Wohnflächenberechnung unter anteiliger Einbeziehung von Dachterrassenflächen
Archivmeldung vom 23.04.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Frage zu entscheiden, mit welchem Anteil Dachterrassen bei der Berechnung der Wohnfläche einer Mietwohnung zu berücksichtigen sind.
Die Beklagte ist Mieterin einer Maisonettewohnung des Klägers in Köln.
Die Miete ist mit 1.000 € monatlich zzgl. einer Betriebskostenpauschale
von 180 € vereinbart. Die Wohnungsgröße ist im Mietvertrag mit "ca. 120
m²" angegeben. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die
Wohnfläche der Innenräume 90,11 m² beträgt. Zu der Wohnung gehören zwei
Dachterrassen mit Grundfläche von 25,20 m² und von 20 m². Die Beklagte
ist der Auffassung, dass die Fläche der Dachterrassen nur zu jeweils ¼
anzurechnen sei, so dass die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 %
von der vereinbarten Wohnfläche abweiche und sie aus diesem Grund die
Miete rückwirkend um 182,78 € monatlich mindern könne. Sie hat deshalb
einen Betrag von 3.488,34 € einbehalten. Mit der Klage nimmt der Kläger
die Beklagte auf Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen in Anspruch. Das
Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die
Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hatte Erfolg.
Sie führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des
Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt eine Abweichung
der tatsächlich vorhandenen von der vereinbarten Wohnfläche um mehr als
10 % einen erheblichen Mangel der Mietsache dar, die den Mieter zu
einer entsprechenden Mietminderung berechtigt. Dabei ist der Begriff
"Wohnfläche" im Wohnraummietrecht auch bei frei finanziertem Wohnraum
grundsätzlich anhand der für preisgebundenen Wohnraum geltenden
Bestimmungen auszulegen. Dementsprechend ist die Wohnfläche für
Mietverhältnisse aus der Zeit vor dem 1. Januar 2004 aufgrund der bis
zum 31. Dezember 2003 anwendbaren §§ 42 bis 44 der Zweiten
Berechnungsverordnung (II. BV), für Mietverhältnisse jüngeren Datums
nach der ab dem 1. Januar 2004 geltenden Wohnflächenverordnung (WoFlV)
zu ermitteln. Das gilt nur dann nicht, wenn die Parteien dem Begriff
der Wohnfläche im Einzelfall eine abweichende Bedeutung beigemessen
haben oder wenn ein anderer Berechnungsmodus vereinbart oder ortsüblich
ist oder nach der Art der Wohnung näher liegt.
Nach der Auffassung des Berufungsgerichts sind mangels abweichender
Vereinbarung der Parteien für die Berechnung der Wohnfläche der
Mietwohnung der Beklagten die "allgemeinen Regeln" - des § 44 Abs. 2
II.BV, des § 4 Nr. 4 WoFlV und der DIN 283 - anzuwenden. Diese sehen
für die Anrechnung von Außenflächen (Balkonen, Loggien und
Dachterrassen) unterschiedliche Anrechnungsquoten vor. Während die DIN
283 eine starre Anrechnung zu ¼ vorschreibt, lässt § 44 Abs. 2 II. BV
eine Anrechnung bis zur Hälfte zu. Nach § 4 Nr. 4 WoFlV sind solche
Flächen höchstens zur Hälfte, in der Regel aber mit ¼ anzurechnen.
Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Anrechnung im
vorliegenden Fall nach der DIN 283 oder nach § 44 Abs. 2 II. BV (§ 4
Abs. 4 WoFlV ist auf den Mietvertrag aus dem Jahr 2003 aus zeitlichen
Gründen nicht anwendbar) zu erfolgen hat. Es hat dies damit begründet,
dass auch nach § 44 Abs. 2 II. BV die Anrechnungsquote nur ¼ betrage,
wenn der Vermieter den Mieter nicht bei Vertragsabschluss darauf
hingewiesen habe, dass er Außenflächen mit einem "überdurchschnittlich
hohen" Prozentsatz von mehr als 25 % angesetzt habe.
Dieser Auffassung ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Einen
Mittel- oder Regelwert der Anrechnung von ¼ nennt § 44 Abs. 2 II. BV -
anders als § 4 Abs. 4 WoFlV - nicht. Die Bestimmung überlässt es
vielmehr dem Bauherrn, die für ihn unter dem Gesichtspunkt der
Wohnungsbauförderung günstigste Anrechnungsquote bis zur Hälfte zu
wählen.
Dieser dem Bauherrn vom Gesetz bewusst eingeräumte Spielraum kann bei
der Ermittlung der Wohnfläche nach dem Maßstab des § 44 Abs. 2 II. BV
auch dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn es wie im vorliegenden
Fall um die Frage einer möglichen Wohnflächenabweichung als Mangel der
Mietsache geht. Denn dies hätte zur Folge, dass Vermieter unter
Umständen erhebliche Mietminderungen wegen Wohnflächenabweichung
hinnehmen müssten, obwohl die im Mietvertrag angegebene Wohnfläche nach
Maßgabe des § 44 Abs. 2 II. BV zulässigerweise unter Anrechnung von
Balkon- und Terrassenflächen bis zur Hälfte errechnet worden ist. Ein
solches Ergebnis erscheint nicht hinnehmbar. Es hat deshalb -
vorbehaltlich abweichender Parteivereinbarung oder örtlicher
Verkehrssitte - dabei zu bewenden, dass bei Wohnflächenberechnungen
nach Maßgabe des § 44 Abs. 2 II. BV die Grundfläche einer Dachterrasse
bis zur Hälfte anzurechnen ist.
Die Anrechnung der Dachterrassenflächen auf die Gesamtwohnfläche der
Mietwohnung der Beklagten ist allerdings dann auf ¼ begrenzt, wenn es
zutrifft, dass die Anrechnung zu ¼ der in Köln ortsüblichen
Verkehrssitte entspricht, wie die Beklagte in den Tatsacheninstanzen
vorgetragen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haben
ortsübliche Berechnungsweisen mangels abweichender Parteivereinbarung
Vorrang. Das Berufungsgericht, das eine Begrenzung der Anrechnung auf ¼
schon aus anderen Gründen für geboten erachtet hat, wird daher nunmehr
festzustellen haben, ob eine dahingehende ortsübliche Verkehrssitte
hinsichtlich der Anrechnung von Terrassenflächen besteht.
Urteil vom 22. April 2009 - VIII ZR 86/08
AG Köln - Urteil vom 11. November 2005 - 208 C 393/05
LG Köln - Urteil vom 5. März 2008 - 10 S 327/05
Quelle: Bundesgerichtshof