Kein Schadensersatzanspruch bei Prüfung im Auftrag der BaFin
Archivmeldung vom 11.05.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über einen Schadensersatzanspruch entschieden, der gegen ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen wegen Schlechterfüllung eines zwischen dem Unternehmen und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: BaFin) geschlossenen Vertrags geltend gemacht wurde.
Die Klägerin ist eine gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes (ESAEG) vom 16. Juli 1998 (BGBl. I S. 1842) bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau errichtete Entschädigungseinrichtung. Ihr sind diejenigen Institute im Sinne von § 1 Abs. 1 ESAEG zugeordnet, die keine Einlagenkreditinstitute sind. Zu den der Klägerin hiernach zugeordneten Unternehmen gehörte auch die Phoenix Kapitaldienst GmbH (im Folgenden: P. GmbH). Im Sommer 2002 ordnete die BaFin eine Sonderprüfung der P. GmbH an. Mit deren Durchführung beauftragte die Behörde die Beklagte.
Diese nahm die Sonderprüfung im Herbst 2002 vor. Hierbei blieb ihren
Mitarbeitern verborgen, dass ein für die Beurteilung der
wirtschaftlichen Situation der P. GmbH entscheidendes Konto, das sie
nach ihren Geschäftsunterlagen angeblich unterhielt, tatsächlich nicht
existierte. Dieser Umstand, der dementsprechend in dem der BaFin
zugeleiteten Prüfungsbericht keine Erwähnung fand, wurde erst durch
eine entsprechende Mitteilung der neuen Geschäftsleitung der P. GmbH an
die BaFin im Frühjahr 2005 offenbar. Diese beantragte kurz darauf die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der P. GmbH und
stellte den Entschädigungsfall gemäß § 5 Abs. 1 ESAEG fest. Die
Klägerin leistete daraufhin Entschädigungen an die betroffenen Anleger.
Die Klägerin wirft der Beklagten vor, die von ihr eingesetzten
Mitarbeiter hätten bei ordnungsgemäßer Ausführung der Sonderprüfung
erkennen können und müssen, dass das fragliche Konto der P. GmbH nicht
bestand. Wäre pflichtgemäß geprüft worden, wäre der Eintritt des
Entschädigungsfalles bereits spätestens im Mai 2003 und nicht erst im
Frühjahr 2005 festgestellt worden. Sie, die Klägerin, hätte in diesem
Fall wesentlich geringere Entschädigungen leisten müssen.
Die Klägerin hat aus eigenem und hilfsweise aus von der BaFin abgetretenem Recht die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten verlangt. Die Klage ist in allen Instanzen erfolglos geblieben. Der III. Zivilsenat hat die Auffassung des Berufungsgerichts bestätigt, dass die Klägerin aus dem zwischen der BaFin und der Beklagten geschlossenen Vertrag keine Ansprüche herleiten kann. Der Vertrag entfaltet keine Schutzwirkung zugunsten der Klägerin, da das hierfür notwendige (ob¬jektive) Interesse der Behörde nicht vorhanden war, der Klägerin eine Haftungsmöglichkeit gegenü¬ber der Beklagten zu verschaffen, und der erforderliche Wille der Vertragsparteien fehlte, die Kläge¬rin in den Schutzbereich des Vertrages einzubeziehen.
Die BaFin schaltete die Beklagte gemäß § 4 Abs. 3 des
Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes (FinDAG) bei der Sonderprüfung
zur Wahrnehmung eigener Verwaltungsaufgaben ein. Die Behörde haftet für
Fehler bei der Ausführung dieser Aufgaben gemäß § 4 Abs. 4 FinDAG* der
Klägerin nicht. Haftet die BaFin selbst für Pflichtverstöße bei der
Sonderprüfung nicht, besteht auch keine sachliche Notwendigkeit und
damit auch kein objektives Interesse, der Klägerin nur deshalb -
ansonsten nicht gegebene – Schadensersatzansprüche zu verschaffen, weil
Hilfspersonen mit der Sonderprüfung betraut wurden. Überdies fehlte es
an dem Einbeziehungswillen der Vertragsparteien, weil nicht davon
ausgegangen werden kann, dass die Beklagte bereit war, stillschweigend
die unüberschau¬baren Risiken einer Haftung für die Einlagen einer
unbekannten Vielzahl von Anlegern, deren Ansprüche bei der Klägerin
lediglich gebündelt waren, ohne zusätzliche Vergütung zu übernehmen.
Die Klägerin kann auch aus den von der BaFin abgetretenen Rechten
keinen Schadensersatzanspruch herleiten. Die Behörde hat keinen eigenen
Schaden erlitten. Der bei der Klägerin eingetretene Schaden ist ihr
auch nicht im Wege der so genannten Drittschadensliquidation
zuzurechnen. Es fehlt an der hierfür notwendigen zufälligen Verlagerung
des Schadens, da dieser von vornherein nur bei der Klägerin, nicht aber
bei der BaFin eintreten konnte.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Mai 2009, Az. III ZR 277/08
Quelle: Prof. Dr. Christoph Gaudecki