Opfer sog. Schenkkreise können nicht nur vom Initiator des Schenkkreises erbrachte Zahlungen zurückfordern
Archivmeldung vom 09.05.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Bundesgerichtshof hat sich in einer nun veröffentlichten Entscheidung (BGH, Urt. v. 13.03.2008 – III ZR 282/07) einmal mehr mit der Problematik sog. Schenkkreise zu beschäftigten.
Bei Schenkkreisen handelt es sich um pyramidenartige Organisationen,
die aus mehreren – im konkreten Falle aus 15 – Plätzen (sog. Charts)
bestehen. An der Spitze der Pyramide steht eine Person. Unmittelbar
unter dieser ersten Stufe befinden sich zwei Personen, welche die Stufe
2 bilden. Hierauf folgen weitere vier Personen, aus welchen Stufe 3,
sowie weitere acht Personen, aus denen Stufe 4 gebildet wird.
Letztere verpflichten sich einen bestimmten Geldbetrag an die an der
Spitze befindliche Person zu leisten, sog. „Schenkungen“. Sobald alle
Personen der Stufe 4 die Schenkungen geleistet haben, scheidet diese
Person aus der Spitze aus. Es bilden sodann zwei neue Pyramiden, deren
Spitze jeweils von den bis dato auf Stufe 2 liegenden Personen
ausgefüllt werden. Die auf Stufe drei befindlichen Beteiligten werden
jeweils zu zweit und die auf Stufe 4 befindlichen Personen werden
jeweils zu viert, auf die neuen Pyramiden verteilt. Letztere haben
dafür zu sorgen, dass jeweils neue acht Personen zur Bildung der Stufe
vier geworben werden, welche wiederum Zahlungen an die Spitze der neu
gebildeten Pyramide leisten sollen.
Auf diese Weise soll das „Spiel“ vorangetrieben werden. Jeder
Beteiligte verfolgt das Endziel, an die Spitze einer Pyramide zu
gelangen und selbst Empfänger von Zahlungen zu werden, um ein
Vielfaches seines Einsatzes, den er auf Stufe 4 erbracht hat, zu
erlangen.
In dem von dem BGH zu entscheidenden Falle verlangte die Klägerin, die
sich selbst an einem solchen Schenkkreis beteiligt und an die zum
damaligen Zeitpunkt an der Spitze der Pyramide stehende Person jeweils
€ 2.500,00 erbracht hat, diese Zahlungen zurück. Der BGH gab ihr Recht,
kürzte jedoch den Anspruch um einen Teilbetrag, den sie selbst von
einem anderen Beteiligten erhalten hat, welchen sich die Beklagte von
dieser dritten Person abtreten ließ und ihrerseits gegen die Klägerin
geltend gemacht hatte.
Mit dieser Entscheidung erweitert der BGH seine Rechtsprechung zum
Themenbereich „Schenkungskreis“. Bislang bejahte er ausschließlich
Ansprüche der Teilnehmer gegen die Initiatoren des Schenkungskreises,
nicht jedoch gegenüber dem „normalen“ Beteiligten, der Zahlungen
erhalten hat.
Mit diesem Urteil bestätigt der BGH die beiden Vorinstanzen, die
bereits dem klägerischen Anspruch dem Grunde nach stattgegeben haben.
Seine Entscheidung begründet der BGH mit der Sittenwidrigkeit der
Zuwendungen.
Bei Schenkkreisen handelt es sich um Schneeballsysteme, die darauf
angelegt sind, dass die ersten Mitglieder einen mehr oder weniger
sicheren Gewinn erzielen, während die große Masse der späteren
Teilnehmer ihren Einsatz zu verlieren droht, da in absehbarer Zeit
nicht genügend Neumitglieder geworben werden können, mit denen das
System aufrechterhalten werden könnte. Ein solches System verstößt
gegen die guten Sitten, mit der regelmäßigen Folge, dass die
Rückforderung ausgeschlossen ist, wenn beide Parteien sittenwidrig
gehandelt haben.
Da ein Schenkkreis jedoch regelmäßig allein darauf gerichtet ist,“
leichtgläubige und unerfahrene Personen zugunsten einiger weniger
Mitspieler auszunutzen und zu „Schenkungszahlungen“ zu veranlassen,
wäre der Ausschluss der Rückforderung ein falsches Signal. Hierdurch
würden Initiatoren solcher Schenkkreise geradezu eingeladen, solche
Spiele fortzusetzen. Sie müssten nicht befürchten, die vereinnahmten
Gelder zurückzahlen zu müssen.
Nachdem der BGH diese Argumentation bislang ausschließlich auf die
Initiatoren solcher Schenkkreise angewandt hat, überträgt er diese nun
auch auf alle übrigen Empfänger derartiger Schenkungen. Für die
Rückforderung soll es insbesondere unbeachtlich sein, wie
geschäftsgewandt oder erfahren der jeweilige Geldgeber oder Empfänger
war. Vor allem, so der BGH, sei es widersprüchlich, wenn nur die
Initiatoren mit einer Rückzahlung der eingenommenen Gelderrechnen
müssten, die übrigen Teilnehmer jedoch nicht. Dies würde eine nicht
nachvollziehbare Begünstigung des „einfachen“ Teilnehmers darstellen.
Dieser könnte ungehindert seine eigenen Leistungen zurückverlangen,
müsste jedoch selbst nicht befürchten auf Rückzahlung solcher
Schenkungen in Anspruch genommen zu werden.
Festzuhalten bleibt somit, dass sog. Schenkkreise gegen die guten
Sitten verstoßen. Teilnehmer hieran können ihre Zahlungen nicht nur von
den Initiatoren, sondern auch von allen anderen Empfängern erfolgreich
zurückverlangen, müssen jedoch auch befürchten, selbst in Anspruch
genommen zu werden, wenn sie ihrerseits von anderen Teilnehmern
Zahlungen erhalten haben.
Quelle: KSR Kanzlei Siegfried Reulein