Vorsicht bei "Zahlungsaufforderungen" aus Italien
Archivmeldung vom 04.08.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas sogenannte EU-Knöllchen für Verkehrssünder treibt erste Blüten. Wer in diesen Tagen hierzulande Post von einer italienischen Kommune zugestellt bekommt, sollte sie jedenfalls sehr genau studieren und im Zweifel eine versierte Rechtsberatung in Anspruch nehmen. Das rät der ACE Auto Club Europa, der jetzt auf eine „bemerkenswert charmante Methode“ der Länder übergreifenden Bußgeldvollstreckung aufmerksam gemacht hat.
Laut ACE vermitteln die fraglichen Schreiben aus Italien zunächst den Eindruck, es handele sich hierbei um regelgerechte Zahlungsaufforderungen. Sie werden etwa wegen einer mutmaßlichen „Übertretung der italienischen Straßenverkehrsordnung“ ausgestellt. Doch die entscheidenden rechtlichen Fakten stecken im Kleingedruckten des vermeintlichen Bußgeldbescheids. Danach wird die verlangte Zahlung in das freie Ermessen des angeblichen Verkehrssünders gestellt, verbunden mit der Offerte, sich doch gütig zu einigen. Der ACE rät daher davon ab, ohne weiteres gleich eine Überweisung vorzunehmen.
Bei den zur Last gelegten Delikten kann es sich dem ACE-Bericht zufolge auch schon um etwas länger zurückliegende Begebenheiten handeln. Die mit einer Zahlungsaufforderung versehenen und in Italien abgestempelten Schriftstücke sind nach Darstellung des Autoclubs in nahezu fehlerfreiem deutsch abgefasst. Wie in einem deutschen Bußgeldbescheid auch werden alle relevanten Daten unter Hinweis auf Auskünfte des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) in Flensburg aufgeführt. Zugleich wird dem in Deutschland gemeldeten Kraftfahrer von der italienischen Behörde unmissverständlich klar gemacht, dass ihm samt Fahrzeug ein „verwaltungsrechtlicher Bußgeldbescheid“ auferlegt wurde.
In einem durch Rahmen hervorgehobenen Kasten wird in dem fraglichen Schreiben das auferlegte „Bußgeld“ nebst Verfahrenskosten beziffert und die fällige Überweisung der Geldstrafe wird auch mit einer Zahlungsfrist versehen.
Aufgeführt sind ferner Empfehlungen zur Entrichtung des Bußgeldes; danach sollten Geldtransfers beispielsweise per Kreditkarte oder Banküberweisung vorgenommen werden. In der amtlichen Korrespondenz fehlt auch nicht die übliche Aufforderung, im Fall einer Stellungnahme das Aktenzeichen anzugeben. Damit –so der ACE- sollte für jeden klar sein, wie ernst er die Sache zu nehmen hat.
Deshalb wird auch kaum ein Empfänger des beschriebenen italienischen Bußgeldbescheids zögern, der Zahlungsaufforderung umgehend nachzukommen, vermutet der Autoclub. Schließlich ist allen Verkehrsteilnehmern inzwischen bekannt, dass die meisten EU-Staaten gegenseitige Vollstreckungshilfe bei Bußgeldern vereinbart haben.
Wenn auf diese Weise alles so klar geregelt ist und wenn dem mutmaßlichen Verkehrssünder in derart gut gesetztem Amtsdeutsch eine unabdingbare Zahlungspflicht vor Augen geführt wird, dann erscheint eine Zahlungsverweigerung doch von vornherein zwecklos.
Aus Sicht des ACE ist es aber sinnvoll und geboten, sich eingehend auch mit dem Kleingedruckten in dem amtlichen Bescheid aus Italien zu befassen. Dort und gut verborgen erst ganz am Schluss findet sich denn auch ein Hinweis mit folgendem Wortlaut:
„Die kommunale Polizei hat Nivi Credit S.r.L. Div. European Municipality Outsourcing, Firenze – Italien, damit beauftragt die Durchführung aller entstehenden Tätigkeiten bezüglich Ihrer Akte zu übernehmen (Sondervollmachtsurkunde): PROCURA SPECIALE. Die vorliegende Zahlungsaufforderung stellt noch keine amtliche Zustellung (Protokollbescheid) dar, deshalb liegt es im Ermessen des Empfängers, ob er in gütiger Einigung eine Zahlung durchführen möchte“.
Fazit des ACE: Es geht hier gar nicht um ein reguläres Bußgeld und ein Grenzen überschreitendes Vollstreckungsverfahren gemäß EU-Vereinbarung, sondern um die möglichst schnelle und problemlose Beitreibung von Geldstrafen durch ein Bank-und/oder Kreditunternehmen. Der Club vermutet, dass mittels dieser Methode der im Einzelfall aufwendige Rechtsweg eines formellen Vollstreckungsersuchens unterlaufen werden soll.
Deshalb haben sich italienische Behörden auch die Mühe einer peniblen Verdeutschung der „Zahlungsaufforderung“ gemacht.
Die Juristen der ACE-Verkehrsrechtsabteilung sind gespannt, was sich die übrigen 26 EU-Staaten jetzt einfallen lassen werden, um unter Umgehung von Rechtswegen an ihre Bußgelder zu gelangen. Der Trickserei sind nach Einschätzung des Autoclubs jedenfalls Tür und Tor geöffnet.
Quelle: ACE Auto Club Europa