Gesetzliches Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare muss Ausnahmetatbestand zulassen
Archivmeldung vom 07.03.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Bundesrechtsanwaltsordnung untersagt Rechtsanwälten Vereinbarungen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird oder nach denen der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrages als Honorar erhält. Vergleichbare Regelungen bestehen für Patentanwälte, für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sowie für Wirtschaftsprüfer.
Im vorliegenden Fall macht eine Rechtsanwältin die Verfassungswidrigkeit des Verbots anwaltlicher Erfolgshonorare geltend. Sie war 1990 von zwei in den USA lebenden Mandanten beauftragt worden, deren Ansprüche wegen eines in Dresden gelegenen Grundstücks durchzusetzen, das dem Großvater der Mandanten gehört hatte und von den nationalsozialistischen Machthabern enteignet worden war. Der Rechtsanwältin wurde angeboten, dass sie als Honorar ein Drittel des erstrittenen Betrages erhalten sollte. In der Folgezeit erwirkte die Beschwerdeführerin zugunsten ihrer Mandanten eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 312.000 DM. Hiervon erhielt sie absprachegemäß 104.000 DM. Das Anwaltsgericht bewertete die Streitanteilsvergütung als Verstoß gegen die Grundpflichten eines Rechtsanwalts und erteilte der Beschwerdeführerin deswegen einen Verweis und verurteilte sie zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 25.000 €, die der Anwaltsgerichtshof auf 5.000 € herabsetzte.
Die Verfassungsbeschwerde der Rechtsanwältin, mit der diese die Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Verbots anwaltlicher Erfolgshonorare geltend machte, war teilweise erfolgreich. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass das gesetzliche Verbot mit dem Grundrecht auf freie Berufsausübung insoweit nicht vereinbar ist, als das Gesetz keine Ausnahmen vorsieht und damit das Verbot selbst dann zu beachten ist, wenn der Rechtsanwalt mit der Vereinbarung eines Erfolgshonorars besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung trägt, die diesen sonst davon abhielten, seine Rechte zu verfolgen. Der Gesetzgeber hat bis zum 30. Juni 2008 eine Neuregelung zu treffen. Bis dahin bleibt das gesetzliche Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare jedoch anwendbar; deshalb hat das Bundesverfassungsgericht die im vorliegenden Fall ausgesprochene berufsgerichtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin verfassungsrechtlich nicht beanstandet.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Mit dem Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare verfolgt der Gesetzgeber Gemeinwohlziele, die auf vernünftigen Erwägungen beruhen und daher die Beschränkung der Berufsausübung der Rechtsanwälte legitimieren können. Das Verbot dient zum einen dem Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit, die unverzichtbare Voraussetzung für eine funktionierende Rechtspflege ist. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die anwaltliche Unabhängigkeit bei Vereinbarung eines Erfolgshonorars gefährdet sieht. So kann die zur Wahrung der Unabhängigkeit gebotene kritische Distanz des Rechtsanwalts zum Anliegen des Auftraggebers Schaden nehmen, wenn sich ein Rechtsanwalt auf eine Teilhabe am Erfolgsrisiko einer Rechtsangelegenheit eingelassen hat. Vor allem aber liegt die Befürchtung nicht völlig fern, dass mit der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung für unredliche Berufsträger ein zusätzlicher Anreiz geschaffen werden kann, den Erfolg „um jeden Preis“ auch durch Einsatz unlauterer Mittel anzustreben. Ein weiterer legitimer Zweck des Verbots von Erfolgshonoraren ist in dem Schutz der Rechtsuchenden vor einer Übervorteilung durch überhöhte Vergütungssätze zu sehen. Einem unredlichen Rechtsanwalt ist es möglich, den Mandanten durch unzutreffende Darstellung der Erfolgsaussichten oder übertriebene Schilderung des zu erwartenden Arbeitsaufwandes zur Vereinbarung einer unangemessen hohen Vergütung zu bewegen. Schließlich ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die Zulässigkeit eines Erfolgshonorars als Gefährdung der prozessualen Waffengleichheit einschätzt, weil der Beklagte - im Gegensatz zum Kläger - nicht über die Möglichkeit verfügt, sein Kostenrisiko auf vergleichbare Art zu verlagern. Zur Verfolgung dieser Gemeinwohlziele kann das Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare auch als geeignet und erforderlich angesehen werden.
Das Verbot von Erfolgshonoraren ist jedoch insoweit unangemessen, als es keine Ausnahmen zulässt und damit selbst dann zu beachten ist, wenn der Rechtsanwalt mit der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung trägt, die diesen sonst davon abhielten, seine Rechte zu verfolgen. Bei der Entscheidung der Rechtsuchenden über die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe ist die Kostenfrage von maßgebender Bedeutung. Auch Rechtsuchende, die auf Grund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse keine Prozesskostenhilfe oder Beratungshilfe beanspruchen können, können vor der Entscheidung stehen, ob es ihnen die eigene wirtschaftliche Lage vernünftigerweise erlaubt, die finanziellen Risiken einzugehen, die angesichts des unsicheren Ausgangs der Angelegenheit mit der Inanspruchnahme qualifizierter rechtlicher Betreuung und Unterstützung verbunden sind. Nicht wenige Betroffene werden das Kostenrisiko auf Grund verständiger Erwägungen scheuen und daher von der Verfolgung ihrer Rechte absehen. Für diese Rechtsuchenden ist das Bedürfnis anzuerkennen, das geschilderte Risiko durch Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung zumindest teilweise auf den vertretenden Rechtsanwalt zu verlagern. In solchen Fällen fördert die Unzulässigkeit anwaltlicher Erfolgshonorare nicht die Rechtsschutzgewährung, sondern erschwert den Weg zu ihr.
Der Gesetzgeber kann dieses Regelungsdefizit dadurch beseitigen, dass er zwar an dem Verbot grundsätzlich festhält, jedoch für die oben genannte Fallgruppe einen Ausnahmetatbestand eröffnet. Zum Schutz der Vermögensinteressen der Rechtsuchenden und zum Schutz des Vertrauens in die Anwaltschaft kann außerdem die Wirksamkeit der Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Erfüllung vergütungsbezogener Informationspflichten des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten abhängig gemacht werden. Schließlich ist der Gesetzgeber nicht gehindert, dem verfassungswidrigen Regelungsdefizit dadurch die Grundlage zu entziehen, dass das Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare völlig aufgegeben oder an ihm nur noch unter engen Voraussetzungen, wie etwa im Fall unzulänglicher Aufklärung des Mandanten, festgehalten wird.
Quelle: Pressemitteilung Bundesverfassungsgericht