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Betriebsschließung durch Behörden - das Land muss zahlen

Archivmeldung vom 30.03.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.03.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Michael Falter, Managing Partner Deutschland, DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH / Jurist Michael Falter: Hotels und Gaststätten haben Entschädigungsanspruch in der Corona-Krise. : "obs/DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH/M.Vennemann"
Michael Falter, Managing Partner Deutschland, DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH / Jurist Michael Falter: Hotels und Gaststätten haben Entschädigungsanspruch in der Corona-Krise. : "obs/DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH/M.Vennemann"

Private Unternehmen, die durch behördliche Anordnung im Rahmen der Corona-Pandemie geschlossen wurden, müssen von den Behörden entschädigt werden. Für den Rechtsanwalt Michael Falter, Managing Partner Deutschland der internationalen Wirtschaftskanzlei DWF, gibt es daran keinen Zweifel.

Denn: "Die Entschädigungsregeln des Infektionsschutzgesetzes sehen dies eindeutig vor." Als Beispiel führt der Jurist Fitnessstudios ebenso wie Hotels, Restaurants, Friseursalons oder Kosmetikstudios an, denen durch die angeordneten Schließungen im Zusammenhang mit der Corona Virus Pandemie immense Verluste entstanden seien.

Dass die Maßnahmen der Behörden durchaus rechtmäßig sind, stehe dabei gar nicht zur Debatte: "Ob sie jedoch einen Entschädigungsanspruch nach sich ziehen, hängt davon ab, ob sie der Verhütung übertragbarer Krankheiten dienen oder deren Bekämpfung."

Der Jurist stellt klar: Zur Verhütung ermächtigt werden die Behörden durch §16 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Abgedeckt werden dadurch alle Maßnahmen, die bei einem Gefahrenverdacht erforderlich sind, um Neuansteckungen zu verhindern. Ausdrücklich werde in der Literatur als Anwendungsbeispiel das Verbot von Versammlungen bei drohender Pandemie genannt. Entsprechende Anordnungen fallen demnach eindeutig unter Infektionsprophylaxe.

Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten stützen sich dagegen auf §28 IfSG. Diese antiepidemischen Maßnahmen verfolgen das Ziel, Krankheitsfälle zu erfassen, zu behandeln und von ihnen ausgehende Infektionsgefahren zu beseitigen. "Die Bekämpfung setzt somit stets am individuellen Krankheitsfall an. Im polizeirechtlichen Sinne gelten deshalb Kranke, Krankheitsverdächtige, Ausscheider und Ansteckungsverdächtige als seuchenhygienische Störer."

Nichtstörer seien hingegen all diejenigen Betriebe, von denen kein unmittelbares Infektionsrisiko ausgeht. Die sie betreffenden Maßnahmen hätten folglich stets §16 IfSG zur Grundlage, da es dabei immer um Prävention gehe.

Für mögliche Entschädigungsansprüche sei diese Unterscheidung, so Falter, von zentraler Bedeutung. So regelt §56 IfSG die Ansprüche der sogenannten Störer. In der gegenwärtigen Situation fallen darunter vor allem diejenigen Personen, die wegen Krankheitsverdachts unter Quarantäne gestellt wurden, ohne tatsächlich krank zu sein. Ihnen steht demnach eine Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls für die ersten sechs Wochen zu, danach in Höhe des Krankengeldes. Entsprechend steht auch Selbstständigen ein Ersatz des Verdienstausfalls zu. Sämtliche Ansprüche müssen innerhalb von drei Monaten geltend gemacht werden.

Anders die Situation bei Maßnahmen zur Prävention. Sie fußen auf den Paragraphen 16 bzw. 17 IfSG und betreffen die seuchenhygienischen Nichtstörer. "Nur sie", so Falter, "sollen nach dem Willen des Gesetzgebers eine Entschädigung erhalten." Das heißt: Maßnahmen der Infektionsprophylaxe sind entschädigungspflichtig - und zwar nach § 65 IfSG. Maßnahmen der Infektionsbekämpfung hingegen nicht. Denn im ersten Fall seien Nichtstörer betroffen, im zweiten jedoch Störer.

Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bemisst sich dabei nach den Grundsätzen des allgemeinen Schadensersatzrechts: Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er ohne die Anordnung stehen würde. Eine Dreimonatsfrist besteht in diesem Fall nicht. Zu richten sind die Ansprüche gegen das Land, in dem die Anordnung erlassen wurde.

Als Beispiel führt Falter die Allgemeinverfügung der Stadt Köln vom 16. März 2020 an, wonach alle Fitnessstudios geschlossen werden mussten. Dies geschah "zur Verhütung der Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 Virus-Infektionen". Wenn in dem einzelnen Fitnessstudio keine Krankheitsfälle nachgewiesen wurden, handele es sich dabei um eine Maßnahme der Infektionsprophylaxe. Für die Mitglieder des Fitnessstudios sei die Pflicht zur Beitragszahlung entfallen. Folglich habe der Betreiber einen Entschädigungsanspruch gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen aus §65 IfSG.

Falters Fazit: "Viele der Maßnahmen, die von den Behörden zur Verhütung einer Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 Virus-Infektionen angeordnet wurden, sind Maßnahmen der Infektionsprophylaxe, die nur auf § 16 IfSG gestützt werden können. Sie sind damit, auch wenn sie sich als rechtmäßig erweisen sollten, nach § 65 IfSG entschädigungspflichtig." Die Vorschrift des § 65 IfSG habe bislang ein Schattendasein geführt. Rechtsprechung dazu sei nicht verfügbar. "Sie dürfte aber in den kommenden Monaten erhebliche Bedeutung bei der Folgenbeseitigung der Corona-Krise bekommen."

Quelle: DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (ots)


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