Kinder von Hartz-IV-Empfängern haben keinen Anspruch auf Geld für Schul-Essen
Archivmeldung vom 03.09.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.09.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Oliver RandakImmer mehr Menschen in Deutschland leben von HartzIV (auch ALGII genannt). Sie müssen mit Geldbeträgen zwischen 308 und 370 Euro (zuzüglich Wohngeld) pro Kopf monatlich auskommen. Allein in Berlin bekommen 436330 Menschen Leistungen nach HartzIV – das sind knapp eine halbe Million.
Nicht weniger schnell wächst die Zahl der Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide. 50000 Berliner gehen bereits gerichtlich dagegen vor. In Berlin sind bisher 85 Sozialrichter tätig. Ihre Zahl soll wegen der Klageflut jetzt um 40 aufgestockt werden. Viele Betroffene beschäftigen Fragen wie: Darf ich mein Haustier behalten? Bekomme ich mehr Geld, weil ich an Diabetes leide? Muss ich in eine kleinere Wohnung ziehen? Fast ein Drittel aller Klagen hat Erfolg. Die B.Z. hat die wichtigsten 50 Urteile herausgesucht. Doch alle diese Urteile gelten nicht automatisch auch für den nächsten Fall. Sie liefern nur Anhaltspunkte und Empfehlungen. Sein Recht einklagen muss jeder selbst.
1- Nur 30 Stunden 1-Euro-Job erlaubt
Ein-Euro-Jobs von 30 Wochenstunden und mehr sind nicht zulässig (Landessozialgericht Bayern, LS 7 AS 199/06 vom 29.6.2007).
2 - Amt erstattet Fahrkosten
Die Agentur für Arbeit muss die Fahrkosten erstatten, die bei Besuchen der Agentur entstehen. Es gibt keine „Bagatellgrenze“ bis sechs Euro, die selber zu tragen ist (BGS B 14/7b AS 50/06 R).
3 - Erbschaft auf zwölf Monate verteilt
Das Einkommen aus einer Erbschaft wird auf einen Zeitraum von zwölf Monaten verteilt (LSG NSB/L 13 AS 237/07 ER).
4 - Wasserkosten übernimmt das Amt
Das Amt muss Hartz-IV-Empfängern Wassergeld bis zu einem Tagesverbrauch von 108,5 Litern pro Person zahlen (SG Gießen, Urteil vom 7.11.2006, S 25 AS 420/05).
5 - Haftpflicht- und Hausrat-Versicherung anrechnen
Wer ALGII bezieht, kann bei der zuständigen ARGE die Kosten für eine private Haftpflicht- und Hausratversicherung geltend machen. Kosten von bis zu 55 Euro jährlich für eine private Haftpflicht- sowie 80 Euro für eine Hausrat-Versicherung muss das Sozialamt zahlen. (Sozialgericht Düsseldorf AZ S 29 SO 49/06-1/08).
6 - Kinderbett gratis
Junge Mütter, die ALG II beziehen, haben Anspruch auf ein (gebrauchtes) Kinderbett (LSG NRW AZ L B 20 B 93/06 AS ER).
7 - Überbrückungsgeld gilt nicht als Vermögen
Überbrückungsgeld darf nicht als Vermögen bei Hartz IV angerechnet werden (BGS B 14/11b AS 17/07 R).
8 - WG ist keine eheähnliche Gemeinschaft
ALG-II-Empfängern darf nicht einfach das Geld gestrichen werden, wenn sie mit jemandem zusammen wohnen. Weder gemeinsames Kochen, Putzen, Waschen und einkaufen noch eine sexuelle Beziehung sind hinreichende Kriterien, um von einer eheähnlichen Gemeinschaft zu sprechen. Dafür muss eine ernsthafte, auf Dauer angelegte Beziehung vorliegen, bei der das gegenseitige Einstehen der Partner füreinander erwartet werden könne (LSG Hessen AZ L 7 As 23/06 ER).
9 - Bekleidungspauschale für Schwangere
Schwangere können eine einmalige Schwangerschaftspauschale (vor allem für Bekleidung) zusätzlich zu den ALG-II-Leistungen beantragen. (SG Wiesbaden vom 19.10.2006 AZ 12 S 427/06 ER)
10 - Amt darf nicht spionieren
Außendienstmitarbeiter von Behörden dürfen aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Bespitzelungen von ALG-II-Empfängern durchführen. Insbesondere dürfen keine Nachbarn oder Dritte befragt werden (SG Düsseldorf AZ 35 343/05 ER).
11 - Bedarfsgemeinschaft nicht zwangsläufig gegeben
Leben zwei unverheiratete Hartz-IV-Empfänger zusammen, so müssen ihre Ex-Ehepartner sie trotzdem finanziell unterstützen, weil zwei Menschen, die zusammenleben, nicht automatisch eine sogenannte Bedarfsgemeinschaft bilden. (SG Düsseldorf AZ S 35 SO 28/05).
12 - Zu viel Geld vom Amt – behalten!
Hartz-IV-Empfänger müssen fälschlicherweise zu viel gezahltes Geld nicht an die Arbeitsagenturen und Kommunen zurückzahlen. Die Arbeitsförderung Kassel hatte von einem Arbeitslosen 1500 Euro zurückfordern wollen. Dies ist aber nur dann möglich, wenn es sich um Täuschung, Drohung oder Bestechung handelt. (LSG Hessen, SG Stuttgart AZ 15 AS 2965/06).
13 - Zinsen werden angerechnet
ALG-II-Empfänger müssen Zinseinträge auf ihre finanziellen Leistungen anrechnen lassen (Bundessozialgericht B 11 AL 15/01 R).
14 - Mehr Geld bei Diät
ALG-II-Empfänger haben Anspruch auf 33 Euro monatlich mehr, wenn ihnen vom Arzt eine Diät (z.B. purinarme Kost) verordnet wurde (SG Dresden AS 2033/08 ER).
15 - Eigentumswohnung nicht verkaufen
Vier Personen dürfen in einer 120 Quadratmeter großen Eigentumswohnung bleiben. Für jede Person weniger werden 20 Quadratmeter abgezogen. Allerdings: Auch eine einzelne Person darf ein 80-Quadratmeter-Eigenheim behalten (BSG Kassel 7.11. 2006 B 7b AS 2/05 R und 16.5.2007 B 11b AS 37/06 R).
16 - Chronisch Kranke müssen bei Medikamenten zuzahlen
ALG-II-Empfänger sind nicht zwangsläufig von allen Zuzahlungen zu Medikamenten befreit. Auch dann nicht, wenn sie an chronischen Erkrankungen leiden und lebenslang auf Medikamente angewiesen sind. (BSG 22.4.2008 B1 KR 10/07 R und B1 KR 20/07 R)
17 - Quadratmeter-Grenze bei Mietwohnungen unzulässig
Die Faustregel zur Berechnung von Wohnflächen für Hartz-IV-Bezieher „45 Quadratmeter für die erste Person und je 15 Quadratmeter für alle weiteren Personen“ ist unzulässig. Grund: Die Verhältnisse am Wohnort müssen berücksichtigt werden. (BSG Kassel 7.11.2006 B 7b AS 120/06 R und B 7b AS 18/06 R, 19.3.2008 B 11b AS 43/06 R, 18.6.2008 B 14/ 7b AS 44/06 R).
18 - Kein Zuschuss für Schulessen
Kinder von Hartz-IV-Empfängern haben keinen Anspruch auf finanzielle Leistungen für das tägliche Schulessen. Behinderte Kinder könnten aber eventuell einen Anspruch über das zuständige Sozialamt erwirken (BSG 25.6.2008 B 11b AS 19/07 R).
19 - Keine Beratung bei Umzug
Bei einem Wohnungswechsel von Hartz-IV-Empfängern ist die ARGE nicht zu einer umfassenden Beratung und Aufklärung bei der Suche nach einer angemessenen Unterkunft verpflichtet. (BSG 27.2.2008 B 14/ 7b AS 70/06 R und vom 19.3.2008 B 11b AS 43/06 R und 31.10.2007 B 14/11b AS 63/06 R).
20 - Umzug ohne Zustimmung möglich
Hartz-IV-Bezieher dürfen ohne Zustimmung vom Amt umziehen (LSG NRW 29.6.2006 KdU).
21 - Auto muss nicht verkauft werden
Arbeitslose dürfen ihr Auto behalten – sofern es nicht mehr als 7500 Euro wert ist. Erst dann wird es als Vermögen auf das ArbeitslosengeldII angerechnet. Im konkreten Fall hielt die ARGE sogar nur ein Fahrzeug mit einem Wert von 5000 Euro für angemessen (BSG Kassel, AZ B 14/7b AS 66/06 R).
22 - Garage wird nicht gezahlt
Die Kosten für eine Auto-Garage werden Hartz-IV-Empfängern nicht bezahlt (LSG Bayern 18.06.2008 AZ L 11 AS 150/07).
23 - Obergrenze für Altersvorsorge
Altersvorsorge bis 100000 Euro sind vor dem Sozialamt sicher (BGH 30.8.2006 AZ XII ZR 98/04).
24 - Kosten für Kinder selbst tragen
Kosten, die durch Ausübung des Umgangsrechts mit leiblichen Kindern entstehen, hat der Umgangsberechtigte zu tragen (VG Schleswig 13.6.2002 10 A 37/01 – NJW 2003,79).
25 - Kontoauszug ist Beweismittel
Wenn ein begründeter Verdacht auf Leistungsmissbrauch besteht, reicht als Beweis die Vorlage von Kontoauszügen (SG Detmold AZ S 21 AS 133/06 ER 7.9.2006).
26 - Kosten für Klassenfahrten werden erstattet
Die Kosten für Kindergarten-Abschlussfahrten werden nicht übernommen, aber die Kosten für Klassenfahrten werden erstattet (SG Halle S 2 AS 1367/07).
27 - Amt zahlt keine Schulden
Schulden, die ALG-II-Empfänger machen, müssen sie selber tilgen (SG Berlin AZ S 63 AS 5211/07 ER).
28 - Gratis Essen bei Muttern
Verpflegung, die ein Hartz-IV-Empfänger bei seinen Eltern bekommt, dürfen nicht als Einkommen berücksichtigt werden (BSG vom 18.6.2008 AZ 14 AS 46/07 R).
29 - Autokauf absetzbar
Für den Kauf eines Autos bekommen ALG-II-Empfänger eigentlich keine Unterstützung (LSG Hessen vom 11.2.2007 AZ L 9 AS 213/06 ER). Bei beruflich begründetem Kauf kann man es aber absetzen (LSG Hessen vom 12.7.2007 L9 AS 69/06 ER).
30 - Bei Krankheit immer versichert
Auch nach Einstellung der ALG-II-Leistungen besteht die gesetzliche Krankenversicherung für akute Erkrankungen (LSG NRW vom 13.9.2007 AZ 171/07 AS ER).
31 - Pendlerpauschale auch für Hartz-IV-Empfänger
Es können Hin- und Rückfahrten fahrtengenau abgesetzt werden (SG Lüneburg vom 12.1.2007 AZ S 24 AS 1302/06 ER).
32 - Kindergeld zusätzlich einfordern!
Verdient ein Kind im Jahr nicht mehr als 7680 Euro haben die Eltern Anspruch aufs Kindergeld (BFH III R 15/06).
33 - Geld für Wohnungs-Einrichtung
Für alleinstehende ALG-II-Empfänger reichen 1100 Euro aus, um sich für eine Wohnung Möbel, Hausrat und Haushaltsgeräte anzuschaffen (LSG Sachsen-Anhalt vom 14.2.2007 L 2 B 261/06 AS ER).
34 - Teppich nur bei Krabbelkindern
Eine Klage auf Kostenübernahme für einen Teppich ist erfolglos geblieben. Nur aus besonderen Gründen kann ein Teppich zur notwendigen Wohnungsausstattung gezählt werden. Dies wäre der Fall, wenn Kinder im Krabbelalter im Haushalt leben (SG Hamburg, Juli 2007 AZ S 56 AS 1219/07 ER).
35 - Angemessene Bestattung ist Pflicht
Wenn es keine näher stehenden Verwandten gibt, ist die Kommune verpflichtet, eine angemessene Bestattung für den Hartz-IV-Empfänger zu organisieren. (SG Düsseldorf AZ S 35 SO 12/06)
36 - Mehr Geld für Alleinerziehende
Menschen, die von ALGII leben und dazu allein eines oder mehrere Kinder großziehen, haben einen Anspruch auf Mehrbedarf, der sich je nach Situation staffelt (SG Münster AZ S 16 AS 199/06).
37 - Richtig Widerspruch einlegen!
Zum Widerspruch gegenüber der ARGE reicht keine E-Mail, dazu ist ein Brief, am besten mit Einschreiben, nötig (LSG Hessen 5.8.2007 AZ L 9 AS 161/07).
38 - Kein Anspruch auf Haushaltshilfe
ALG-II-Empfänger haben keinen Anspruch auf eine Haushaltshilfe. (BSG B 8/9b SO 12/06 R)
39 - Kürzung bei Bummelei
Bei versäumten Terminen in der Arbeitsagentur droht ein Kürzung von zehn Prozent der Leistungen für Hartz-IV-Empfänger (SG Darmstadt AZ L 6 AS 279/07 ER).
40 - Krankenhausgeld zählt nicht
Krankenhausgeld ist nicht als Einkommen von ALG-II-Empfängern zu berücksichtigen (SG Dortmund 26.9.2007 S 22, 31, 48 AS 532/05).
41 - Keine größere Wohnung wegen Haustieren
Hartz-IV-Empfänger haben keinen Anspruch auf Mehrleistungen, wenn sie sich Tiere halten. Auch eine größere Wohnung wird vom Amt aus diesem Grund nicht bezahlt (SZ Dessau AZ A 4 AS 652/08).
42 - Heizkosten werden übernommen
Die ARGE muss die Heizkosten der örtlichen Energieversorger bezahlen (LSG NRW AZ L 1 B 49/06 AS).
43 - Vermögen des Partners
Einkommen und Vermögen des Partners dürfen erst auf Hartz-IV-Leistungen angerechnet werden, wenn das Paar mindestens ein Jahr zusammenlebt (LSG Hamburg AZ L 5 B 21/07 ER AS).
44 - Keine Abstriche bei Reha
Die Arbeitsagentur darf keine Verpflegungsleistungen kürzen, weil ein ALG-II-Empfänger in der Reha ist (LSG Rheinland-Pfalz L 3 ER 144/07).
45 - Kein Zuschuss für Brille
Für Hartz-IV-Empfänger gibt es keinen Zuschuss für eine Brille. Diese muss vom Regelsatz bezahlt werden (OVG Bremen 20.6.2007 AZ S 19 AS 238/06).
46 - Bei Betrug: Knast
Bei vorsätzlichem Verstoß gegen die Meldepflicht und Weiterbezug der Sozialleistungen, trotz eines Jobs, drohen Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren. Ein 46-Jähriger ist wegen Erschleichens sozialer Leistungen zu acht Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden. Er hatte zwei Jahre als Chatmoderator gearbeitet und diese Tätigkeit der Arbeitsagentur verschwiegen. Den Schaden, 15500 Euro, muss der Mann zurückzahlen (Amtsgericht Bernau).
47 - Kein Extra-Geld für Lernmittel
Für die Beschaffung von Lernmitteln gibt es kein Extrageld. Dies ist in den Regelleistungen von Hartz IV bereits enthalten (SG Hannover AZ S 46 AS 431/05 ER).
48 - Diabetiker ohne Zuschuss
Hartz-IV-Empfänger, die an Diabetes leiden, haben keinen Anspruch auf Mehrbedarf für spezielle Kost (SG Dresden AZ S 23 AS 1372/06 ER).
49 - Darlehen bei Stromschulden
Hat ein ALG-II-Empfänger Schulden bei einem Energieversorger und der droht ihm, den Strom abzuklemmen, so muss ihm die ARGE ein Darlehen geben.
50 - Eigenheim-Zulage kein Einkommen
Die Eigenheim-Zulage darf beim Arbeitslosengeld II nicht als Einkommen angerechnet werden. Aber nur, wenn das Geld nachweislich zum Bau oder zur Anschaffung eines Eigenheimes verwendet wird (LSG Niedersachsen-Bremen AZ L 8 AS 39/05 ER).