Schadensersatzansprüche anlässlich der Beteiligung an Kapitalanlagegesellschaften müssen versichert werden
Archivmeldung vom 07.05.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlBislang hatte eine Vielzahl von Kapitalanlegern Glück: Mit der Entscheidung vom 19.02.2003 Az.: IV ZR 318/02 eröffnete der Bundesgerichtshof die Möglichkeiten, ohne erheblichen Kostenaufwand Schadensersatzansprüche basierend auf Prospekt- und Anlageberaterhaftungsgrundlagen geltend zu machen.
Die von einem Anleger verurteilte Rechtschutzversicherung konnte sich demnach
nicht auf die so genannte Baurisikoausschlussklausel in den ARB 75 (Allgemeine
Bedingungen für die Rechtschutzversicherung seit 1975, welche von der
staatlichen Versicherungsaufsicht genehmigt wurden d. Verf.) berufen und musste
seinen Fall versichern. Streitgegenständlich war der Erwerb einer
gesellschaftsrechtlichen Beteiligung und nicht der direkte Immobilienerwerb.
Allerdings war prospektiert, dass wiederum die Gesellschaft Immobilien erwerben
und errichten soll.
Die betreffende Klausel sieht Folgendes vor:
(…)
§ 4 Allgemeine Risikoausschlüsse
(1) Der
Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf die Wahrnehmung
rechtlicher
Interessen
...
k) die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Planung,
Errichtung
oder genehmigungspflichtigen baulichen Veränderung
eines im
Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers
befindlichen oder von diesem zu
erwerbenden Grundstückes,
Gebäudes oder Gebäudeteiles
stehen.
(…)
Wie sie zu verstehen ist erläuterte der BGH
so:
(…)
Nach der Rechtsprechung des Senats sind Allgemeine
Versicherungsbedingungen - hier der Risikoausschluss des § 4 (1) k ARB 75 – so
auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger
Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren
Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die
Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne
versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine
Interessen an (BGHZ 84, 268, 272; BGHZ 123, 83, 85 und ständig). Bei
Risikoausschlüssen geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin,
dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare
Zweck der Klausel dies gebietet. Ihr Anwendungsbereich darf mithin nicht weiter
ausgedehnt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Ziels
und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche
Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im
Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden
(BGHZ 65, 142, 145; Senatsurteil vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - VersR 1999,
748 unter 2 a).
(…)
Das Gericht argumentierte, dass aus Sicht
eines Versicherungsnehmers die typischen Risiken welche mit der Errichtung und
Planung von Bauvorhaben verbunden sind, ausgeschlossen werden sollen.
Der Versicherungsnehmer muss aber nicht davon ausgehen, dass auch die
Risiken betroffen sind, welche mit dem Erwerb von Fondsanteilen verbunden. Denn
dieser Erwerb birgt besondere gesellschaftsrechtliche Risiken.
Zwischenzeitlich haben die Rechtschutzversicherungen jedoch neue Bedingungen geschaffen. So wurde auch die fragliche Formulierung zum Baurisiko sprachlich geändert. U.a. wurde das Wort „unmittelbar“ durch „ursächlich“ ersetzt in der nunmehr vergleichbaren Vorschrift § 3 (1) d) dd) ARB 94:
(…)
Rechtschutz besteht nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in
(1) ursächlichem Zusammenhang mit …
d)
…
bb) der Planung oder Errichtung eines Gebäudes oder
Gebäudeteiles,
das sich im Eigentum oder Besitz des
Versicherungsnehmers befindet oder das
dieser zu
erwerben oder in Besitz zu nehmen beabsichtigt,
…
dd) der
Finanzierung eines der unter aa) bis cc)
genannten
Vorhaben.
(…).
Kapitalanleger, welche nach 1994 Versicherungsverträge abgeschlossen hatten oder aber ab 1994 ihren Vertrag auf die neuen ARB 94 umstellten und danach Kapitalanlagen mit gesellschaftsrechtlichem Hintergrund zeichneten, können sich nicht mehr auf diese positive BGH Entscheidung zu den ARB 75 berufen.
Das Landgericht Bielefeld in II. Instanz ( 22 S 340/05 vom 22.03.2006 ) und das OLG Celle ( 8 U 149 / 06 vom 7.12.2006 ) haben nunmehr auch Stellung genommen zu den ARB 94 und dabei wichtige weitere Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (IV ZR 170/03 und IV ZR 106 / 03) ausgewertet. Streitgegenständlich waren wiederum Gesellschaftsbeteiligungen und nicht der direkte Erwerb von Immobilien wie z.Bsp. einer Eigentumswohnung:
Nach den Gerichten verfolge die Baurisikoausschlussklausel in § 3 (1) d) dd) ARB 94 ( und die wortgleiche in den ARB 94/200) den Zweck, die erfahrungsgemäß be-sonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko schwer überschaubaren und kaum kalkulierbaren rechtlichen Streitigkeiten um Baumaßnahmen aller Art und die sie unmittelbar begleitenden Vorgänge von der Versicherung auszunehmen.
Nach der Entscheidung des OLG –Celle war schon nach dem Prospekt gar nicht klar, dass die gesamte Einlage des Klägers für die Planung oder Errichtung von Immobilien verwendet würde. Im Übrigen hatte er seine Beteiligung nicht fremdfinanziert sondern mit Eigenmitteln bezahlt.
Das Landgericht Bielefeld ging noch einen Schritt weiter indem es feststellte, dass es um ein konkretes Bauvorhaben gehen muss. Der Erwerb einer Gesellschaftsbeteiligung hat aber nichts damit zu tun.
Die Ausführungen der genannten BGH – Entscheidungen flossen hierbei in die Entscheidungsfindung mit ein. Da es jedoch in den BGH – Entscheidungen um Streitigkeiten anlässlich des Erwerbs von Immobilien und nicht nur von Immobilienfondsan-teilen ging, führten deren Argumente nicht dazu, die Baurisikoausschlussklausel anzuwenden.
Übereinstimmen stellten die Gerichte fest, dass Schadensersatzklagen welche begründet werden mit Fehlern anlässlich der Beratung zu bestimmten Beteiligungen, zu versichern sind. Denn es gibt keinen ausreichenden Zusammenhang mit einem Bauvorhaben, auch wenn die Kapitalgesellschaften nach dem Prospekt Immobilien erwerben sollten bzw. es bereits getan haben.
Da Streitigkeiten anlässlich der Beteiligungen an Kapitalgesellschaften häufig sehr kostenträchtig sind und aus der Praxis bekannt ist, dass einige Versicherungen die Rechtslage verkennen, sollten Anleger trotz ablehnender Haltung ihrer Rechtschutzversicherung den Gang zum Anwalt nicht scheuen. Wurde noch keine Deckungsanfrage vorgenommen, kann diese von jedem erfahrenen Anwalt übernommen werden.
Eine Erstberatung und die Klärung der Deckungszusage bei der Rechtschutzversicherung müssen nicht teuer sein. Auf jeden Fall informiert der Anwalt hierüber vor Mandatserteilung. Der Irrglaube, gegen eine Versicherung sowieso nichts unternehmen zu können, kann aber teuer werden.
Quelle: Pressemitteilung Thieler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH