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Der "Chef" am Bau

Archivmeldung vom 20.02.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.02.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: "obs/Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen (LBS)/Bundesgeschaeftsstelle LBS"
Bild: "obs/Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen (LBS)/Bundesgeschaeftsstelle LBS"

Die meisten Menschen, die den Auftrag zum (Aus-)Bau einer Immobilie erteilen, sind - planerisch und bautechnisch gesehen - Laien. Sie können nicht einschätzen, welche Konsequenzen bestimmte Entscheidungen haben und wissen in der Regel auch nicht, wie die Standards in diesem Gewerbe aussehen. Deswegen sind sie auf die Beratung durch Architekten, Ingenieure und Bauleiter angewiesen.

Immer wieder kommt es noch während der Arbeiten oder nach der Abnahme zum Streit unter Auftraggebern und Dienstleistern. Die Kunden fühlen sich schlecht informiert, manchmal sogar hereingelegt. Dann müssen Gerichte entscheiden, was der Bauherr eigentlich alles für das von ihm bezahlte Honorar erwarten durfte. Der Infodienst Recht und Steuern der LBS hat in seiner Extra-Ausgabe neun solcher Urteile gesammelt.

Eine nicht zu unterschätzende Rolle im Baugeschehen spielt das sogenannte Bautagebuch. In ihm sollen alle wesentlichen Einzelheiten während des Arbeitsverlaufs beweiskräftig festgehalten werden, um später (zum Beispiel bei Rechtsstreitigkeiten) über eine entsprechende Dokumentation zu verfügen. Das ist kaum anders als bei Operationsberichten im Krankenhaus. Führt ein Architekt kein Bautagebuch, obwohl er nach dem Leistungsbild der Honorarordnung dazu verpflichtet gewesen wäre, muss er nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Aktenzeichen VII ZR 65/10) mit Abstrichen rechnen. Konkret wurden ihm 0,5 Prozent des Gesamthonorars gestrichen.

Allerdings ist die Dokumentation im Regelfall nun auch wieder nicht so wichtig, dass ihr Fehlen gleich die ganze Abnahme eines Bauprojekts durch den Kunden verhindern würde. Wenn das Gericht zu der Überzeugung kommt, dass das fehlende Tagebuch in der Gesamtschau des Projekts nur einen unwesentlichen Mangel darstellt, dann muss sich der Bauherr nach Überzeugung des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main (Aktenzeichen 16 U 135/14) trotzdem der Abnahme stellen. Alles andere wäre unverhältnismäßig.

Der Schallschutz spielt vor allem bei größeren Bauvorhaben mit mehr Wohneinheiten eine bedeutende Rolle. Haben Architekt und Bauträger gemeinsam beschlossen, hier zu sparen (einschalige statt zweischalige Trennwände zwischen zwei Reihenhäusern), dann kann der Käufer später auf Schadenersatz klagen. Anschließend stritten die beiden Beklagten darum, wer denn nun zahlen müsse. Der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VII ZR 209/11) entschied, dass der selbst fachkundige und in die Probleme durchaus eingeweihte Bauträger zwei Drittel der Summe begleichen müsse und der Architekt ein Drittel.

Von einem Architekten erwartet der Kunde nicht zuletzt, dass seine Planungen nicht jedes finanzielle Maß übersteigen. Schließlich verfügen die meisten Auftraggeber nur über ein bestimmtes Budget, das sie nicht überschreiten können. Bereits bei der Grundlagenermittlung sollten beide Vertragspartner den wirtschaftlichen Rahmen abstecken, an dem sich der Architekt dann auch orientieren muss. Tut er das nicht, dann entspricht seine Planung nach Überzeugung des Bundesgerichtshofes (Aktenzeichen VII ZR 230/11) "nicht der vereinbarten Beschaffenheit". Konkret hätten die Kosten statt 400.000 Euro 750.000 Euro betragen, woraufhin der Auftraggeber gleich auf das ganze Projekt verzichtete.

Was hilft die schönste Planung, wenn der Bauantrag anschließend nicht genehmigungsfähig ist? Nichts. Deswegen muss der Architekt stets im Auge haben, ob das von ihm ausgearbeitete Projekt dauerhaft genehmigungsfähig sein wird. Ein Bauherr und sein Architekt prozessierten bis vor den Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VII ZR 8/10) gegeneinander, weil ein bereits errichteter Anbau wieder hatte abgerissen werden müssen. Die Richter wiesen darauf hin, dass der Auftraggeber vom Architekten ganz deutlich auf Probleme im Zusammenhang mit der Genehmigungsfähigkeit hingewiesen werden müsse.

Eine weitere Aufgabe des Architekten (wenn denn vertraglich so vorgesehen) ist die Bauüberwachung. Gerichte erwarten von ihm, die beauftragten Unternehmen stichprobenartig zu überprüfen und das Baugeschehen aktiv zu leiten. Das gehört nach Überzeugung des Bundesgerichtshofes (Aktenzeichen VII ZR 49/13) zu den elementaren Pflichten. Das gelte besonders in Bereichen, die bekanntermaßen sehr mangelanfällig seien. Gerade hier müsse der Architekt doppelt aufmerksam sein.

Häufig ist aber, trotz seiner Fachkenntnisse, noch nicht einmal der Architekt der größte Experte am Bau. Er muss seinerseits wieder Fachplaner und Gutachter heranziehen, um sich Klarheit zu verschaffen. Trotzdem bleibt er der Gesamtverantwortliche für das Projekt. In einem Zivilprozess vor dem OLG Naumburg (Aktenzeichen 5 U 132/14) ging es um Risse in Putz und Mauerwerk, die unter anderem wegen fehlender Dehnungsfugen entstanden waren. Die Richter entschieden, der Architekt hätte hier prüfen müssen - wenigstens nach den Fähigkeiten, die man von ihm auf Grund seiner Ausbildung erwarten dürfe.

Bei komplizierten Bauprojekten, deren Schwierigkeit von vorneherein jeder einsehen konnte, verweigern sich die Gerichte einem Generalverdacht gegenüber dem Architekten. So war es auch im Zusammenhang mit einem Bau an einer Steilküste, der später einstürzte. Der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VII ZR 4/12) legte Wert darauf, dass man genau prüfen müsse, wie weit nicht der Auftraggeber bereits aus eigener Kenntnis um das Risiko hätte wissen müssen. Wenn er nämlich gegen die Pflicht verstoße, sich selbst vor Schaden zu bewahren, dann habe das ein Mitverschulden zur Folge.

Kommt es zu Änderungen in der Planung, dann legt der Architekt das in der Regel dem Bauherrn zur Unterschrift vor - um deutlich zu machen, dass dieser auch in allen wichtigen Aspekten darüber informiert wurde. Gerichte räumen einer solchen Erklärung große Bedeutung ein, wie ein Prozess vor dem Oberlandesgericht München (Aktenzeichen 9 U 3704/11) zeigte. Die Juristen entschieden, dass der Bauherr durch seine Unterschrift zu erkennen gegeben habe, mit den Planungsänderungen einverstanden zu sein. Deswegen empfiehlt es sich, solche Vertragsänderungen vorher gründlich zu studieren - nachher ist es meist zu spät.

Quelle: Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen (LBS) (ots)

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