Baujagd: Rechtswidrig und ineffizient
Archivmeldung vom 14.12.2023
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.12.2023 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Mary SmithEtwa von November bis Ende Februar werden Füchse und Dachse dort bejagt, wo Sie während der Paarungszeit und später mit den Welpen ihren Rückzugsort haben: Am Dachs- oder am Fuchsbau. Die Baujagd ist eine der widerwärtigsten und meistkritisierten Jagdarten in Deutschland. Am Beispiel Sachsen wollen wir hier kurz aufzeigen, dass die Baujagd weder tierschutzkonform, noch effizient ist.
In Sachsen wurden im Durchschnitt der letzten vier Jagdjahre (inkl. 2021/22) pro Jahr knapp 16.000 Füchse auf den Streckenlisten ausgewiesen. Der Anteil (inkl. Fallwild) der im Rahmen der Baujagd erlegten Füchse dürfte ähnlich wie in NRW zwischen 1,4 und 2,8 Prozent der Fuchsstrecke schwanken [1]. Das entspricht in Sachsen gerade einmal einer Strecke von 220 bis 450 Füchsen pro Jahr - ein Wert, der allein durch das erfasste Fallwild (hauptsächlich verunfallte Füchse) um ein Vielfaches überboten wird. Oder anders ausgedrückt, es werden gerade einmal 0,014 bis 0,029 Füchse pro 100 ha (= 1 Quadratkilometer) jagdbarer Fläche mittels der Baujagd erlegt. Das entspricht einer Fläche von etwa 5.000 bis 10.000 Fußballfeldern für einen toten Fuchs.
In Sachsen wie in anderen Bundesländern gibt es unseres Wissens weder auf Landes- noch auf Kreisebene valide belastbare Daten, die überhaupt einen ökologischen Nutzen der freiheitlichen Fuchsjagd z.B. hinsichtlich der im Bestand gefährdeten jagdbaren Arten Feldhase oder Rebhuhn oder auch bezüglich der nicht dem Jagdrecht zugeordneten Bodenbrüter belegen. Ein Blick in die Jagdstrecken ist vielmehr ein Indiz dafür, dass die Restbestände der Rebhühner trotz intensiver Fuchsjagd in nicht überlebensfähigen Größenordnungen stagnieren und diese Tierart in Sachsen sogar mehr oder weniger ausgestorben ist. Auch dem Wildtierinformationssystem der Länder (WILD) werden seit der Zählung 2017 keine Bestandsdaten mehr gemeldet. Ein Einfluss der Fuchsjagd auf die auf sehr geringem Niveau stagnierenden Bestände der Feldhasen in Sachsen ist ebenso auszuschließen. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, wie zuständige Ministerien zu der Feststellung kommen, dass "die Bejagung ... von Füchsen... einen wichtigen Beitrag zum Erhalt anderer, gefährdeter oder sogar in ihrem Bestand bedrohter Arten leisten kann" [2].
Auch die seitens der Jägerschaft und leider auch seitens der Ministerien immer wieder vorgebrachten Argumente hinsichtlich einer "Seuchen"-prävention oder einer Bestandsregulierung durch die Fuchsjagd laufen ins Leere. Dort wo Fuchsbestände in deutschen Nationalparks, im Kanton Genf oder in Luxemburg teilweise seit Jahrzehnten nicht bejagt werden, gibt es weder belastbare Hinweise auf negative Auswirkungen hinsichtlich diverser Krankheitsbilder (Räude, Staupe) noch hinsichtlich des Befalls durch den Fuchsbandwurm. Auch ist es in keinem der genannten Fuchsjagd freien Areale zu einer wie auch immer gearteten "Überpopulation" gekommen.
Auf der anderen Seite weisen verschiedene Studien darauf hin, dass gerade durch eine intensive Jagd auf Füchse Krankheiten [3] und Bandwurmbefall [4] tendenziell zunehmen. Grund dafür ist, dass durch die intensive Jagd letztlich mehr und jüngere, mit geringeren Resistenzen ausgestattete Füchse (Kompensation der Bestandsverluste durch erhöhte Reproduktion, Reduzierung des Durchschnittsalters der Bestände) auf der Reviersuche sind und dadurch das Verbreitungspotential für Krankheiten oder den Fuchsbandwurm steigt. Das Paradebeispiel für eine völlig sinnfreie Bejagung der Füchse ist die missglückte Tollwutbekämpfung. Erst der Einsatz von großräumig gestreuten Impfködern hat die sylvatische Tollwut in Deutschland und weiten Teilen Europas ausgelöscht.
Wenn schon so erhebliche Zweifel an der einer ökologischen oder epidemiologischen Effizienz der Fuchsbejagung insgesamt bestehen, was kann die Jägerschaft dann mit dem Bruchteil der erlegten Füchse im Rahmen der nicht tierschutzkonformen Baujagd schon erreichen? Die Baujagd ist heute eine der tierschutzwidrigsten Jagdarten überhaupt.
Aktuell ist im Rahmen der Novellierung des Landesjagdgesetzes Rheinland-Pfalz ein Verbot - wie schon in Baden-Württemberg realisiert - der Baujagd im Naturbau geplant. Hintergrund ist die Gefahr für Leib und Leben des Bauhundes, die insbesondere bei Dachsen, aber auch bei wehrhaften Füchsen gegeben ist. Die Jagd im künstlich angelegten Bau wird von diesem Verbot allerdings ausgenommen, was unseres Erachtens zu kurz gesprungen ist. Denn auch in Kunstbauen flieht nicht jeder Fuchs sofort vor dem Jagdhund; Beißereien zwischen Fuchs und Jagdhund können daher auch dort nicht sicher ausgeschlossen werden. Schwere Verletzungen auf beiden Seiten kommen somit auch bei der Jagd am Kunstbau vor.
Selbst wenn der Fuchs den Bau verlässt, ist er dabei hochflüchtig. Auch ein Schrotschuss kann daher nicht sicherstellen, dass der vergleichsweise kleine, schnelle und plötzlich aus dem Baueingang flüchtende Fuchs tödlich getroffen wird. Das Risiko von nicht-tödlichen Verletzungen, die schlimmstenfalls zu einem langsamen, qualvollen Tod führen, ist infolgedessen erheblich. Auch insofern stellt die Baujagd - egal, ob am Kunst- oder Naturbau - einen Verstoß gegen das im Tierschutzgesetz festgeschriebene Gebot der größtmöglichen Schmerzvermeidung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 TierSchG) dar. Die Baujagd ist schon aus diesem Grund auch nicht weidgerecht, denn sie verstößt gegen den Tierschutzaspekt der Weidgerechtigkeit als "Einstellung des Jägers zum Tier als Mitgeschöpf, dem vermeidbare Schmerzen zu ersparen sind" [5]. Dass die größtmögliche Schmerzvermeidung Bestandteil der Weidgerechtigkeit ist, bestätigt auch das VG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 25.11.2010 - 15 L 1867/10.
Tierschutzrelevant im Natur- wie im Kunstbau ist außerdem, dass Füchse bei der Baujagd an einem Ort attackiert werden, der von ihnen als sicherer Rückzugs- und Ruheort während der Paarungs- und der Setzzeit genutzt wird. Die Baujagd ist daher geeignet, Tiere zu traumatisieren. Wie der Biologe Darius Weber beispielsweise feststellte, kann intensiv betriebene Baujagd dazu führen, dass Füchse ihre Baue deutlich seltener aufsuchen [6]. Ein Gutachten zur Tierschutzgerechtigkeit der Baujagd in der Schweiz [7] kommt unter anderem aus diesem Grund zu dem Ergebnis, dass die Baujagd grundsätzlich als tierquälerisch und tierschutzwidrig zu bewerten ist. Seitdem haben die Kantone Thurgau, Zürich, Baselland, Waadt und Bern die Baujagd bereits verboten; es ist fest damit zu rechnen, dass weitere Kantone folgen werden.
Das Bundesjagdgesetz schreibt in § 1 Abs. 3 vor, dass bei der Ausübung der Jagd die allgemein anerkannten Grundsätze deutscher Weidgerechtigkeit zu beachten sind. Die Grundsätze beinhalten alle geschriebenen und ungeschriebenen Regelungen, die bei der Jagdausübung zu beachten sind. Geprägt wird der Begriff von der vom Gesetz vorausgesetzten ethischen Grundeinstellung des Jägers zum Wild, die in der Art und Weise der Jagdausübung und in der Erhaltung des Wildes seinen Ausdruck findet [8]. Der unbestimmte Rechtsbegriff beinhaltet keinen Ermessensspielraum und ist im vollen Umfang gerichtlich nachprüfbar.
Anerkannt sind insbesondere die nachfolgenden aus den Grundsätzen der Weidgerechtigkeit abgeleiteten Verpflichtungen: [9]
Ein Verstoß gegen diese Verpflichtungen bleibt nicht etwa folgenlos, sondern erfüllt den Straftatbestand des § 17 TierSchG, der die Tötung eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund unter Strafe stellt. Derjenige der entgegen diesen Grundsätzen die Jagd ausübt und ein Tier tötet, handelt ohne vernünftigen Grund im Sinne des § 17 Nr. 1 Tierschutzgesetz [10].
In der jagdrechtlichen Vorgabe zur weidgerechten Jagdausübung ist eine Konkretisierung des vernünftigen Grundes im Sinne der vorgenannten Norm zu sehen. Nur wenn der Jagdausübungsberechtigte bei der
Tiertötung alle Vorschriften des Jagdrechts einhält und nach den allgemein anerkannten Grundsätzen deutscher Weidgerechtigkeit verfährt, handelt er auch nicht ohne vernünftigen Grund.
Die Baujagd ist mit den oben beschriebenen Grundsätzen deutscher Weidgerechtigkeit nicht vereinbar [11]. Insbesondere hat der Fuchs im Rahmen dieser Jagdart nicht das gebotene Maximum, sondern, wenn überhaupt, nur eine minimale Chance zu entkommen. Das gilt nicht nur für die hochträchtige Fähe (erste Fuchsgeburten werden von entsprechenden Wildtierstationen bereits regelmäßig ab Januar eines Jahres gemeldet), sondern auch für jeden anderen Fuchs im Bau. Denn in der Regel werden sämtliche Ausgänge des Fuchsbaus von wartenden Jägern bewacht oder sogar mit Fangnetzen (Sprengnetze) gegen die Flucht gesichert [12]. Gänzlich ohne eine Chance ist der nicht aus dem Bau fliehenden Fuchs, wenn der noch mithilfe eines Spatens in den Baugängen eingrenzt, festgesetzt und mit der Zange herausgezogen bzw. per Fangschuss getötet wird.
In ihrem Aufsatz "Wieviel Freiheit verträgt die Jagd heute noch?" [13] legt die Juristin Christina Patt dar, warum "es dem Normgeber bei der Ausgestaltung von jagdlichen Regelungen freisteht, sowohl den Inhalt als auch die Art und Weise der Ausübung der Jagd gesetzlich festzulegen und damit diese Form der Nutzung im Detail auszugestalten". Regelungen wie z.B. das Verbot der Baujagd können daher auch "niemals eine Enteignung im Rechtssinne darstellen, weil sie nicht auf den Entzug des Eigentums und dessen Übergang in die staatliche Verfügungsgewalt gerichtet sind, sondern vielmehr Inhaltsbestimmungen sind, wie zum Beispiel Vorschriften, die die Belassung von Totholz in der Natur betreffen".
Quelle: Wildtierschutz Deutschland e.V. (ots)