Ein Sieg für die Meinungsfreiheit: Niederlage für Facebook/Instagram
Archivmeldung vom 18.03.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDer gestern erlassene Beschluss des Landgerichts Flensburg im Rechtsstreit zwischen Amed Sherwan und "Facebook Limited" setzt ein klares Zeichen für Meinungsfreiheit und gegen das unberechtigte Löschen von Inhalten auf Instagram und Facebook. "Scheinbare" Verstöße gegen die "Gemeinschaftsregeln" reichen, so die Richter, nicht aus, um Posts zu löschen oder Profile zu deaktivieren. Eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen.
Auslöser des Rechtsstreits war eine Fotoserie, die einen angedeuteten Kuss zwischen Amed Sherwan und dem ägyptischen Atheisten Mohamed Hisham vor verschiedenen Hintergründen zeigt, etwa vor dem Petersplatz in Rom oder der Kaaba in Mekka. Während die anderen Motive eher Erheiterung hervorriefen, sorgte das Bild vor der Kaaba für einen gewaltigen Shitstorm, bei dem zahlreiche Kritiker vor offenen Morddrohungen nicht zurückschreckten. Allerdings wurden nicht diese Drohungen gelöscht, sondern vielmehr das Instagram-Profil von Ahmed Sherwan gesperrt sowie zeitweilig auch dessen Facebook-Account.
Nach der Entsperrung bei Facebook war einer seiner Facebook-Beiträge zu der Debatte nicht mehr zu sehen, da er angeblich gegen die "Gemeinschaftsstandards" verstoßen habe. Amed Sherwan hatte nämlich seine "Pakastani-Brüder", welche ihn bedrohten, ironisch darüber aufgeklärt, dass sie lernen müssten, "mit der Liebe in all ihren bunten Varianten umzugehen" und dass "selbst Allah" seinen Account nicht "hacken" könnte. Hiergegen forderte Sherwan am 31. Dezember 2020 Facebook Ltd. zur Abgabe eine strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Da das Unternehmen die Unterlassungserklärung nicht unterzeichnen wollte, kam es zum Rechtsstreit, der mit dem bemerkenswerten Beschluss des Landgerichts Flensburg vom 17. März endete.
Ist Facebook homophob?
Wie sehr sich Facebook gegen die Unterlassungserklärung sträubte, zeigt die Tatsache, dass die Klageerwiderung von Facebook Ltd. mit allen Anlagen deutlich mehr als 2000 Seiten umfasste. Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel, der Amed Sherwan vor Gericht vertrat, ließ sich davon aber nicht beeindrucken, sondern ging in die Offensive. In einem Video mit dem Titel "Ist Facebook homophob?", welches er am Vorabend des Prozesses auf YouTube veröffentlichte, machte Steinhöfel öffentlich, dass Facebook vor militanten Islamisten eingeknickt war und die Löschungen wegen des "scheinbaren" Vorliegen eines Fake-Accounts bzw. einer "scheinbaren" Hassrede unzulässig waren.
Besondere Aufmerksamkeit schenkte Steinhöfel dabei der Randnotiz 111 der Klageerwiderung, in der die Anwälte von Facebook LtD. darlegen, dass Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle zwar ein "ernstes Problem" darstellen, aber Aktivisten nicht darauf angewiesen seien, dies auf Facebook oder Instagram zu artikulieren, da es dafür zahlreiche "alternative Online-Plattformen" gäbe. Im Prinzip sagt Facebook damit, wie Joachim Steinhöfel in seinem Video ausführt: "Schert euch weg! Macht euren schwulen Kram doch bitte auf YouTube oder Twitter! - Das ist in seiner ganzen Arroganz und Doppelmoral eigentlich nur noch sprachlosmachend!"
Erfreulicherweise haben die Flensburger Richter diese Einschätzung Steinhöfels geteilt und Facebook zur Übernahme der Kosten des Verfahrens verurteilt. Die Richter rügten dabei, dass Facebook seine Fehleinschätzung nicht eingesteht, sondern weiterhin auf seiner Meinung beharrt. Klar ist nach der Entscheidung aber immerhin, dass "scheinbare" Verstöße gegen Gemeinschaftsregeln keineswegs ausreichen, um auf Social Media-Plattformen Inhalte zu löschen oder Profile zu deaktivieren. Damit ist - zumindest im Zuständigkeitsbereich des entscheidenden Gerichts - der bisherigen löschfreudigen Praxis von Facebook/Instagram ein Riegel vorgeschoben worden. Vergleichbare Entscheidungen gibt es inzwischen auch von anderen Land- und Oberlandesgerichten.
Falsche Prioritäten
Die Giordano-Bruno-Stiftung und das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) haben den Rechtsstreit von Amed Sherwan unterstützt und neben der "Initiative für Meinungsfreiheit im Netz" einen erheblichen Teil der Kosten übernommen, um damit einer gefährlichen Entwicklung entgegenzuwirken. Denn schon seit geraumer Zeit versuchen islamistische Netzwerke, kritische Stimmen in den sozialen Netzwerken mundtot zu machen. Darunter fallen nicht nur Morddrohungen und Beleidigungen, sondern auch gezielte und orchestrierte Meldeaktionen, die zur Sperrung von Profilen führen. Betroffen sind davon insbesondere Accounts von Ex-Muslimen und Islamkritikern.
In diesem Zusammenhang ist nicht zuletzt auch das 2017 von CDU/CSU und SPD eingeführte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) zu kritisieren. Hierzu heißt es in der 2018 erschienen gbs-Broschüre "Wie muss Technik? Zur Verteidigung der Menschenrechte im Zeitalter der Digitalisierung": "Der Staat muss und darf nur dort eingreifen, wo Gesetze eindeutig gebrochen und persönliche Rechte verletzt werden. Denn dies ist die Grundvoraussetzung jedes liberalen Rechtsstaats: In einer offenen Gesellschaft ist nicht die Freiheit begründungsbedürftig, sondern jegliche Einschränkung der Freiheit!"
Die gbs plädiert daher dafür, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz dahingehend zu revidieren, dass die übereifrige Löschung oder Sperrung rechtskonformer Inhalte mit ebenso empfindlichen Strafen belegt wird wie die ausgebliebene Löschung oder Sperrung rechtswidriger Inhalte: "Denn solange die Betreiber von Social-Media-Plattformen nur dafür zur Rechenschaft gezogen werden, dass sie zu wenig löschen, besteht ein Anreiz 'im Zweifel gegen den Angeklagten' zu entscheiden, was jeder soliden Rechtspraxis und den Prinzipien der offenen Gesellschaft zuwiderläuft."
Quelle: Giordano Bruno Stiftung (ots)