OLG Hamburg stiftet weitere Verwirrung im Punkto Wertersatzklausel bei eBay
Archivmeldung vom 09.07.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.07.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Jens BrehlMit Beschluss vom 19.06.2007 (Az. 5 W 92/07) hat das Hanseatische Oberlandesgericht entschieden, dass bei eBay ein Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme gem. § 357 Abs. 3 BGB geltend gemacht werden kann.
Mit dieser Entscheidung setzt sich das Gericht in Widerspruch zu seiner
eigenen Rechtsprechung bezüglich der Dauer der Widerrufsfrist bei eBay,
sowie zur Rechtsprechung des LG Berlin, welches mit Beschluss vom
15.03.2007 (Az. 52 O 88/07) entschieden hatte, dass bei eBay ein
Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme nicht geltend
gemacht werden kann.
Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Regelung des §
312 c Abs. 2 BGB zur Widerrufsbelehrung im Fernabsatz als
Spezialregelung zum Zeitpunkt und zur Art und Weise der Belehrung über
die Rechtsfolgen des Widerrufs anzusehen sei und daher in ihrem
Anwendungsbereich § 357 Abs. 3 S. 1 BGB vorgehe. Für die Erfüllung von
Informationspflichten, wie bspw. die Widerrufsbelehrung in Textform,
sei es gem. § 312 c Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB ausreichend, diese
Informationen spätestens bis zur Lieferung der Ware an den Verbraucher
zu übersenden.
Im Einzelnen führt das Gericht hierzu wie folgt aus:
„(…) Indessen enthalten die §§ 355 ff BGB nur allgemeine Vorschriften
für alle Gesetze, nach denen dem Verbraucher ein Widerrufsrecht
eingeräumt ist. Speziell für den Fernabsatz ist in § 312 c BGB näher
festgelegt, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form die
Widerrufsbelehrung mit dem in § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGBInfoV niedergelegten
Inhalt zu erfolgen hat. Dazu gehört auch die Belehrung über die
Rechtsfolgen des Widerrufs. Die Frage des Wertersatzes bei
Verschlechterung des Kaufgegenstandes ist eine solche Rechtsfolge.
Wie das Kammergericht in der oben bereits zitierten Entscheidung im
Einzelnen herausgearbeitet hat, ist zu unterscheiden zwischen den
Informationspflichten nach § 312 c Abs. 1 BGB und denjenigen nach § 312
c Abs. 2 BGB. Erstere müssen rechtzeitig vor Abgabe der
Vertragserklärung des Verbrauchers in einer dem eingesetzten
Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise "klar und verständlich"
erfolgen, aber nicht notwendigerweise in der Textform des § 126b BGB
Diese Informationspflichten können also auch durch die Bereitstellung
der Widerrufsbelehrung im Internet innerhalb des jeweiligen
Auktionsangebotes erfüllt werden, wie es der Antragsgegner getan hat.
Die Erfüllung der Informationspflichten nach § 312 c Abs. 2 BGB hat
hingegen in Textform zu erfolgen, und zwar bei Waren - darum geht es
hier - spätestens bis zur Lieferung an den Verbraucher ( § 312 c Abs. 2
S. 1 Nr. 2 BGB). Diese Regelungen zur Widerrufsbelehrung im Fernabsatz
sind als Spezialregelungen zum Zeitpunkt und zur Art und Weise der
Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs anzusehen und gehen in
ihrem Anwendungsbereich § 357 Abs. 3 S. 1 BGB vor (so auch LG Flensburg
MMR 06, 686, 687). Somit kann der Antragsgegner sich die Haftung des
Käufers für Verschlechterungen in der Weise erhalten, dass er innerhalb
der Online-Auktion entsprechend der Anlage 2 zu § 14 BGBinfoV über die
Rechtsfolgen des Widerrufs informiert, sofern er noch spätestens bis
zur Lieferung der Ware dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung in
Textform zukommen lässt. (…)“
Gleichzeitig stellte das Gericht aber erneut klar, dass das bloße
Einstellen der Widerrufsbelehrung in einer Angebotsseite bei eBay nicht
dem Textformerfordernis des § 126 b BGB genügt.
Insoweit führte das Gericht aus:
„(…) Allerdings erfolgt die Belehrung wohl nicht bereits in Textform
bei Vertragsschluss, wie es § 357 Abs. 3 S. 1 BGB verlangt. Denn eine
im Zusammenhang mit Online-Auktionen bei eBay in das Internet
eingestellte Belehrung genügt nach der Rechtsprechung des 3.
Zivilsenates des HansOLG, der sich der erkennende 5. Zivilsenat
anschließt, nicht dem Formerfordernis der Textform gemäß § 126b BGB.
Dieses wird nur dadurch erfüllt, dass die Belehrung in dauerhaft
verkörperter Form an den Verbraucher gelangt, z. B. auf Papier,
Diskette, CD-Rom, e-mail oder Computerfax (HansOLG MMR 06, 675, 676;
ebenso KG MMR 06,678). Der Kaufvertrag bei eBay-Auktionen kommt aber
bereits mit dem Ende der Auktion zwischen dem Verkäufer und dem
Höchstbietenden zustande (s. dazu im Einzelnen Anm. Hoffmann zu HansOLG
MMR 06, 675). Eine erst anschließend erfolgte Übersendung der
Widerrufsbelehrung in Textform - z. B. per e-mail - könnte als nicht
mehr "bei Vertragsschluss" erfolgt im Sinne des § 357 Abs. 3 S. 1 BGB
anzusehen sein. (…)“
Anmerkung der IT-Recht-Kanzlei:
Mit der oben zitierten Entscheidung setzt sich das OLG Hamburg in
Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsprechung bezüglich der Dauer der
Widerrufsfrist bei eBay (OLG Hamburg, Urteil vom 24.08.2006, AZ 3 U
103/06 und OLG Hamburg, Beschluss vom 12.01.2007, Az. 3 W 206/06). In
diesen Entscheidungen hatte das Gericht sich der Rechtsprechung des KG
Berlin (KG Berlin, Beschluss vom 18.07.2006, Aktenzeichen: 5 W 156/06)
angeschlossen, wonach bei Fernabsatzgeschäften über die
Internetplattform eBay gem. § 355 Abs. 2 S. 2 BGB ein einmonatiges
Widerrufsrecht für Verbraucher gelte, da diese wegen der Besonderheiten
des Vertragsschlusses bei eBay nicht vor Vertragsschluss in Textform
über das Widerrufsrecht belehrt werden könnten. Werde der Verbraucher
vor Vertragsschluss nicht entsprechend belehrt, so stelle dies einen
Verstoß gegen § 312 c Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV dar.
In der oben zitierten Entscheidung stellt sich das Gericht dagegen auf
den Standpunkt, dass die §§ 355 ff. BGB nur allgemeine Vorschriften für
alle Gesetze, nach denen dem Verbraucher ein Widerrufsrecht eingeräumt
ist, enthalten. § 312 c BGB sei insoweit als spezialgesetzliche Norm im
Fernabsatz vorzugswürdig. Folgt man dieser Auffassung, so müsste man
konsequenterweise auch bezüglich der Dauer der Widerrufsfrist bei eBay
§ 312 c Abs. 2 Nr. 2 BGB als Spezialregelung für den Fernabsatz
heranziehen, mit der Folge, dass eine Widerrufsbelehrung in Textform
noch bis zur Lieferung der Ware an den Verbraucher ausreichen würde.
Dies sah das Gericht in den beiden oben zitierten Entscheidungen zur
Dauer der Widerrufsfrist bei eBay jedoch anders und wendete in beiden
Fällen nicht § 312 c Abs. 2 Nr. 2 BGB sondern § 355 Abs. 2 S. 2 BGB an,
mit der Folge, dass über ein einmonatiges Widerrufsrecht zu belehren
ist.
Der oben dargestellte Widerspruch macht deutlich, dass sich die
einzelnen Senate des OLG Hamburg untereinander selbst nicht ganz einig
zu sein scheinen, wie die Problematik zur Widerrufsbelehrung bei
Fernabsatzgeschäften über die Internetplattform eBay rechtlich zu
beurteilen ist. Das Nachsehen haben vor allem Online-Händler auf der
Internetplattform eBay, die sich einer unerträglichen
Rechtsunsicherheit ausgesetzt sehen. Diese müssen sich völlig zu Recht
fragen, ob es nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung überhaupt
möglich ist, bei eBay rechtssicher anzubieten. Da eine
höchstrichterliche Klärung dieser Frage im Moment nicht absehbar ist,
kann man nur an den Gesetzgeber appellieren, hier klärend einzugreifen.
Quelle: Pressemitteilung IT-Recht Kanzlei