Scheidungskosten doch absetzbar: VLH erringt Etappensieg
Archivmeldung vom 01.11.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSind Scheidungskosten noch von der Steuer absetzbar oder nicht? Die Experten waren bislang uneins, wie die letzte Gesetzesänderung dazu auszulegen ist. Jetzt hat der Lohnsteuerhilfeverein Vereinigte Lohnsteuerhilfe e.V. (VLH) einen Rechtsstreit gewonnen, der Breitenwirkung für viele Steuerzahler besitzt.
Wer sich bis zum Jahr 2012 scheiden ließ, konnte die Kosten für Anwalt und Gericht von der Steuer absetzen. Das Finanzamt erkannte an, dass die Anwaltskosten zwangsläufig entstanden, da sich die in Trennung befindlichen Eheleute einen Anwalt nehmen müssen. So konnten Betroffene Steuern sparen, auch wenn der Anlass nicht erfreulich war.
Scheidung keine außergewöhnliche Belastung mehr?
Im Sommer 2013 brachte die Bundesregierung eine neue Formulierung ins Einkommensteuergesetz (EStG). Paragraf 33 EStG lautet seither, dass Kosten für private Rechtsstreitigkeiten grundsätzlich nicht mehr steuerlich absetzbar sind. Die einst als außergewöhnliche Belastungen absetzbaren Kosten einer Scheidung wären demnach entfallen.
Die Finanzämter sind seither angehalten, Prozesskosten nur noch dann als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, wenn der Rechtsstreit die Existenz des Steuerzahlers gefährdet. Ist damit die steuerliche Absetzbarkeit von Scheidungskosten auf Extremfälle eingeschränkt?
Die VLH vertrat bereits kurz nach der Novellierung den Standpunkt, dass die neue Gesetzeslage mangelhaft sei. Und so kam es wie es kommen musste: Für ein geschiedenes VLH-Mitglied machte der zuständige Berater die Scheidungskosten im Steuerjahr 2013 geltend. Das Finanzamt lehnte ab. Die VLH legte Einspruch ein. Und der Fall landete vor einem Finanzgericht.
Der konkrete Fall
Das VLH-Mitglied hatte sich im Jahr 2013 von seinem Ehegatten scheiden lassen und Anwalts- und Verfahrenskosten von insgesamt rund 2.400 Euro gezahlt. Diese Summe setzte sich zusammen aus den Anwaltskosten von 1.594 Euro, die allein für das Scheidungsverfahren anfielen. 661 Euro berechneten die Anwälte für die Vertretung ihres Mandanten bei Fragen des Kindsunterhalts. Außerdem hatte der Steuerzahler 144 Euro für beglaubigte Kopien geltend gemacht. Diese Kosten von insgesamt gut 2.400 Euro wurden vom VLH-Berater in der Steuererklärung angegeben, jedoch vom zuständigen Finanzamt nicht anerkannt.
Im Rechtsstreit vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz argumentierte die VLH, dass die neue Gesetzeslage "rechtsfehlerhaft" sei. Zwar habe das Finanzamt mit der Ablehnung der geltend gemachten Kosten den Wunsch des Gesetzgebers befolgen wollen. Aber dabei sei der Wortlaut des neu gefassten Paragrafen 33 aus dem Einkommensteuergesetzes falsch interpretiert worden - und zwar zu Ungunsten des Steuerzahlers.
Dem stehe die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entgegen. Der hatte in mehreren Urteilen Folgendes klargestellt:
- Ehen in Deutschland können nur durch ein Gericht geschieden werden.
- Daher sind die im Zusammenhang mit der Scheidung entstehenden Kosten zwangsläufig.
- Und wenn die Kosten zwangsläufig sind, muss man sie auch von der Steuer absetzen können.
Die VLH beharrte darauf, dass Scheidungskosten auch im Veranlagungszeitraum 2013 absetzbar sind. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschied im Sinne der VLH und für den von ihr vertretenen Steuerzahler.
Finanzgericht: Unabwendbare Kosten sind absetzbar
Die Richter aus Neustadt an der Weinstraße begründeten ihr Urteil unter anderem damit, dass die Trennung einer zerrütteten Ehe ein "elementares menschliches Bedürfnis" sei. Die im neuen Gesetzestext formulierte Voraussetzung, dass die Existenzgrundlage des Betroffenen bedroht sein müsse, damit Prozesskosten absetzbar seien, dürfe man nicht zu streng interpretieren. Es könne nicht nur um Leben oder Tod gehen. Auch die geistig-seelische Verfassung des Menschen zähle zur hier gemeinten Existenzgrundlage. Zudem könne das Gericht nicht erkennen, dass der Gesetzgeber die steuerzahlerfreundliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs habe korrigieren wollen.
Das Gericht betonte aber auch, dass nur jene Kosten absetzbar seien, die unmittelbar durch das Scheidungsverfahren entstünden. Vermögens- und Unterhaltsfragen müssten nicht zwangsläufig von einem Gericht entschieden werden und führten daher auch nicht zu außergewöhnlichen Belastungen im steuerrechtlichen Sinne. Deswegen entschieden die Richter:
- Die 1.594 Euro seien steuerlich absetzbar, da sie als Anwaltskosten allein für das Scheidungsverfahren angefallen waren.
- Die 661 Euro, die für den Streit über den Unterhalt für Ex-Partner und Kind angefallen waren, seien nicht absetzbar, weil nicht zwangsläufig. Die Eheleute hätten sich auch ohne Anwalt einigen können.
- Die 144 Euro für beglaubigte Kopien wurden nicht anerkannt, weil nicht nachgewiesen wurde, dass sie nur mit dem Scheidungsverfahren zusammenhingen.
Die Richter haben zudem entschieden, dass eine Revision des Verfahrens möglich ist, weil die Anerkennung von Scheidungskosten 2013 eine grundsätzliche Frage von übergeordneter Bedeutung ist. Das heißt, das im Rechtsstreit unterlegene Finanzamt kann den Fall vor die nächsthöhere Instanz bringen, also vor den Bundesfinanzhof.
VLH empfiehlt: Scheidungskosten immer angeben
"Wir sind überrascht, wie schnell und eindeutig das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschieden hat", sagt Stefan Schleifer, VLH-Experte für Rechtsstreitigkeiten. Normalerweise dauere ein Verfahren am Finanzgericht zwischen einem und zwei Jahren. Nachdem der Steuerbescheid im Juni 2014 erfolgte, legte die VLH unmittelbar Einspruch ein. Am 21. Juli 2014 wies das Finanzamt den Einspruch zurück. Anschließend erfolgte die Klage.
Doch auch wenn die Entscheidung in erster Instanz eindeutig im Sinne der Steuerzahler ist, könne man nicht genau absehen, wie es weitergehe, so Schleifer. Entweder akzeptiere die Finanzverwaltung das Urteil oder die Revision lande vor dem Bundesfinanzhof. Schleifer: "Die erste Runde haben wir gewonnen. Aber bei einem Politikum, wie den steuerlich absetzbaren Scheidungskosten, ist alles möglich."
Für diejenigen Steuerzahler, die 2013 eine Scheidung durchlebt haben, empfiehlt die VLH nach wie vor, die Kosten in der Steuererklärung anzugeben. Sollte das Finanzamt die Kosten ablehnen, ist ein rechtzeitiger Einspruch wichtig. Am besten beziehen sich betroffene Steuerzahler bei dem Einspruch auf das aktuelle Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen 4 K 1976/14). Zudem empfiehlt es sich, einen Steuerprofi hinzuzuziehen.
Quelle: Vereinigte Lohnsteuerhilfe e. V. (ots)