LG Hamburg: 50 Abmahnungen in 3 Jahren "bei weitem" noch nicht rechtsmissbräuchlich
Archivmeldung vom 04.01.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas LG Hamburg beschäftigte sich in einem aktuellen Urteil mit der Frage, ob 50 Abmahnungen durch einen Händler in drei Jahren den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs rechtfertigen. Dies sei jedoch „bei weitem nicht" der Fall, so das LG Hamburg.
Zunächst stellte das LG Hamburg (Urteil vom 29.11.07, Az. 315 = 347/07) klar, dass das Vorliegen eines Missbrauchs unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des einzelnen Falles zu beurteilen sei. So liege ein Missbrauch etwa vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nich schützwürdige Interessen und Motive verfolge und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen.
Hinweis: Als typischen Beispielfall nennt das Gesetz etwa die Geltendmachung eines Anspruchs, der vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Davon ist wiederum auszugehen, wenn sich die Abmahntätigkeit verselbstständigt, d.h. in keinem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Geschäftstätigkeit steht und bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse bestehen kann.
Im vorliegenden Fall urteilte das Gericht nun, dass der Beklagte nicht hinreichend vorgetragen habe, dass ein krasses Missverhältnis zwischen der geschäftlichen Tätigkeit des Klägers und der von ihm entfalteten Abmahntätigkeit bestehe. So habe der Kläger vorgetragen, dass er monatlich ca. 250.000, -- € mit dem Verkauf von Computerhardware umsetzt und regelmäßig mehrere hundert Gegenstände gleichzeitig zur Auktion einstellt. Gemessen an dieser geschäftlichen Tätigkeit seien die von dem Beklagten vorgetragenen 50 Verfahren gleicher Art in den letzten 3 Jahren bei weitem nicht geeignet, den Anschein zu erwecken, ein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse des Antragsstellers an der Rechtsverfolgung stehe weit im Hintergrund, die Abmahntätigkeit habe sich verselbständigt.
Es sei bei der Bewertung des Vorwurfs des Rechtsmissbrauchs im Übrigen zu berücksichtigen, dass Abmahntätigkeit systemimmanent und wettbewerbskonform ist. Denn die Einhaltung der für alle Wettbewerber geltenden Regeln, insbesondere der Regeln mit verbraucherschützerischen Inhalten wie die Preisangabenverordnung werde nicht von Ordnungsbehörden überwacht; vielmehr seien es die Wettbewerber, die sich wechselseitig überwachen.
Dementsprechend sei es im Wesentlichen die Abmahntätigkeit der Wettbewerber, die die Einhaltung der Regeln gewährleisteten. Vor diesem Hintergrund lägen die Anforderungen, die an den erfolgreichen Einwand des Rechtsmissbrauchs zu stellen sind, hoch. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund seien die von dem Beklagten vorgetragenen 50 Verfahren gleicher Art, die der Kläger in den letzten 3 Jahren geführt hat, bei weitem nicht gerechtfertigt, den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu rechtfertigen.
Fazit:
Der Umstand, dass die Abmahnkosten vom Abgemahnten zu erstatten sind, schuf für viele unseriöse Gewerbetreibende und "Abmahnvereine" Anreize, sich mittels der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen neue Einnahmequellen zu erschließen. Dies erkannte auch der Gesetzgeber, so dass im Jahre 2004 der § 8 IV UWG in Kraft trat. Dieser soll die von einer Abmahnung oder Klage Betroffenen und mittelbar auch die Gerichte vor missbräuchlicher Inanspruchnahme schützen.
Das LG Hamburg stellte nun klar, dass jedenfalls 50 Verfahren gleicher Art noch längst nicht in der Regel die Annahme eines Rechtsmissbrauchs rechtfertigen könnten.
Im Folgenden veröffentlicht die IT-Recht Kanzlei nun eine kleine (und bei weitem nicht abschließende) Übersicht, in welchen Fällen das Vorliegen eines Missbrauchs zu bejahen sein könnte:
Ein Anwalt betreibt ein (grds erlaubtes) Nebengewerbe und nimmt dies zum Anlass einer eigenen umfangreichen Abmahntätigkeit (KG GRUR-RR 2004, 335).
Der beauftragte Anwalt betreibt das Abmahngeschäft in Eigenregie und ermittelt insbesondere selbst die Wettbewerbsverstöße (OLG Käln, GRUR 1993, 571).
Der beauftragte Anwalt stellt der Auftraggeber vom Kostenrisiko ganz oder teilweise frei (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2007, 56, 57).
Dem Anspruchsberechtigten geht es in erster Linie darum, den Verletzer mit Kosten und Risiken zu belasten und seine personellen und finanziellen Kräfte zu binden (BGH GRUR 2001, 78,79).
Die Abmahnung ist lediglich von der Absicht getragen, den Verletzer im Wettbewerb zu behindern. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Anspruchsberechtigte die ihm eröffneten Verbotsmöglichkeiten nicht voll ausschöpft, sondern ohne sachlichen Grund sukzessive gegen den Verletzer vorgeht (vgl. OLG Hamburg, GRUR 1989, 133).
Quelle: IT-Recht-Kanzlei