Ladenöffnung an allen vier Adventssonntagen in Berlin nicht verfassungsgemäß
Archivmeldung vom 01.12.2009
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.12.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBei der sogenannten Föderalismusreform I im Jahr 2006 wurde die Gesetzgebungskompetenz für das Recht des Ladenschlusses auf die Länder übertragen. Das Abgeordnetenhaus von Berlin beschloss daraufhin das am 17. November 2006 in Kraft getretene Berliner Ladenöffnungsgesetz (Berl¬LadÖffG).
Dieses sieht vor allem schon kraft Gesetzes und ohne die Erfüllung weiterer Voraussetzungen die Freigabe aller vier Adventssonntage in Folge in der Zeit von 13.00 bis 20.00 Uhr für die Ladenöffnung vor. Vier weitere Sonn- und Feiertage jährlich können „im öffentlichen Interesse“ durch Allgemeinverfügung der Senatsverwaltung freigegeben werden. Zusätzlich dürfen an zwei weiteren Sonn- oder Feiertagen Verkaufsstellen aus Anlass „besonderer Ereignisse, insbesondere von Firmenjubiläen und Straßenfesten“, von 13.00 bis 20.00 Uhr offen gehalten werden. Daneben gibt es eine Reihe von warengruppenspezifischen sowie orts- und anlassbezogenen Ausnahmebestimmungen. Die Ladenöffnung an Werktagen ist vollständig freigegeben (24 Stunden-Öffnungsmöglichkeit).
Inzwischen haben alle Bundesländer bis auf den Freistaat Bayern den Ladenschluss durch Landesgesetz geregelt. Im Grundsatz sehen alle Landesgesetze vor, dass an Sonn- und Feiertagen keine Ladenöffnung erfolgt. Als Ausnahmeregelungen weisen die meisten anderen Bundesländer vier Sonn- und Feiertage zur Freigabe aus, Baden-Württemberg lediglich drei, Brandenburg hingegen sechs. Zumeist ist eine Ladenöffnung an den Adventssonntagen ausgeschlossen oder zumindest nur an einem einzigen Adventssonntag im Jahr gestattet. Neben Berlin sehen nur die Gesetze über den Ladenschluss von Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt keinen besonderen Schutz der Adventssonntage vor. Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sich die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (1 BvR 2857/07) und das Erzbistum Berlin (1 BvR 2858/07) gegen die im Vergleich zur früheren gesetzlichen Regelung und zu den Ladenöffnungsbestimmungen in den anderen Bundesländern weitergehenden Ladenöffnungsmöglichkeiten an Sonn- und Feiertagen in Berlin (vgl. auch Pressemitteilung Nr. 48/2009 vom 7. Mai 2009). Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Regelung zur Ladenöffnungsmöglichkeit an allen vier Adventssonntagen (§ 3 Abs. 1 Alternative 2 Berl¬LadÖffG) mit Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Artikel 140 GG und Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) unvereinbar ist. Er hat die verfassungsbeschwerdeführenden Kirchen für beschwerdebefugt erachtet.
Die Frage, ob und inwieweit sich Religionsgemeinschaften im Wege einer Verfassungsbeschwerde auf die verfassungsrechtliche Sonn- und Feiertagsgarantie des Art. 139 WRV (i.V.m. Art. 140 GG) berufen können, war in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bisher noch nicht geklärt. Diese Garantie ist nicht im Grundrechtskatalog des Grundgesetzes, sondern in den sogenannten Weimarer Kirchenartikeln verankert, die Bestandteil des Grundgesetzes sind (vgl. Art. 140 GG). Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerden für zulässig gehalten, weil die Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung in ihrem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG jedenfalls in Verbindung mit der objektivrechtlichen Sonn- und Feiertagsgarantie hinreichend dargetan hatten. Die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung ist dann gegeben, wenn die Verfassungsbeschwerde eine bislang vom Bundesverfassungsgericht noch nicht entschiedene, offene verfassungsrechtliche Frage aufwirft, die die Annahme eines verfassungsbeschwerdefähigen Rechts jedenfalls nicht von vornherein ausschließt. Das ist hier hinsichtlich der Frage eines etwaigen Überwirkens der objektivrechtlichen Schutzgarantie des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV auf das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG im Sinne einer Konkretisierung und Stärkung des Grundrechtsschutzes der Fall.
Die in der angegriffenen Regelung vorgesehene Möglichkeit der Ladenöffnung an allen vier Adventssonntagen ist mit den Schutzpflichtanforderungen aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 139 WRV nicht mehr in Einklang zu bringen. Das gesetzliche Schutzkonzept für die Gewährleistung der Sonn- und Feiertagsruhe muss diese Tage erkennbar als solche der Arbeitsruhe zur Regel erheben; die Ausnahme davon bedarf eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes. Bloße wirtschaftliche Interessen von Verkaufsstelleninhabern und alltägliche Erwerbsinteressen der Käufer für die Ladenöffnung genügen dafür grundsätzlich nicht. Zudem müssen bei einer flächendeckenden und den gesamten Einzelhandel erfassenden Freigabe der Ladenöffnung rechtfertigende Gründe von besonderem Gewicht vorliegen, wenn mehrere Sonn- und Feiertage in Folge über jeweils viele Stunden hin freigegeben werden sollen. Vor diesem Hintergrund unterschreitet die voraussetzungslose siebenstündige Öffnung an allen vier Adventssonntagen ohne hinreichend gewichtige Gründe das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß des Sonntagsschutzes. Die Regelung über die Öffnung aufgrund Allgemeinverfügung an vier weiteren Sonn- und Feiertagen trägt nur bei einschränkender Auslegung den Erfordernissen des vom Gesetzgeber zu gewährleistenden Mindestschutzes Rechnung. Die für verfassungswidrig erklärte Adventssonntagsregelung bleibt noch bis zum 31. Dezember 2009 anwendbar, so dass die Ladenöffnung an den vier Adventssonntagen in diesem Jahr in Berlin noch möglich ist.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG wird in seiner Bedeutung als Schutzverpflichtung des Gesetzgebers durch den objektivrechtlichen Schutzauftrag für den Sonn- und Feiertagsschutz aus Art. 139 WRV (i.V.m. Art. 140 GG) konkretisiert, der neben seiner weltlich-sozialen Bedeutung in einer religiös-christlichen Tradition wurzelt. Danach ist ein Mindestniveau des Schutzes der Sonntage und der gesetzlich anerkannten hier der kirchlichen Feiertage durch den Gesetzgeber zu gewährleisten.
Das Schutzkonzept, das den Regelungen zur Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen im Land Berlin zu Grunde liegt, wird der Schutzverpflichtung des Landesgesetzgebers aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in seiner Konkretisierung durch Art. 139 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG nicht hinreichend gerecht. Zwar greift das Berliner Ladenöffnungsgesetz weder gezielt in die Religionsfreiheit der Beschwerdeführer ein, noch liegt in den verschiedenen Bestimmungen und Optionen zur Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen das „funktionale Äquivalent“ eines Eingriffs, weil es sich mit den hier angegriffenen Vorschriften an die Verkaufsstelleninhaber und nicht an die Religionsgemeinschaften richtet. Allerdings beschränkt sich die Religionsfreiheit nicht auf die Funktion eines Abwehrrechts, sondern gebietet auch im positiven Sinn, Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern. Diese Schutzpflicht trifft den Staat auch gegenüber den als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfassten Religionsgemeinschaften. Es ist aber grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, ein Schutzkonzept aufzustellen und normativ umzusetzen. Dabei kommt ihm ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu.
Allein aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG lässt sich keine staatliche Verpflichtung herleiten, die religiös-christlichen Feiertage und den Sonntag unter den Schutz einer näher auszugestaltenden generellen Arbeitsruhe zu stellen und das Verständnis bestimmter Religionsgemeinschaften von nach deren Lehre besonderen Tagen zugrunde zu legen. Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG erfährt aber eine Konkretisierung durch die Sonn- und Feiertagsgarantie nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV; die Sonn- und Feiertagsgarantie wirkt ihrerseits als in der Verfassung getroffene Wertung auf die Auslegung und Bestimmung des Schutzgehalts von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ein und ist deshalb auch bei der Konkretisierung der grundrechtlichen Schutzpflicht des Gesetzgebers zu beachten. Art. 139 WRV enthält einen Schutzauftrag an den Gesetzgeber, der im Sinne der Gewährleistung eines Mindestschutzniveaus dem Grundrechtsschutz aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG insoweit Gehalt gibt.
Die funktionale Ausrichtung der sogenannten Weimarer Kirchenartikel auf die Inanspruchnahme des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gilt auch für die Gewährleistung der Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung in Art. 139 WRV, obgleich in dieser Norm selbst der religiös-christliche Bezug nicht ausdrücklich erwähnt wird. Denn Art. 139 WRV ist nach seiner Entstehungsgeschichte, seiner systemischen Verankerung in den sogenannten Kirchenartikeln und seinen Regelungszwecken ein religiöser, in der christlichen Tradition wurzelnder Gehalt eigen, der mit einer dezidiert sozialen, weltlich-neutral ausgerichteten Zwecksetzung einhergeht. Die Sonn- und Feiertagsgarantie fördert und schützt daher nicht nur die Ausübung der Religionsfreiheit. Die Gewährleistung der Arbeitsruhe sichert eine wesentliche Grundlage für die Rekreationsmöglichkeiten des Menschen und zugleich für ein soziales Zusammenleben und ist damit auch Garant für die Wahrnehmung von anderen Grundrechten, die der Persönlichkeitsentfaltung dienen. Die Sonn- und Feiertagsgarantie kommt etwa dem Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) ebenso zugute wie der Erholung und Erhaltung der Gesundheit (vgl. Art. 2 Abs. 2 GG). Ihre Bedeutung resultiert wesentlich auch aus dem zeitlichen Gleichklang der Arbeitsruhe. Art. 139 WRV erweist sich so als verfassungsverankertes Grundelement sozialen Zusammenlebens und staatlicher Ordnung und ist als Konnexgarantie zu verschiedenen Grundrechten zu begreifen.
Die Pflicht des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität steht einer Konkretisierung des Schutzgehalts des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG durch Art. 139 WRV nicht entgegen. Denn die Verfassung selbst unterstellt den Sonntag und die Feiertage, soweit sie staatlich anerkannt sind, einem besonderen staatlichen Schutzauftrag und nimmt damit eine Wertung vor, die auch in der christlich-abendländischen Tradition wurzelt und kalendarisch an diese anknüpft.
Art. 139 WRV statuiert für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen unter anderem ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Grundsätzlich hat die typische „werktägliche Geschäftigkeit“ an Sonn- und Feiertagen zu ruhen, wobei der Schutz des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV nicht auf einen religiösen oder weltanschaulichen Sinngehalt der Sonn- und Feiertage beschränkt ist. Die Regelung zielt in der säkularisierten Gesellschafts- und Staatsordnung aber auch auf die Verfolgung profaner Ziele wie die der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung. Dabei soll die von Art. 139 WRV ebenfalls erfasste Möglichkeit seelischer Erhebung allen Menschen unbeschadet einer religiösen Bindung zuteil werden.
Auf dieser Grundlage ergibt sich, dass gesetzliche Schutzkonzepte für die Gewährleistung der Sonn- und Feiertagsruhe erkennbar diese Tage als solche der Arbeitsruhe zur Regel erheben müssen. Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Ladenöffnung bedeutet dies, dass die Ausnahme eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes bedarf. Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse („Shopping-Interesse“) potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen. Darüber hinaus müssen Ausnahmen als solche für die Öffentlichkeit erkennbar bleiben und dürfen nicht auf eine weitgehende Gleichstellung der sonn- und feiertäglichen Verhältnisse mit den Werktagen und ihrer Betriebsamkeit hinauslaufen.
Dem Regel-Ausnahme-Gebot kommt generell umso mehr Bedeutung zu, je geringer das Gewicht derjenigen Gründe ist, zu denen der Sonn- und Feiertagsschutz ins Verhältnis gesetzt wird und je weitergreifender die Freigabe der Verkaufsstellenöffnung in Bezug auf das betroffene Gebiet sowie die einbezogenen Handelssparten und Warengruppen ausgestaltet ist. Deshalb müssen bei einer flächendeckenden und den gesamten Einzelhandel erfassenden Freigabe der Ladenöffnung rechtfertigende Gründe von besonderem Gewicht vorliegen, wenn mehrere Sonn- und Feiertage in Folge über jeweils viele Stunden hin freigegeben werden sollen.
Bei der Einordnung und Bewertung der Durchbrechungen der Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen kommt der Ladenöffnung großes Gewicht zu. Das Erreichen des Ziels des Sonntagsschutzes - des religiös wie des weltlich motivierten - setzt das Ruhen der typischen werktäglichen Geschäftigkeit voraus. Gerade die Ladenöffnung prägt wegen ihrer öffentlichen Wirkung den Charakter des Tages in besonderer Weise. Von ihr geht eine für jedermann wahrnehmbare Geschäftigkeits- und Betriebsamkeitswirkung aus, die typischerweise den Werktagen zugeordnet wird. Dadurch werden notwendig auch diejenigen betroffen, die weder arbeiten müssen noch einkaufen wollen, sondern Ruhe und seelische Erhebung suchen, namentlich auch die Gläubigen christlicher Religionen und die Religionsgemeinschaften selbst, nach deren Verständnis der Tag ein solcher der Ruhe und der Besinnung ist. Dem Bedarfsdeckungs- und Versorgungsargument kommt wegen der fast vollständigen Freigabe der werktäglichen Öffnungszeiten (24-Stunden-Öffnung) in Berlin an Sonn- und Feiertagen nur noch geringe Bedeutung zu.
Die Besonderheit der Berliner Adventssonntagsregelung (§ 3 Abs. 1 Alternative 2 BerlLadÖffG) besteht darin, dass schon kraft Gesetzes ohne irgendeine weitere Voraussetzung vier Sonntage in Folge für die Dauer von jeweils sieben Stunden zur Ladenöffnung freigegeben werden. Diese Vorschrift hält der Anforderung, dass die Sonntagsruhe die Regel ist, nicht stand, weil sie einen in sich geschlossenen Zeitblock von etwa einem Zwölftel des Jahres vollständig vom Grundsatz der Arbeitsruhe ausnimmt. Daran ändert der allgemein gehaltene Hinweis in der Gesetzesbegründung auf die Metropolfunktion Berlins nichts. Auch darin spiegeln sich lediglich bloße Umsatz- und Erwerbsinteressen wider. Der Sache nach läuft die Regelung mithin darauf hinaus, den Sonn- und Feiertagsschutz für die Dauer eines Monates für die Verkaufsstellen, die den äußeren Charakter des Tages auch angesichts der Zahl der unmittelbar wie mittelbar Betroffenen und der Öffentlichkeitswirkung maßgeblich prägen, aufzuheben, ohne dass für eine derart intensive Beeinträchtigung eine hinreichend gewichtige Begründung gegeben würde oder sonst erkennbar wäre, die dem verfassungsrechtlichen Rang des Sonntagsschutzes gerecht werden könnte.
Die weitere Regelung, wonach die Senatsverwaltung im öffentlichen Interesse ausnahmsweise die Öffnung von Verkaufsstellen an höchstens vier (weiteren) Sonn- oder Feiertagen durch Allgemeinverfügung zulassen kann (§ 6 Abs. 1 BerlLadÖffG), ist mit dem Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 139 WRV bei einschränkender Auslegung vereinbar. Hinsichtlich der Zahl von vier Tagen lässt sich gegen die Regelung im Blick auf die Gesamtzahl von regelhaft 52 Sonntagen im Jahr und von insgesamt neun je nicht zwingend auf einen Sonntag fallenden weiteren Feiertagen nichts erinnern, zumal bestimmte Feiertage von dieser Öffnungsmöglichkeit ausgenommen sind. Da die Freigabe zudem durch Allgemeinverfügung erfolgt, bedarf es einer Verwaltungsentscheidung, die die Möglichkeit eröffnet, die jeweils betroffenen Interessen und Rechtsgüter konkret in eine Abwägung einzubeziehen. Den verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der allgemein gehaltenen Voraussetzung für die Ausnahmeregelung, dass die Öffnung „im öffentlichen Interesse“ liegt, kann durch eine die Wertung des Art. 139 WRV berücksichtigende Auslegung Rechnung getragen werden. Eine solche Auslegung verlangt ein öffentliches Interesse solchen Gewichts, das die Ausnahmen von der Arbeitsruhe rechtfertigt, wobei auch insoweit das alleinige Umsatz- und Erwerbsinteresse auf Seiten der Verkaufsstelleninhaber und das alltägliche „Shoppinginteresse“ auf der Kundenseite nicht genügt. Darüber hinaus bedürfen diese Öffnungsmöglichkeiten durch Allgemeinverfügung bei verfassungskonformer Auslegung einer uhrzeitlichen Eingrenzung, die die Vorschrift selbst nicht ausdrücklich vorsieht.
Die weiteren angegriffenen Bestimmungen, die das Schutzkonzept des Landesgesetzgebers mit Ausnahmen versehen, begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die Regelung zur Öffnung der Verkaufsstellen an allen vier Adventssonntagen bleibt trotz der Feststellung der Verfassungswidrigkeit unter Berücksichtigung der Berufsausübungsfreiheit der Verkaufsstelleninhaber, ihres in die Regelung gesetzten Vertrauens und der von ihnen für die Vorweihnachtszeit des Jahres 2009 getroffenen Dispositionen in diesem Jahr noch anwendbar. Ob und wie der Berliner Landesgesetzgeber seine Schutzkonzeption anpasst, obliegt seiner Gestaltungsmacht nach Maßgabe der Grundsätze dieser Entscheidung.
Die Entscheidung ist zur Beschwerdebefugnis der Religionsgemeinschaften und zur Konkretisierung des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG durch Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV mit 5 : 3 Stimmen, hinsichtlich der Anforderungen des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV einstimmig ergangen.
Quelle: Bundesverfassungsgericht