Bundesarbeitsgericht: Arbeitgeber dürfen PCR-Tests anordnen
Archivmeldung vom 01.06.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićArbeitgeber dürfen in Zeiten von Corona die Durchführung von PCR-Tests anordnen. Diese Grundsatzentscheidung zum betrieblichen Gesundheitsschutz traf das Bundesarbeitsgericht am 1. Juni 2022. Es gab damit der Bayerischen Staatsoper Recht, die in ihrem Hygienekonzept eine PCR-Testpflicht vorgesehen hatte.
Die klagende Flötistin, die die Tests verweigert hatte und daraufhin unbezahlt freigestellt worden war, unterlag damit auch letztinstanzlich vor Gericht. Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Professor an der Hochschule Fresenius in Hamburg, ordnet die Entscheidung ein.
Das arbeitgeberseitige Direktionsrecht erlaubt es Arbeitgebern, "Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen" (§ 106 Gewerbeordnung). Ob dieses Recht in Pandemiezeiten auch die Anordnung von PCR-Tests umfasst, musste das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun anlässlich eines Rechtsstreits am 1. Juni 2022 (Az.: 5 AZR 28/22) entscheiden. Geklagt hatte eine bei der Bayerischen Staatsoper beschäftigte Flötistin, die die angeordneten Tests ablehnte. Sie sah hierin einen Eingriff in ihr Allgemeines Persönlichkeitsrecht sowie ihre körperliche Unversehrtheit. Die Bayerische Staatsoper hatte im Sommer 2020 ein betriebliches Hygienekonzept erlassen, das hinausgehend über die gesetzlichen Vorgaben eine Verpflichtung der Beschäftigten zur Durchführung anlassloser PCR-Tests vorsah. Diese sollten auf Kosten des Arbeitgebers und während der Arbeitszeit erfolgen. Als die Mitarbeiterin die Durchführung der Tests ablehnte, stellte die Staatsoper sie unbezahlt frei.
Vorinstanzen: Testpflicht rechtmäßig, kein Lohnanspruch
Mit ihrer Klage machte die Flötistin nunmehr Gehaltsnachzahlungen geltend. Sie sei arbeitswillig und arbeitsfähig gewesen, so dass der Arbeitgeber ihr ihren Lohn nach den Grundsätzen des Annahmeverzugs habe nachzahlen müssen. Die Bayerische Staatsoper berief sich hingegen auf den Gesundheitsschutz und ihre arbeitsschutzrechtlichen Pflichten auch gegenüber den weiteren Beschäftigten, die wirksame und effektive Hygienemaßnahmen verlangten. Da ein Tragen von Masken nicht möglich sei, sei die strenge Testpflicht angemessen. Arbeitsgericht München (Urt. v. 24.03.2021, Az.: 19 Ca 11406/20) und Landesarbeitsgericht München (Urt. v. 26.10.2021, Az.: 9 Sa 332/21) gaben der Staatsoper Recht.
Bundesarbeitsgericht: Testpflicht in besonderen Fällen möglich
Das BAG (PM Nr. 21/22) entschied nunmehr ebenfalls zu Gunsten des Arbeitgebers und wies die Revision der Klägerin zurück: Der mit der Durchführung der Tests verbundene Eingriff in die körperliche Unversehrtheit sei minimal und daher auch verhältnismäßig. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung werde nicht verletzt, zumal ein positives Testergebnis aufgrund der infektionsschutzrechtlichen Meldepflichten ohnehin im Betrieb bekannt werde. Die Anordnung zum Testen sei daher rechtmäßig gewesen, so das BAG.
Arbeitsrechtler: Testpflicht in Hochzeiten der Pandemie rechtmäßig
Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott begrüßt die Entscheidung. "Ohne berechtigten betrieblichen Anlass darf ein Arbeitgeber von seinen Beschäftigten zwar nicht verlangen, ärztliche Tests durchzuführen und ihm das Ergebnis mitzuteilen." Anders sei die Situation aber in Zeiten einer Pandemie zu beurteilen: "Der Arbeitgeber hat eine gesetzliche Pflicht, seine Beschäftigten vor Gesundheitsgefahren zu schützen", so Fuhlrott. Die wechselseitigen Interessen seien daher abzuwägen: "Die Beeinträchtigung des Einzelnen durch einen Abstrich wiegt weniger schwer als die drohenden Gesundheitsgefahren der übrigen Beschäftigten", meint der Arbeitsrechtler.
Masken- und Testpflicht im aktuellen Pandemie-Geschehen
Arbeitsrechtler Fuhlrott weist allerdings darauf hin, dass die Entscheidung zu einer Zeit besonders hoher Inzidenzen ergangen sei: "Auf das heutige Infektionsgeschehen lässt sich das Urteil daher nur eingeschränkt übertragen. Ein Arbeitgeber, der derzeit eine Testpflicht anordnet, wird dafür sehr gute Gründe benötigen. Dies wird nur bei besonderen betrieblichen Umständen, etwa bei Beschäftigten in Krankenhäusern oder Pflegeheimen möglich sein", so Fuhlrott. Ähnliches gelte bei der Anordnung einer fortbestehenden Maskenpflicht: "Auch hier ist eine Interessenabwägung zwischen Arbeitnehmerrechten und betrieblichem Interesse vorzunehmen", so Fuhlrott. "Zu beachten ist allerdings, dass eine Maskenpflicht ein wenig intensiverer Eingriff als eine Testpflicht ist. Legt der Arbeitgeber eine gesteigerte betriebliche Gefährdungssituation dar, wird er eine Maskenpflicht auch weiter begründen können", meint Michael Fuhlrott.
Quelle: Hochschule Fresenius (ots)