Rentnerin muss Abmahnkosten wegen Filesharing bezahlen - und hat gar keinen Computer
Archivmeldung vom 20.12.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEine Rentnerin hat weder einen Computer noch ein WLAN. Trotzdem hat das Amtsgericht München die Rentnerin auf Erstattung von Abmahnkosten von 651,80 Euro wegen Filesharing verurteilt. Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Medienrechtskanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE kommentiert den Vorgang: "Es ging um einen raubkopierten Hooligan-Film."
Die Angst davor, eine Abmahnung aufgrund eines angenommenen Filesharing-Verstoßes zu erhalten und trotz eigener Unschuld auch noch dafür zahlen zu müssen, sie steigt weiter. Das Urteil vom Amtsgericht München, das am 23. November 2011 (Az. 142 C 2564/11) verkündet wurde, trägt zur allgemeinen Verwirrung bei: Eine Rentnerin wurde auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 651,80 Euro verurteilt, obwohl sie klar belegen konnte, dass sie weder einen Computer noch einen WLAN-Router besaß.
Rentnerin lädt Hooligan-Film illegal per Filesharing ins Internet hoch?
Da staunte die Empfängerin sicherlich nicht schlecht. Einer Rentnerin wurde vorgeworfen, im Januar 2010 einen Hooligan-Film über ein Filesharing-System anderen Menschen zum Download angeboten zu haben. Dieses öffentliche Angebot des Films rief den Anwalt des Rechteinhabers auf den Plan, er verschickte eine Abmahnung.
Die Rentnerin gab zur Vermeidung weiterer Kosten vorgerichtlich - und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - eine modifizierte, strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Der klagende Rechtinhaber forderte anschließend aber trotzdem noch die Erstattung der Abmahnkosten (€ 651,80) sowie Schadensersatz (€ 68,20) ein - und zwar vor dem Amtsgericht München.
Das Amtsgericht München kam richtigerweise zu dem Ergebnis, dass ein Schadensersatzanspruch nicht zu begründen sei. Dazu müsse die Rentnerin schon eindeutig als Täterin identifiziert werden. Trotzdem sollte die Beklagte die Abmahnkosten tragen, weil doch davon auszugehen sei, dass der Film zumindest über ihren Internet-Anschluss angeboten worden sei.
Fakt war aber: Die Beklagte lebte alleine und war pflegebedürftig. Sie besaß zwar vertraglich einen Internet-Anschluss, aber nur deswegen, weil es ihr nicht möglich war, vorzeitig aus einem 2-Jahres-Vertrag auszuscheiden. Ihren Computer hatte sie ein halbes Jahr vor der behaupteten Rechtsverletzung verkauft und nur noch ein Telefon besessen. Die Rentnerin besaß auch keinen WLAN-Router und keine eigene E-Mail-Adresse. Die Beklagte erklärte auch, dass keine dritte Person Zugriff auf ihren nur theoretisch vorhandenen Internetanschluss gehabt habe.
Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Medienrechtskanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE: "Die Rentnerin hat bestritten, dass die fragliche Datei über ihren Internet-Anschluss angeboten wurde. Derzeit gehen wir davon aus, dass es bei der Ermittlung oder Rückverfolgung der IP-Adresse zu einem Fehler gekommen ist." So lange die Betroffene hier allerdings nicht sagen kann, um was für einen Fehler es sich handelt, scheint sie jedenfalls vor dem AG München nicht mehr aus der Nummer herauszukommen.
Rechtsanwalt Christian Solmecke: Beweislast wird umgekehrt
"Aus meiner Sicht handelt es sich um ein eindeutiges Fehlurteil", stellt Rechtsanwalt Solmecke, der über 16.000 Filesharer vertritt, fest. "Wir werden Berufung einlegen und schauen, was das Landgericht München dazu zu sagen hat. Was soll die arme Frau denn noch tun? Ohne W-LAN und ohne Computer kann sie einfach keinen Fehler gemacht haben. Das Amtsgericht München hätte nach meiner Auffassung, wie auch in einem anderen Fall das LG Stuttgart (Urteil vom 28.06.2011, AZ: 17 O 39/11), die Klage schlichtweg abweisen müssen, weil eine Verantwortlichkeit nicht feststand."
Das vollständige Urteil und weiterführende Ausführungen zum Thema können hier abgerufen werden: http://www.wbs-law.de/abmahnung-filesharing/kein-computer-kein-wlan-trotzdem-muss-rentnerin-abmahnkosten-wegen-filesharing-tragen-17951/
Quelle: Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Medienrechtskanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE