Artikelversand per E-Mail verstößt gegen gültige Urheberrechtsgesetze
Archivmeldung vom 12.05.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMuss Deutschland im digitalen Zeitalter zurück zur Papierkopie? Das Oberlandesgericht München hat vorgestern im langjährigen Rechtsstreit zwischen dem Deutschen Börsenverein und dem Dokumentenversanddienst subito sein mit Spannung erwartetes Urteil gefällt. Nach Auffassung der Münchener Richter verstößt der Service gegen das geltende Urheberrecht und darf in dieser Form nicht weitergeführt werden.
Der Musterprozess hat damit auch Einfluss auf
die Angebote anderer Dokumentlieferdienste wie TIBORDER, der im
Bereich von Technik und Naturwissenschaften eine führende Stellung
einnimmt.
Der Versand von kopierten Artikeln aus wissenschaftlichen
Fachzeitschriften per E-Mail verstößt gegen geltendes Recht - das ist
die Kernaussage des gestern vom Oberlandesgericht München verkündeten
Urteils. Vorbehaltlich der Revision durch subito würde dieses Urteil
die Forschung am Wissenschaftsstandort Deutschland maßgeblich
verändern.
Zwei Szenarien sind dabei denkbar. Szenario eins: subito und
Anbieter von ähnlich agierenden Diensten wie TIBORDER stellen den
Dokumentenversand komplett auf den Postweg um. Für Kunden wären damit
deutliche Komforteinbußen zur bisherigen elektronischen Lieferung
verbunden. Die Wartezeit auf bestellte Fachartikel verlängert sich,
zumal sich die Papierkopie nicht direkt am PC aufrufen lässt.
Szenario zwei: Die Anbieter einigen sich mit den Verlagen über
Lizenzen zur Nutzung von Fachartikeln auch auf dem elektronischen
Wege. Dies würde eine deutliche Erhöhung der Preise für solche
Dienste mit sich bringen. Uwe Rosemann, Direktor der Technischen
Informationsbibliothek (TIB) und der Universitätsbibliothek Hannover,
sieht speziell im zweiten Szenario eine echte Gefahr für den
Wissenschaftsstandort Deutschland. "Sollten die Verlage Lizenzen
aushandeln, dann sicherlich zu Konditionen, die zwangsläufig zu
großen Preissteigerungen für die Nutzer führen", schätzt Rosemann die
Situation ein. "Besonders Wissenschaftler im akademischen Bereich und
Studierende könnten sich solche Dienste dann nicht mehr leisten. Dass
Universitäten und Hochschulen, die unter enormem Kostendruck stehen,
weiterhin im bisherigen Rahmen auf solche Dokumentlieferdienste
zugreifen können, ist unwahrscheinlich." Rosemann weiter: "Damit wird
das Niveau der Literaturversorgung entscheidend gesenkt. Ein
wesentliches Ziel der Lizenzverhandlung mit den Verlagen muss daher
die Etablierung eines angemessen niedrigen Preises für akademische
Kunden sein."
Urheberrecht existenziell für Wissenschaftsstandort Deutschland
Das Urteil des Oberlandesgerichtes nimmt in Teilen einen
Gesetzentwurf zur Novellierung des Urheberrechts vorweg, der momentan
noch in den Ausschüssen des Deutschen Bundestags geprüft wird. Die
jetzige Fassung des Regierungsentwurfs schränkt die
Informationsversorgung durch öffentliche Bibliotheken massiv ein und
würde de facto die elektronische Lieferung von Dokumenten stark
beeinträchtigen beziehungsweise gänzlich unmöglich machen. Kritiker
sehen in dieser Einschränkung einen Widerspruch zu einer weiteren
Forderung, die im selben Gesetzestext zu finden ist. Diese besagt,
dass eine auf Wissenschaft und Forschung angewiesene Industrienation
wie die Bundesrepublik Deutschland ein gut ausgebautes, schnell
funktionierendes und wirtschaftlich arbeitendes Informationswesen
braucht. Die Einführung des Gesetzes sowie das Inkrafttreten des
Urteils würden genau diese Forderung nachhaltig unterminieren.
Hintergrund zur Sachlage
Bereits im Juni 2004 hatten der Börsenverein des Deutschen
Buchhandels und die Vereinigung internationaler Fachverlage,
Stichting STM, Klage gegen das elektronische Verschicken von
kopierten beziehungsweise gescannten Artikeln durch subito erhoben.
Besonders Fachverlage sehen den von subito angebotenen Dienst
kritisch, bieten sie doch mittlerweile selbst Einzelartikel online
zum kostenpflichtigen Download an. In seiner Klageerwiderung
argumentierte der Dokumentenlieferdienst damit, dass der angebotene
Service im Rahmen der Urheberrechtsgesetze liege und es keine
Konkurrenzsituation zwischen subito und den Verlagen gebe. Ob subito
gegen das jetzt ergangene Urteil des Oberlandesgerichts München in
die Revision geht, steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest.
Im Jahre 1999 hatte der Bundesgerichtshof der Technischen
Informationsbibliothek in einem Grundsatzurteil den Kopienversand
ausdrücklich erlaubt. Das Oberlandesgericht München und auch der
gegenwärtige Regierungsentwurf zur Reform des Urheberrechts würden
die vergleichbare elektronische Form des Kopienversands für das
elektronische Zeitalter zunichte machen.
Quelle: Pressemitteilung Technische Informationsbibliothek (TIB)