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Eintrittspflicht des Rechtsschutzversicherers bei vom Versicherungsnehmer behaupteten Rechtsverstoß durch Kündigungsandrohung des Arbeitgebers

Archivmeldung vom 20.11.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.11.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Kläger verlangt von seinem Rechtsschutzversicherer die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren. Versichert ist u. a. die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen.

Der Arbeitgeber teilte dem Kläger mit, dass aufgrund eines "Restrukturierungsprogrammes" und "der damit verbundenen Stellenreduzierung" beabsichtigt sei, ihm zu kündigen, falls er nicht einen ihm angebotenen Aufhebungsvertrag annehme.

Die vom Kläger daraufhin beauftragten Rechtsanwälte wandten sich gegen das Vorgehen seines Arbeitgebers. Eine Kostenübernahme dafür lehnte der Rechtsschutzversicherer ab.

Er ist der Auffassung, dass ein Versicherungsfall nicht eingetreten sei, da noch kein Rechtsverstoß vorliege. Das bloße Inaussichtstellen einer Kündigung begründe als reine Absichtserklärung noch keine Veränderung der Rechtsposition des Klägers; dementsprechend stünde ihm auch ein Rechtsbehelf dagegen nicht zur Verfügung. Dies sei allein bei einer unberechtigt erklärten Kündigung möglich. Das Aufhebungsangebot habe sich im Rahmen der Privatautonomie bewegt.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die von dem Rechtsschutzversicherer dagegen eingelegte Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen.

Nach dessen Auffassung liegt ein Rechtsverstoß schon in der Kündigungsandrohung selbst. Mit der Erklärung des Arbeitgebers, seine Beschäftigungspflicht nicht mehr erfüllen zu wollen, sei die Rechtsschutz auslösende Pflichtverletzung unabhängig davon, ob die in Aussicht gestellte Kündigung rechtmäßig sei begangen und beginne die sich vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr zu verwirklichen. Die Rechtsposition des Klägers sei bereits mit der Kündigungsandrohung beeinträchtigt; ihr Ausspruch nur noch eine rein formale Umsetzung. Eine weitere Pflichtverletzung sah das Landgericht darin, dass der Arbeitgeber dem Kläger trotz Aufforderung die Sozialauswahl nicht dargelegt habe und ihn damit nicht in die Lage versetzt hat, eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom heutigen Tage die Revision des Rechtsschutzversicherers zurückgewiesen und damit die Vorinstanzen im Ergebnis bestätigt.

Nach seit langem gefestigter, nicht umstrittener Rechtsprechung des Senats erfordert die Annahme eines Rechtsschutzfalles i. S. von § 14 Abs. 3 Satz 1 ARB 75 bzw. § 4 (1) c) ARB 94/2000/2008 ein Vorbringen des Versicherungsnehmers mit objektivem Tatsachenkern, mit dem er den Vorwurf eines Rechtsverstoßes aufstellt und auf den er seine Interessenverfolgung stützt.

Diese Grundsätze gelten auch für die Androhung einer Kündigung des Arbeitsgebers.

Damit kommt es auf Differenzierungen wie sie in Instanzrechtsprechung und Schrifttum vorgenommen werden etwa zwischen Kündigungsandrohung und Kündigungsausspruch, verhaltens- und betriebsbedingten Kündigungen und eingetretenen oder noch bevorstehenden Beeinträchtigungen der Rechtsposition des Versicherungsnehmers nicht an. Ebenso wenig gibt es eine besondere Fallgruppe für Kündigungen von Vertragsverhältnissen oder gar speziell für betriebsbedingte Kündigungen von Arbeitsverhältnissen.

Im zu entscheidenden Fall ist auch der Bundesgerichtshof vom Eintritt eines Rechtsschutzfalles ausgegangen.

Der Kläger hatte ein tatsächliches Geschehen aufgezeigt, mit dem er den Vorwurf eines Rechtsverstoßes durch seine Arbeitgeberin verbunden hatte: Sie habe ihm einen Aufhebungsvertrag angeboten, im Falle der Nichtannahme eine betriebsbedingte Kündigung angedroht, später mitgeteilt, dass er von der geplanten Stellenreduzierung betroffen sei, Angaben zur Sozialauswahl verweigert und dann zugleich ein befristetes Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages unterbreitet. An der Ernsthaftigkeit, das Arbeitsverhältnis auf diese Weise auf jeden Fall beenden und nicht etwa nur vorbereitende Gespräche über Möglichkeiten von betrieblich bedingten Stellenreduzierungen und deren etwaigen Umsetzungen führen zu wollen, bestand nach diesen Behauptungen kein Zweifel. Auf diese vom Kläger behaupteten Tatsachen hatte er den Vorwurf gegründet, die Arbeitgeberin habe ihre Fürsorgepflicht verletzt und damit eine Vertragsverletzung begangen, sie habe eine Kündigung ohne Auskunft über die Sozialauswahl in Aussicht gestellt, die weil sozial ungerechtfertigt rechtswidrig wäre. Schon mit diesem vom Kläger behaupteten Verhalten begann sich die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr zu verwirklichen; der Rechtsschutzfall war damit eingetreten.

Urteil vom 19. November 2008 - IV ZR 305/07
Amtsgericht Hannover Urteil vom 15. Mai 2007 544 C 16386/06
Landgericht Hannover Urteil vom 17. Oktober 2007 6 S 43/07

Quelle: Bundesgerichtshof

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