Gerichtlicher Durchsuchungs- oder Abhoerbeschluss muss Mindestmass an Darlegungsanforderungen erfuellen
Archivmeldung vom 19.07.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Verfassungsbeschwerde eines Rechtsanwalts gegen die gerichtliche Anordnung des Abhörens von Gesprächen mit einem inhaftierten Mandanten und gegen die Durchsuchung seiner Kanzleiräume wegen des Verdachts der Geldwäsche war erfolgreich.
Die 3. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass das Abhören des
Verteidigergespräches und die Durchsuchung der Kanzlei den
Beschwerdeführer in seiner Berufsausübungsfreiheit sowie seinem Recht
auf Unverletzlichkeit der Wohnung verletzten. Das Gewicht des
Grundrechtseingriffs verlange den Verdacht, dass eine Straftat begangen
worden ist. Der Richtervorbehalt gebiete es, dass in dem richterlichen
Durchsuchungs- und Abhörbeschluss ein Verhalten oder sonstige Umstände
geschildert werden, die wenn sie erwiesen sein sollten – die
wesentlichen Merkmale eines Straftatbestandes erfüllen. Diesen
Anforderungen genügten die angegriffenen Beschlüsse nicht.
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer verteidigte einen Mandanten, der als Chef einer
gewalttätigen Türsteher- und Zuhälterbande wegen Rädelsführerschaft in
einer kriminellen Vereinigung und wegen zahlreicher weiterer Delikte zu
einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt wurde. Er vertrat
diesen Mandanten auch während der Verbüßung der Freiheitsstrafe. Dazu
besuchte er ihn wiederholt in der Justizvollzugsanstalt; des Weiteren
zahlte er in mehreren Teilbeträgen 2.850 € auf das Anstaltskonto des
Mandanten ein.
In der Folgezeit richtete sich gegen den Mandanten der Verdacht, dass er
weiterhin seine Beteiligungen an mehreren Bordellbetrieben organisierte
und über die Verteilung der dabei eingenommenen Geldbeträge bestimmte.
Auch gegen den Beschwerdeführer wurde wegen des Verdachts der Geldwäsche
ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft
ordnete das Amtsgericht das Abhören der Gespräche zwischen dem
Beschwerdeführer und seinem Mandanten in der Justizvollzugsanstalt sowie
die Durchsuchung seiner Kanzleiräume an. Zur Begründung führte das
Amtsgericht aus, dass der Beschwerdeführer verdächtig sei, Einnahmen,
die Mitglieder einer kriminellen Vereinigung aus Bordellbetrieben
erzielt und nicht versteuert hätten, für seinen Mandanten
entgegengenommen zu haben.
Das Landgericht verwarf die Beschwerde des Beschwerdeführers. Seine
Verfassungsbeschwerde hatte hingegen Erfolg.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
In einem Abhör- bzw. Durchsuchungsbeschluss muss zum Ausdruck kommen,
dass der Ermittlungsrichter die Eingriffsvoraussetzungen selbständig und
eigenverantwortlich geprüft hat. Dazu muss der Richter ein dem
Beschuldigten angelastetes Verhalten schildern, das die Voraussetzungen
eines Strafgesetzes erfüllt. Die Schilderung braucht nicht so
vollständig zu sein wie die Sachverhaltsdarstellung in einer Anklage
oder einem Urteil. Es müssen aber ein Verhalten oder sonstige Umstände
geschildert werden, die alle wesentlichen Merkmale des Straftatbestandes
erfüllen.
Wesentliches Merkmal der Strafbarkeit der Geldwäsche ist, dass eine
Vortat begangen wurde, die im Katalog des § 261 Abs. 1 Satz 1
Strafgesetzbuch aufgeführt ist. Die Darlegungen zum Geldwäscheverdacht
erfordern deshalb die Schilderung auch des Vortatverdachts. Kommt als
Vortat eine Steuerhinterziehung in Betracht, ist den
Darlegungsanforderungen nicht Genüge getan, wenn lediglich behauptet
wird, Einnahmen seien nicht versteuert worden. Damit ist die Tathandlung
der Steuerhinterziehung nicht einmal ansatzweise beschrieben. Es bleibt
schon offen, welche Steuer gemeint ist. Tathandlungen einer
Steuerhinterziehung sind falsche oder pflichtwidrig unterlassene
Erklärungen gegenüber den Finanzbehörden. Selbst zu einer im
Ermittlungsverfahren ausreichenden vergröbernden Schilderung des
Verdachts einer Steuerhinterziehung gehört es daher, dass angegeben
wird, welche Steuer und welcher steuerbare Gegenstand betroffen sind und
durch welche Verletzung einer steuerrechtlichen Verpflichtung die
Steuerverkürzung oder der Steuervorteil bewirkt worden sein soll.
Dem werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht. Die Gerichte
hätten benennen müssen, welche Steuererklärung oder Voranmeldung
pflichtwidrig unterlassen oder falsch abgegeben und welche Steuer
dadurch verkürzt wurde. Weitere Voraussetzung für die auf Geldwäsche
gestützten Durchsuchungs- und Abhörbeschlüsse wäre die Bildung einer
kriminellen Vereinigung, so dass es einer eigenen Darlegung der
Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals bedurft hätte. Insoweit genügt es
nicht, auf eine frühere Verurteilung zu verweisen; denn die Vortat muss
aktuell begangen worden sein.
Ob das in den angegriffenen Beschlüssen geschilderte Verhalten des
Beschwerdeführers einen anderen als den dort angegebenen Tatbestand der
Geldwäsche erfüllt, brauchte das Bundesverfassungsgericht nicht zu
prüfen. Durchsuchungs- oder Abhörbeschlüsse müssen den gesetzlichen
Tatbestand, auf dessen Verwirklichung sich der Verdacht richtet, selbst
benennen. Nur wenn der zur Kontrolle des Eingriffs berufene Richter sich
den in Frage kommenden Straftatbestand vergegenwärtigt, kann die
Verhältnismäßigkeit vollständig geprüft werden, weil die Zumutbarkeit
des Eingriffs auch von der Schwere der vorgeworfenen Tat abhängt, für
die die Strafdrohung von wesentlicher Bedeutung ist.
Zum Beschluss vom 4. Juli 2006 – 2 BvR 950/05 –
Quelle: Pressemitteilung Bundesverfassungsgericht