Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort nicht immer strafbar
Archivmeldung vom 31.03.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.03.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Amtsgericht hatte den Beschwerdeführer wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis für die Dauer von noch neun Monaten entzogen.
Dem lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer mit seinem Pkw beim verbotswidrigen
Überholen auf einem Baustellenabschnitt Rollsplitt aufgewirbelt hatte, wodurch
an dem überholten Fahrzeug Schäden in Höhe von knapp 1.900 Euro entstanden. Der
Geschädigte folgte dem Beschwerdeführer, bis dieser auf das Gelände einer ca.
500 Meter entfernten Tankstelle einbog, wo er ihn auf den Unfall aufmerksam
machte. Der Beschwerdeführer bestritt den Überholvorgang und entfernte sich,
ohne dem Geschädigten die Feststellung der in § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB
vorgesehenen Angaben zu ermöglichen. Da dem Beschwerdeführer nicht nachgewiesen
werden konnte, das schadensverursachende Ereignis bemerkt zu haben, schied nach
Auffassung des Amtsgerichts eine Verurteilung gemäß § 142 Abs. 1 StGB aus. Da
das unvorsätzliche Entfernen vom Unfallort dem berechtigten oder entschuldigten
Entfernen gleichzusetzen sei und der Beschwerdeführer die erforderlichen
Feststellungen nicht nachträglich ermöglicht habe, sah das Amtsgericht aber die
Tatbestandsalternative des § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB als erfüllt an.3
Mit
seiner Sprungrevision wandte sich der Beschwerdeführer gegen diese
Rechtsauffassung, die gegen das strafrechtliche Analogieverbot verstoße. Das
Oberlandesgericht verwarf die Revision, dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft
folgend, als offensichtlich unbegründet.
Die Verfassungsbeschwerde des
Beschwerdeführers richtete sich mit Erfolg gegen das Urteil des Amtsgerichts und
den Beschluss des OLG.
Die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts stellte am 19.03.07 fest, dass die Erstreckung der Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB auf Fälle, in denen sich der Unfallbeteiligte in Unkenntnis des Unfalls vom Unfallort entfernt („unvorsätzliches Entfernen“), gegen das strafrechtliche Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) verstößt.
Quelle: Pressemitteilung IQB - Lutz Barth