Landgericht Bielefeld setzt Schlusspunkt gegen Abmahnwelle bei Onlineshops
Archivmeldung vom 08.06.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEin Richterspruch hat den jüngsten Auswüchsen der Abmahnpraxis einen deutlichen Riegel vorgeschoben: Das Landgericht Bielefeld hat im Rechtsstreit dreier Onlineshops für Druckerzubehör gegen den abmahnenden IT-Händler Digital WorldNet entschieden. Laut Schätzungen des Gütesiegel-Anbieters Trusted Shops waren rund 700 Shopbetreiber von der zweifelhaften Abmahnwelle betroffen.
Die fraglichen Abmahnungen waren alle innerhalb weniger Tage im
März ergangen. Absender war die Berliner Rechtsanwaltskanzlei
Rubinstein Jäger. Anlass waren angeblich nicht rechtskonforme Details
bei den Preisauszeichnungen der Onlineshops. Statt allerdings die
geforderte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und 760 Euro zu
bezahlen, gingen einige Onlineshops in die Gegenoffensive und klagten
ihrerseits.
"Gravierende Umstände für einen Rechtsmissbrauch"
Trusted Shops hatte eine Liste mit knapp 100 betroffenen
Onlinehändlern zusammengestellt und so zu dem Erfolg beigetragen.
Denn in der belegten massenhaften Abmahnung sieht das Landgericht
Bielefeld - so die Urteilsbegründung - "gravierende Umstände für
einen Rechtsmissbrauch". Außerdem hegt das Gericht den Verdacht auf
"sachfremde Motive" von Digital WorldNet, da "sehr fraglich" sei, ob
die "geltend gemachten Unterlassungsansprüche bestehen". Das Urteil
ist noch nicht rechtskräftig (Az: 15 O 53/06).
Seit Jahren suchen findige Rechtsanwälte im Auftrag ihrer
Mandanten nach Schwachstellen bei Mitbewerbern und kassieren mit
wenig Aufwand große Summen. Dabei geht es oft um Details, wie im
Beispiel der jetzt gestoppten Abmahnwelle: Die beanstandeten
Onlineshops hatten bei den Einzelpreisen nicht in unmittelbarer Nähe
auf die enthaltene Umsatzsteuer und zusätzliche Versandkosten
hingewiesen. Das Landgericht Bielefeld äußerte nun ernsthafte
Zweifel, ob dies ein ausreichender Abmahngrund sei. Hinsichtlich der
strittigen Rechtsfrage wird laut Trusted Shops beim BGH ein
Revisionsverfahren geführt (Az: I ZR 143/04).
Das ergangene Urteil kann allen Onlineshops Mut machen, sich auch
künftig gegen Serienabmahnungen aktiv zur Wehr zu setzen. "Jetzt
können vielleicht sogar diejenigen Shops, die voreilig die
Unterlassungserklärung unterzeichnet haben, ihr Geld zurückbekommen",
sagt Carsten Föhlisch, Justiziar bei Trusted Shops.
Gleichwohl sind weitere Abmahnwellen denkbar. Justiziar Föhlisch:
"In Deutschland ist es - von Ausnahmefällen abgesehen - immer noch
völlig legal, dass Anwälte bei Abmahnungen einfacher Rechtsverstöße
vierstellige Honorarrechnungen stellen und allein auf diese Weise
ihren Lebensunterhalt bestreiten. Der Vorschlag von
Bundesjustizministerin Zypries, das Anwaltshonorar in bestimmten
Fällen auf 50 bis 100 Euro zu begrenzen, geht noch nicht weit genug."
Zypries hatte auf dem 57. Deutschen Anwaltstag in Köln scharfe Kritik
an der Abmahnpraxis einiger Anwälte geübt und angekündigt, die
Abmahnkosten zum Schutz von Privatleuten bei einfachen
Urheberrechtsverstößen zu deckeln. Von dieser Regelung würden
gewerbliche Händler jedoch nicht profitieren.
Quelle: Pressemitteilung Trusted Shops GmbH