Journalisten haften nicht mehr für alle denkbaren Eventualitäten
Archivmeldung vom 25.02.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Arbeit in den Redaktionen ist ein wenig einfacher geworden: Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf brauchen Journalisten keine Gegendarstellungen, Schadenersatz oder Richtigstellungen mehr zu befürchten, wenn sie bei ihrer Arbeit nicht alles erahnen, was dritte Personen zwischen den Zeilen der Berichte herauslesen könnten.
Dem OLG zufolge besteht nur dann ein Gegendarstellungsanspruch, wenn
eine Behauptung nur eine bestimmte Schlussfolgerung zulässt, die sich
dem Leser als unabweisbar oder zwingend aufdrängt (OLG Düsseldorf, AZ
I-15 U 176/07, vom 20.2.2008)
„Bisher drohte Journalisten immer
eine Gegendarstellungsklage, wenn sie mit einer eigentlich dem Wortlaut
nach unverfänglichen Äußerung unbeabsichtigt zwischen den Zeilen einen
Eindruck erweckten, der den Betroffenen belastet“, erläutert Christine
Heymann, Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht der Kanzlei FPS
Fritze Paul Seelig in Düsseldorf. „Die Personen, über die berichtet
wurde, nutzten die Gerichtsverfahren, die damit verbundenen Kosten und
den Makel ‚Gegendarstellung’ dann gerne als Druckmittel, um unliebsame
Berichterstattung zurückzudrängen.“ Nach dem Urteil des OLG Düsseldorf
können Betroffene bei Äußerungen, die einen belastenden Eindruck
erwecken könnten, allenfalls deren Verwendung für die Zukunft
unterbinden, was die Medien weniger hart trifft.
Hintergrund der OLG-Entscheidung war der Versuch des Moderators Günther Jauch, gegen die „WirtschaftsWoche“ eine Gegendarstellung durchzusetzen. Diese hatte in einem Bericht über den Internetdienst „Google Earth“, das Gründstück Jauchs mit Villa, See und Bootssteg abgebildet. Jauch befürchtete, die am Steg liegende Motoryacht könnte ihm zugeordnet werden. Das OLG lehnte die Gegendarstellung mit Hinweis darauf ab, dass das Haus des Moderators nur als Aufhänger für das Thema „Google Earth“ erwähnt worden sei und das abgebildete Boot nicht unbedingt ihm zugeordnet werden müsse. Es könnten auch einem Wassersportler, Paparazzi, Fan oder Besucher gehören.
„Das OLG Düsseldorf hat das Gleichgewicht
zwischen den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen und dem
Berichterstattungsinteresse der Medien gestärkt“, betont Heymann, die
für die „WirtschaftsWoche“ den Sieg gegen Jauch erstritten hat, „die
Entscheidung hilft, die Presse von Sanktionen zu verschonen, die zu
einer Einschüchterung und damit zu einer Einschränkung der
Pressefreiheit führen könnten.“
Quelle: FPS Fritze Paul Seelig, Rechtsanwälte