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Zwangsgeld bei Masern-Impfnachweispflicht ist nach Urteil rechtswidrig

Archivmeldung vom 25.09.2023

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.09.2023 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Justitia: großer Zorn über mildes Urteil für Edathy. Bild: Wengert/pixelio.de
Justitia: großer Zorn über mildes Urteil für Edathy. Bild: Wengert/pixelio.de

Der Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat am 21. September 2023 geurteilt, dass ein Zwangsgeld und erst recht ersatzweise Zwangshaft bei Schulkindern im Rahmen der Masern-Impfnachweispflicht rechtswidrig sind.

Dieses wichtige Urteil ist für Eltern von Schulkindern, die ihre Kinder nicht gegen Masern impfen wollen, eine sehr gute Nachricht. Wer bereits mit einem Zwangsgeld zu tun hat, sollte umgehend die Aufhebung der Zwangsgeldandrohung bei der Behörde unter Hinweis auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21.09.2023 – 20 CS 23.1432 beantragen. Was im Einzelfall zu tun ist, hängt vom jeweiligen Verfahrensstadium ab, so dass ggf. anwaltlicher Rat einzuholen ist. Die Chancen, dass das Zwangsgeld nicht gezahlt werden muss, sind jedenfalls nach diesem Urteil sehr gut!

Worum geht es?

Zahlreiche Eltern von Schulkindern, die keine Masernimpfung vorweisen können, wurden in den letzten Monaten von den Gesundheitsämtern angeschrieben. Sie bekamen Bescheide mit der Anordnung, es müsse ein Nachweis innerhalb einer bestimmten Frist vorgelegt werden. Für den Fall, dass das nicht geschieht, wurde ihnen ein Zwangsgeld angedroht, meist 500,- Euro, manchmal noch erheblich mehr. Die besondere Gefahr von Zwangsgeld ist, dass es immer und immer wieder neu angedroht und festgesetzt werden kann. Wer zunächst 500,- Euro Zwangsgeld hat, muss damit rechnen, dass im nächsten Schritt 1.500,- Euro angedroht werden usw. Es gab zuletzt sogar einige Gesundheitsämter, die bei Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes ersatzweise Zwangshaft angedroht hatten.
Ist das Zwangsgeld rechtlich zulässig?

Bisher gab es unterschiedliche Rechtsauffassungen der Verwaltungsgerichte. Das Verwaltungsgericht Neustadt sagte in einem Beschluss vom Mai 2023: nein, Zwangsgeld anzudrohen geht nicht. Es dürfe keine Impfpflicht „durch die Hintertür geben“ - Beschluss 5 L 303/23.NW, dort S. 13. Das Verwaltungsgericht Bayreuth, Beschluss v. 14.11.2022 – B 7 S 22.1038 hatte die gegenteilige Rechtsauffassung geäußert und die Zwangsgeldandrohung als rechtmäßig angesehen. Auch das Verwaltungsgericht München hatte in einem Beschluss vom 01.08.2023 keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldandrohung. Gegen diesen Beschluss vom 01.08.2023 des VG München richtete sich die Beschwerde. Das Ergebnis?

NEIN, sagt der Verwaltungsgerichtshof München in einem Beschluss vom 21.09.2023, die Zwangsgeldandrohung läuft auf eine Impfpflicht hinaus und sei voraussichtlich rechtswidrig. Der Kernsatz des Beschlusses lautet:

„Die Anwendung von Verwaltungszwang in Form von Zwangsgeld darf daher bei schulpflichtigen Kindern nicht zu einer faktischen Impfpflicht führen.“

Die Entscheidung ist deshalb so bedeutsam, weil es sich beim Verwaltungsgerichtshof um ein Oberverwaltungsgericht handelt. Der Beschluss ist zwar nur in einem Eilverfahren ergangen, er ist aber unanfechtbar. Ich gehe davon aus, dass dieser Beschluss wegweisend ist und bundesweit von den Gesundheitsämtern beachtet werden wird.

Diese Annahme stützt sich auf eine ähnliche Situation im Jahr 2022 bei § 20a IfSG, der Regelung über die Impfnachweispflicht im Gesundheitswesen. Die im Gesundheitssektor tätigen Beschäftigten hatten im Frühjahr 2022 teilweise Anordnungen zur Vorlage eines Corona-Impfnachweises mit Zwangsgeldandrohungen erhalten. Das OVG Lüneburg hatte – ebenfalls in einem Eilverfahren – im Juni 2022 diese Praxis als nicht rechtmäßig angesehen. Daran hat sich die Verwaltungspraxis anschließend in allen Bundesländern gehalten. Jetzt ist zu erwarten, dass sich die Gesundheitsämter ebenfalls an die Rechtsprechung des bayr. Verwaltungsgerichtshofes halten werden, auch außerhalb von Bayern.

Was sagte der Verwaltungsgerichtshof zur Begründung?

Der Verwaltungsgerichtshof München bezieht sich auf die Begründung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Nachweispflicht gem. § 20 IfSG
„die Freiwilligkeit der Impfentscheidung der Eltern als solche nicht aufhebe und diesen damit die Ausübung der Gesundheitssorge für ihre Kinder im Grundsatz belasse. Die Nachweispflicht ordnet keine mit Zwang durchsetzbare Impfpflicht an (vgl. auch § 28 Abs. 1 Satz 3 IfSG.) Vielmehr verbleibt den für die Ausübung der Gesundheitssorge zuständigen Eltern im Ergebnis ein relevanter Freiheitsraum“. Diese Textpassage im Beschluss des VGH wurde nahezu wörtlich Rn. 145 des BVerfG-Beschlusses über die Masern-Impfnachweispflicht vom 21.07.2022 entnommen.

Der Verwaltungsgerichtshof führt weiter aus, es müsse im vorliegenden Fall berücksichtigt werden, dass es sich um den eingeforderten Masernimpfnachweis eines schulpflichtigen Kindes handelt, welches der Nachweispflicht regelmäßig nicht ausweichen kann. Der Verwaltungsgerichtshof verweist erneut auf die Rn. 145 des BVerfG-Beschlusses.

Damit ist recht deutlich formuliert worden: Zwangsgeld und erst recht ersatzweise Zwangshaft sind so rechtlich nicht zulässig! Also sehr gute Neuigkeiten für die Eltern von Schulkindern.

Masern.Express setzt sich umfassend für Eltern ein, die ihre Kinder nicht gegen Masern impfen lassen wollen. Auf www.masern.express finden Eltern alle Hilfen, die dafür nötig sind, denn die Verhängung von Bußgeldern ist auch mit dem Urteil leider weiterhin möglich. Allerdings sind Bußgelder im Vergleich zu Zwangsgeldern wesentlich ungefährlicher.

Quelle: Masern.Express

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