Haftung für Affiliates: Der BGH hat entschieden - oder auch nicht
Archivmeldung vom 04.11.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAffiliate-Programme sollen die Zugriffe auf Internetseiten erhöhen. Hierzu arbeiten Seitenbetreiber (Merchants) mit Betreibern anderer Internetseiten (Affiliates) zusammen, die gegen Provision oder eine andere Form der Vergütung Links zur Internetseite des Merchants einrichten und gegebenenfalls auch andere Werbemaßnahmen für ihn ergreifen. Aus rechtlicher Sicht stellt sich insbesondere die Frage, ob Merchants für Rechtsverstöße, die Affiliates auf ihren Seiten begehen, zur Haftung gezogen werden können.
Bisher war die Haftungsfrage beim Affiliate-Marketing in der Rechtsprechung umstritten. Das Landgericht Hamburg entschied beispielsweise, dass der Merchant für die Rechtsverletzungen von Affiliates grundsätzlich nicht haftet. Dem gegenüber kam das Landgericht Köln zu dem Ergebnis, dass ein Merchant sogar für Verstöße seiner Affiliates auf Webseiten haftet, die nicht Gegenstand des Partnerprogramms sind. Ähnlich entschieden die Gerichte in Köln, Berlin und München.
Nun landete ein Fall vor dem BGH. Gestritten hatten zwei Anbieter von Fahrrädern und Fahrradzubehör. Gab man in der Suchmaschine Google den Firmennamen des klagenden Unternehmens ein, erhielt man einen Treffer zu einer Internetseite, auf der sich ein Link zur Internetseite des beklagten Unternehmens befand. Diese Seite wurde von einem Unternehmen betrieben, welches mit dem beklagten Unternehmen einen Affiliate-Vertrag geschlossen hatte. In dem Quelltext der betreffenden Seite war der Markenname der Klägerin eingebunden, womit es zu dem entsprechenden Suchergebnis kam.
Die Klägerin forderte vergeblich von der Beklagten, den Markennamen der Klägerin nicht in der genannten Weise zu nutzen oder durch den Affiliate-Partner nutzen zu lassen. Es kam zum Gerichtsverfahren durch die Instanzen, so dass der BGH zur Haftungsfrage Stellung beziehen musste. Nach Ansicht des BGH kann der Merchant durchaus für Handlungen seines Affiliates haften. Denn sofern ein Unternehmer seinen Geschäftsbereich in der Form erweitert, dass er die Bewerbung seiner Internetseiten an Affiliates auslagert, gehöre das damit verbundene Risiko von Rechtsverstößen der Affiliates zu dem vom Unternehmer beherrschbaren Risiko. Allerdings beschränkt sich die Haftung des Merchants nach Auffassung des BGH auf diejenigen geschäftlichen Handlungen des Affiliates, "die dieser im Zusammenhang mit dem Geschäftsbereich vornimmt, der dem Auftragsverhältnis zugrunde liegt".
Im konkreten Fall war es so, dass die Domain des Affiliates, die bei Google auftauchte, nicht zum Partnerprogramm der Beklagten gehörte. In einem solchen Fall würde es nach Ansicht des BGH grundsätzlich zu weit gehen, den Merchant für Verstöße unter dieser nicht zum Auftragsverhältnis gehörigen Domain zur Verantwortung zu ziehen. Im streitigen Fall steht jedoch noch die Frage im Raum, ob diese Domain nicht an eine vom Affiliate-Vertrag erfasste Domain unmittelbar gekoppelt war und die Beklagte hiervon wusste. In dem Fall könnte eine Haftung des Merchants wiederum in Betracht kommen, so der BGH. Die Vorinstanz hat diese Koppelungsfrage nun zu klären.
Insofern hat der BGH den konkreten Fall nicht entschieden. Gleichwohl sind die vom BGH aufgestellten Grundsätze in Zukunft zu beachten. Man wird sich anhand des Einzelfalls die Frage stellen müssen, ob der Affiliate Handlungen in einem Geschäftsbereich vornimmt, die vom Affiliate-Vertrag erfasst werden. Sofern sich diese Frage lediglich auf unterschiedliche Domains bezieht, lässt sich die Haftungsfrage verhältnismäßig einfach klären, falls nicht wie im konkreten Fall die Problematik hinzukommt, dass einzelne Domains innerhalb und außerhalb des Partnerprogramms miteinander zusammenhängen.
Nur was folgt, wenn eine Werbung auf einer zum Partnerprogramm gehörigen Domain geschaltet wird, diese Werbung jedoch über das hinausgeht, was im Vertrag festgelegt wurde? Wird man die Haftung in solchen Fällen durch Klauseln im Affiliate-Vertrag ausschließen können? Das wird davon abhängen, wie man den vom BGH angesprochenen "Geschäftsbereich" definiert. Ist der Geschäftsbereich pauschal die "Werbung", die betrieben wird, wird sich die Haftung auf alle (Werbe-)Maßnahmen in diesem Bereich beziehen, unabhängig davon, ob sie vom Partnerprogramm konkret erfasst werden. Andererseits führt der BGH in seiner Entscheidung aus, dass der Merchant nicht damit rechnen muss, dass ein Affiliate für ihn tätig ist, wenn der Auftrag auf einen bestimmten Geschäftsbereich des Merchants beschränkt ist. In diesen Fällen sei dem Merchant eine hinreichende Kontrolle der Tätigkeit "außerhalb des vertraglich festgelegten Umfangs der Werbetätigkeit" nicht zuzumuten. Diese Ausführungen sprechen eher dafür, dass die Gestaltung des Affiliate-Vertrages Auswirkungen auf die Haftung des Merchants haben kann. Im Ergebnis helfen die vom BGH aufgestellten Grundsätze nur bedingt weiter. Eine abschließende Rechtssicherheit hat das Gericht jedenfalls nicht geschaffen, so dass weiterhin mit Auseinandersetzungen im Bereich des Affiliate-Marketings zu rechnen ist.
Quelle: juravendis Rechtsanwälte