Warngeruch von Erdgas wird umgestellt
Archivmeldung vom 24.09.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittPreisfrage: Wie riecht Erdgas? Gar nicht, nach faulen Eiern oder doch eher wie Klebstoff? Die Antwort: alle Möglichkeiten sind richtig. Die geplante und teils umgesetzte Änderung des Warngeruches von Erdgas, welches Bewohner vor ausströmendem Erdgas warnen soll, hat erst Mal für Unsicherheit gesorgt.
Erdgas im Naturzustand ist farb- und geruchslos. Das Gas könnte deshalb unerkannt durch ein Leck aus den Leitungen strömen und explodieren. Diesem extrem seltenen Fall wollen die Gasversorger trotzdem vorbeugen und "odorieren" (künstliche Beimengung von Geruchsstoffen) das Erdgas nachträglich. Jahrzehntelang war das ein Geruch, der dank reichlichen Schwefelgehaltes übel nach faulen Eiern roch. Dieser Geruch ist allgemein bekannt, und im Falle eines Falles hätte jeder sofort gewusst, dass er die Feuerwehr rufen sollte.
Doch das ist vorbei. Schwefel hat einige unangenehme Eigenschaften und ist umweltschädlich. Außerdem muss das Erdgas zum Einsatz in gasbetriebenen Autos entweder wieder vom Schwefel befreit werden, oder es braucht einen Filter. Gäbe es den nicht, würde der Katalysator Schaden nehmen. Und wer noch weiter in die Zukunft blickt: Brennstoffzellen, die ebenfalls als alternative Antriebe für Autos gelten, vertragen Schwefel gar nicht. Aber: Es gibt kein gesetzliches Enddatum für die Umstellung, alles in dem Prozess ist den Firmen selbst überlassen.
Seit 2001 gibt es einen Ersatz für die Schwefelbeimengung. Er trägt den Namen "Gasodor S-free" und stammt von der Firma Symrise. Der Stoff ist schwefelfrei und besteht hauptsächlich aus unschädlichen Acrylaten. Dieser Warngeruch hat jedoch einen Nachteil: Er riecht - da schwefelfrei - nicht nach Schwefel. Wer also im Langzeitgedächnis "Faule Eier = Gasleck = Feuerwehr anrufen" gespeichert hat, muss sich umstellen. Gasodor wurde Ende der 90er-Jahre entwickelt, seit 2001 hat es die Zulassung und im Jahr 2003 waren die Hildesheimer die ersten in Deutschland, die den neuen Stoff zu riechen bekamen. Versuchspersonen beschreiben den Geruch als stark chemisch, ähnlich wie Klebstoff. Im Gastipp.de-Test empfanden die Versuchspersonen das ähnlich: Unter dem chemischen Geruch liegt noch eine weitere Duftnote, die sich stark von anderen Gerüchen unterscheidet. Gasodor S-free soll, darauf besteht der Hersteller, in diesen Tests nicht mit Alltagsgerüchen aus der Küche verwechselt worden sein, sondern eindeutig als Warngeruch wahrgenommen werden.
Daran sind mittlerweile Zweifel aufgetaucht. Zum einen ist die Umstellung nicht bundesweit geschehen: Während beispielsweise in Hamburg der neue Stoff schon im Einsatz ist, riecht Erdgas in Berlin weiterhin nach faulen Eiern. Wer das nicht weiß und ortsfremd ist, erkennt möglicherweise die drohende Gefahr nicht. Doch es geht noch umständlicher: Die Stadtwerke Münster stellten nach Tests 2007 auf das schwefelfreie Mittel um.
Doch auch das ist wieder Vergangenheit, denn mittlerweile stellten die Stadtwerke Münster zurück-um: Erdgas riecht dort wieder nach faulen Eiern. Der neue Warngeruch hätte sich nicht durchsetzen können. Nach eingehenden Beratungen unter anderem mit der Feuerwehr habe man sich zu der alten Odorierung entschlossen. Haben die Münsteraner richtig gehandelt? Begleitet wird die Rück-Umstellung von Horrorgeschichten. So berichte ruhrnachrichten.de von einem Fall, in dem eine Düsseldorfer Familie über Wochen ein Gasleck im Haus hatte und dies nicht bemerkte. Besonders auffällig: In dieser Zeit war unter anderem der Schornsteinfeger im Haus und bemerkte den neuen Gasgeruch ebenfalls nicht.
Zwar ist der Geruchssinn des Menschen schon rein biologisch nicht sonderlich gut entwickelt. Deshalb gab es auch früher Verwechslungen. Trotzdem, klar ist derzeit nur eines: Zögerliche Vor-und-zurück-Umstellungen verunsichern Gaskunden nachhaltig. Eine bundesweite Kampagne für den neuen Warngeruch gab es ebenfalls nicht. Jeder Versorger konnte seine Kunden informieren - oder eben auch nicht.
Gaskunden kann man derzeit nur eine Empfehlung geben: Rufen Sie sicherheitshalber Ihren Versorger an und fragen Sie ihn, ob er bereits umgestellt hat - vor allem nach einem Umzug.
Quelle: PortalHaus Internetnetservices GmbH