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Kein Anspruch Berlins auf Neuregelung der Rückübertragung von Grundstücken ehemaligen Reichsvermögens

Archivmeldung vom 08.02.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.02.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Das Deutsche Reich hatte von den Ländern und Gemeinden Grundstücke unentgeltlich oder zu einem symbolischen Preis übernommen, um diese militärisch zu nutzen.

Mit Inkrafttreten des Grundgesetzes wurde das gesamte Reichsvermögen Bundesvermögen (Art. 134 Abs. 1 GG). Art. 134 Abs. 3 GG hingegen bestimmt, dass Vermögen, das dem Reich von den Ländern und Gemeinden unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde, wiederum Vermögen der Länder und Gemeinden wird, soweit es nicht der Bund für eigene Verwaltungsaufgaben benötigt. Das Reichsvermögen-Gesetz von 1961 (RVermG) regelt in § 5 die Einzelheiten des Umgangs mit diesem sog. Rückfallvermögen. Danach ist die Rückübertragung auf den ursprünglichen Eigentümer als Grundsatz, die Berücksichtigung von Bundesbedarf dagegen als Ausnahme vorgesehen. Für die Geltendmachung des Rückfallrechts durch das Land oder die Gemeinde ist eine Ausschlussfrist von einem Jahr nach Inkrafttreten des Reichsvermögen-Gesetzes festgelegt. Der Gesetzgeber hat eine Berlin-Klausel eingefügt, wonach das Reichsvermögen-Gesetz auch nach Berlin übernommen werden sollte. Die Regelung des § 5 RVermG sollte jedoch in Berlin (West) nicht gelten; insoweit blieb in § 19 Abs. 1 RVermG eine besondere Regelung vorbehalten. Bei Erlass des Gesetzes war noch nicht absehbar, dass das Reichsvermögen-Gesetz nicht nach Berlin (West) übernommen werden konnte, weil die Alliierte Kommandantur in Berlin hiergegen Einspruch erhob. Geltung erlangte das Reichsvermögen-Gesetz im vormaligen Westteil des Landes Berlin erst nach Wegfall der alliierten Vorbehaltsrechte aufgrund des am 3. Oktober 1990 in Kraft getretenen Sechsten Überleitungsgesetzes.

Das Land Berlin beansprucht als Rückfallvermögen in Berlin (West) gelegene Grundstücke mit einer Gesamtfläche von ungefähr 6,8 Mio. qm im Gesamtwert von 226 Mio. Euro, darunter Flächen der Flughäfen Tegel und Tempelhof, sowie 52 Mio. Euro, die der Bund aus dem Verkauf von Rückfallvermögen erzielt habe. Der Bund ist der Ansicht, die Ansprüche Berlins seien erloschen, da die Jahresfrist zur Geltendmachung der Rückfallansprüche abgelaufen sei.

Der Normenkontrollantrag des Senats von Berlin, mit dem die Feststellung begehrt wurde, dass der Gesetzgeber für den vormaligen Westteil des Landes Berlin eine Rückfallregelung bislang nicht in Kraft gesetzt hat, hatte keinen Erfolg. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass mit dem Sechsten Überleitungsgesetz das gesamte Reichsvermögen-Gesetz unter Einschluss der Rückfallregelung des § 5 RVermG nach Berlin (West) übergeleitet worden und seit dem 3. Oktober 1990 in Berlin (West) anwendbar ist. § 5 RVermG ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:  I. Durch das Sechste Überleitungsgesetz ist das Reichsvermögen-Gesetz  am 3. Oktober 1990 nach Berlin (West) übergeleitet worden. Damit ist zugleich die Rückfallregelung des § 5 RVermG in Berlin in Kraft gesetzt worden. Es bedurfte hierzu keiner spezifizierten Gesetzgebung im Hinblick auf den Berlin-Vorbehalt in § 19 Abs. 1 RVermG.

Der Gesetzgeber hat bei Erlass des Reichsvermögen-Gesetzes zum Ausdruck gebracht, dass ein Rückfallverfahren in Berlin erst dann ermöglicht werden soll, wenn der Bundesbedarf am Rückfallvermögen überschaubar und entscheidbar ist. Da dies Anfang der sechziger Jahre nicht der Fall war, hätte das Rückfallverfahren, so wie es in § 5 RVermG vorgesehen ist, nicht sinnvoll durchgeführt werden können. Dem Gesetzgeber ging es mit der Formulierung des Berlin-Vorbehalts in § 19 Abs. 1 RVermG allein um eine zeitlich begrenzte Suspendierung von § 5 RVermG. Es bestehen hingegen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber für das Rückfallverfahren in Berlin (West) an eine inhaltlich von § 5 RVermG abweichende Regelung gedacht haben könnte.

Der Aufschub der Zuordnung des Rückfallvermögens in Berlin (West) findet seinen weiteren Grund in den besonderen rechtlichen Verhältnissen, die in den Westsektoren Berlins herrschten. Die drei westlichen Besatzungsmächte hatten mit der Genehmigung des Grundgesetzes ihre Vorbehaltsrechte festgelegt. Zu den erklärten Vorbehalten gehörte, dass Berlin nicht vom Bund regiert wird. Eine unmittelbare organisatorische Einbeziehung Berlins in die Bundesrepublik Deutschland sollte mit Rücksicht auf die fortdauernde internationale Spannung vorerst aufgeschoben werden. Vor diesem Hintergrund war die Vermögenszuordnung nach Art. 134 Abs. 3 GG in erhöhtem Maße der Gefahr einer Ablehnung seitens der Alliierten ausgesetzt. Das Rückfallverfahren schließt die Möglichkeit ein, dass der Bund Vermögensgegenstände für sich beansprucht, die er für eigene Verwaltungsaufgaben benötigt. In derartigen Vorgängen konnte die Ausübung von Regierungsgewalt gesehen werden, die dem Bund in Berlin nicht zustand. § 19 RVermG schließt diesbezügliche Konflikte aus und ist daher auch als Maßnahme des Gesetzgebers zu verstehen, die Zustimmung der westlichen Alliierten zum Reichsvermögen-Gesetz im Übrigen sicherzustellen.

II. Gegen § 5 RVermG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber hatte insbesondere keinen Anlass, die Voraussetzungen eines Vermögensrückfalls für den vormaligen Westteil Berlins anders als im übrigen Bundesgebiet auszugestalten. Mit dem Sechsten Überleitungsgesetz wurde insoweit die rechtliche Gleichstellung Berlins bewirkt. Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in § 5 RVermG geregelten Ausschlussfristen. Durch die Jahresfrist für die Geltendmachung des Rückfallrechts wird sichergestellt, dass die Rechtsverhältnisse in überschaubarer Zeit geklärt werden und nicht viele Jahre in der Schwebe bleiben. Nach dem Wortlaut von § 5 RVermG beginnt die Jahresfrist mit Inkrafttreten dieses Gesetzes. Entsprechend der Absicht des Gesetzgebers, das Land Berlin rechtlich mit dem übrigen Bundesgebiet gleichzustellen, ist die Ausschlussfrist dahin zu verstehen, dass sie sich in Berlin (West) auf den Zeitpunkt der dortigen Inkraftsetzung der Norm am 3. Oktober 1990 bezieht.

Quelle: Bundesverfassungsgericht

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