „immer
häufiger zu einer Doppelpfändung beim Arbeitgeber und dem Geldinstitut." Die
Rechtsgrundlage bilden die Paragrafen 829 und 835 Absatz 1 der
Zivilprozessordnung (ZPO).
Durch einen Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss können Gläubiger jeden Zugriff des Schuldners auf sein
Konto verhindern. Die kontoführende Bank ist per Gerichtsbeschluss verpflichtet,
das Guthaben, das sich auf dem Konto befindet, aber auch alle später eingehenden
Guthaben, nach Ablauf von 14 Tagen an den Gläubiger auszuzahlen.
Bei
Kontopfändungen droht sogar der Verlust der Wohnung
Auch Abbuchungen, die
per Dauerauftrag oder Einzugsermächtigung geregelt sind, etwa Zahlungen für
Miete, Strom oder Versicherungen, darf die Bank dann nicht mehr ausführen. Im
Extremfall droht nach Erfahrungen der Verbraucherverbände sogar die
Wohnungslosigkeit: „Wenn die Miete nicht überwiesen wird, kann der Vermieter
nach zwei Mietrückständen die Wohnung kündigen."
Bei einer Kontopfändung
muss der Schuldner schleunigst handeln. Zwar besteht für bestimmte Geldeingänge
Pfändungsschutz, doch dieser muss von dem betroffenen Kontoinhaber erst einmal
beantragt werden. Geschieht dies nicht, geht sein Geld nach Ablauf einer
Sperrfrist von 14 Tagen unwiderruflich an den Gläubiger.
Der Antrag auf
Pfändungsschutz muss nach Paragraf 850k Zivilprozessordnung (ZPO) gestellt
werden. Bei privaten Gläubigern ist dafür das zuständige Vollstreckungsgericht
zuständig, bei öffentlichen Gläubigern wie dem Finanzamt oder der
Stadtverwaltung die Vollstreckungsstelle der jeweiligen
Behörden.
Gerichte orientieren sich an Pfändungstabelle
Bei der
Höhe der unpfändbaren Beträge orientieren sich die Gerichte an der so genannten
Pfändungstabelle (Paragraf 850c ZPO), die den unpfändbaren Betrag festgelegt.
Dieser errechnet sich aus den monatlich bereinigten Nettoeinkünften, da
beispielsweise Spesen oder vermögenswirksame Leistungen generell unpfändbar
sind, und der Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen.
Wenn das Geld
nicht zum Leben und für die notwendigen Ausgaben reicht
Bei einem
verheirateten Mann mit einem Kind und 1 500 € Einkommen können monatlich zum
Beispiel 72,05 € gepfändet werden. Jedoch kann beantragt werden, den Teil des
unpfändbaren Einkommens zu erhöhen. Dann muss dem Gericht oder der Behörde
nachgewiesen werden, dass das Geld nicht zum Leben und für die notwendigen
Ausgaben reicht. Dies trifft beispielsweise zu, wenn hohe Aufwendungen im
Zusammenhang mit der Berufstätigkeit erforderlich sind oder wenn eine erhebliche
gesundheitliche Beeinträchtigung vorliegt.
Bevor das Gericht oder die
Vollstreckungsstelle der Behörde endgültig über den Antrag eines Schuldners
entscheidet, muss der Gläubiger gehört werden. Deswegen wird in der Regel
zunächst eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung verkündet. Für
die Bank bedeutet das, dass sie das Guthaben zunächst einbehalten muss. Zwar
erhält der Gläubiger nach dem Ablauf der 14 Tage kein Geld von dem gepfändeten
Konto, doch dies gilt auch für den Kontoinhaber.
Bis eine verbindliche
Entscheidung fällt, können ein paar Wochen vergehen. Deshalb kann der Schuldner
eine sofortige Freigabe von einem Teil seines Geldes beantragen. Immerhin muss
er Lebensmittel, Miete oder Heizkosten zahlen können.
Wird sein Antrag
abgelehnt, hat der Betroffene die Möglichkeit, wegen der kurzfristigen Notlage
beim Sozialamt Unterstützung zu beantragen. Bekommt er ohnedies Sozialleistungen
auf das gepfändete Konto überwiesen, gilt grundsätzlich: Innerhalb von sieben
Tage nach Eingang auf dem Konto kann er uneingeschränkt über dieses Geld
verfügen. Kommt er einen Tag zu spät, sind auch diese Zahlungen für den
Empfänger zunächst verloren.
Der Verein für Existenzsicherung kritisiert
Pfändungspraxis
Wenn eine Kontopfändung erfolgte, haben Banken in der
Vergangenheit den Schuldnern ziemlich hohe Gebühren in Rechnung gestellt. Doch
das ist rechtlich nicht zulässig, wie der Bundesgerichtshof entschieden
hat.
Die Schuldnerberatungsstellen und der VfE e. V. kritisieren die aus ihrer Sicht zunehmende Zahl der Kontopfändungen, weil sie oft eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage darstellen. Wir fordern daher den Gesetzgeber auf, neue Regelungen zum Schutz des Existenzminimums zu schaffen. Mit dem guten Namen allein könne man schließlich nirgendwo bezahlen. Und dieser Name ist dann nicht mehr gut, wenn in der Schufa eingetragen ist, dass eine Kontopfändung erfolgt ist.
Quelle: Pressemitteilung Verein für Existenzsicherung e. V.