Ist bei Computerspielen die Luft raus?
Archivmeldung vom 28.04.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlAngesichts der Tatsache, daß zur Zeit verstärkt Fortsetzung vorhandener Spiele und Wiederbelebung von Klassikern die Oberhand gewinnt, entsteht bei einigen Spielern dieser Eindruck. Gibt es keine neuen Spielprinzipien mehr oder gehen einfach die Ideen aus? Provokante Fragen.
Das Altersheim für Computerspielfiguren müßte eigentlich überfüllt sein, denn seit den 1980iger Jahren sind Computer- und Videospiele immer beliebter geworden, was auch daran liegt, daß der Computer in fast jeden Haushalt Einzug gehalten hat und die erforderliche Technik nicht mehr so teuer ist, wie zu den Pionierzeiten. Doch das Altersheim der Spielehelden ist so gut wie leer, denn auch im Rentenalter müssen die meisten noch ran.
Es gibt nichts daran auszusetzen, daß Spieleklassiker immer wieder für die neuesten Spielkonsolen aufgefrischt werden und somit erhalten bleiben. Im Gegenteil, den älteren Spieler freut es, denn oft wird er an die Jugend erinnert, in der er nächtelang das Lieblingsspiel gespielt hat. Nach dem hundertsten Mario-Abenteuer und -Rennspiel von Nintendo beginnt man sich jedoch zu fragen, ob es nichts Neues gibt. Einerseits ist es schön, daß alte Spielfiguren und - prinzipien auch heute noch begeistern, aber es entsteht langsam ein fahler Beigeschmack. Die Spieleentwickler setzen verstärkt auf Fortsetzung von Spielehits, was im Allgemeinen sehr begrüßenswert ist, denn so entstehen ganze Kultserien, man denke dabei nur an Resident Evil, Splinter Cell, Die Siedler oder Tomb Raider. Die Liste ließe sich noch endlos weiterführen.
Den erfahrenen Spieler dürstet es jedoch noch Neuerungen und er fängt an, sich die Anfänge der Computerspiele in Erinnerung zu rufen, als es noch wichtiger war neue Spielprinzipien zu bieten als Bombastgrafik. Es machte sich damals eine wahre Goldgräberstimmung breit, als die Spiele immer beliebter wurden. Viele Spieler können sich noch genau an die Geburtsstunde ganzer Genren erinnern, z.B. als die ersten Echtzeitstrategiespiele auf den Markt kamen oder die Siedler im ersten Teil der Kultserie das Land in Beschlag nahmen. Gerade die Siedler haben es bis heute bis zu einem fünften Teil geschafft, wobei Teil zwei momentan wieder aufpoliert wird. Auch EA hat den Trend erkannt und seine Spielesammlung Command & Conquer - Die ersten 10 Jahre auf den Markt gebracht. Das ist alles gut und schön, aber was bieten Fortsetzungen für Neuerungen? Teils entwickeln sich Fortsetzungen positiv weiter, indem neue Programmiertechniken zum Einsatz kommen oder das Spielprinzip perfektioniert wird, so daß Fans das Herz aufgeht. Zum Beispiel wurde Resident Evil 4 Spiel des Jahres 2005 (unseren Spieletest finden Sie hier: Resident Evil 4 für Playstation 2) Leider gibt es auch Fortsetzungen, die außer neuen Bewegungsmöglichkeiten der Spielfigur als Highlight nur noch anbieten, daß diese jetzt weniger kantig ist und deshalb echter wirkt. Das reißt nicht wirklich vom Hocker, ohne jetzt die Arbeit der Programmierer abzuwerten. Grafische Weiterentwicklung sollte eine Selbstverständlichkeit sein.
Ein Computerspiel zu erstellen und schließlich zu vermarkten verschlingt eine Menge Geld, die mit dem Verkauf erst wieder eingespielt werden muß. Daher ist jede Neuerung grundsätzlich ein Risiko, da man vorher nicht genau wissen kann, ob sie beim Spieler auch gut ankommt. Dieses unternehmerische Risiko hat jeder Betrieb in jeder Branche. Obwohl der Markt für Computerspiele längst den für Kinofilme überholt hat, haben die Spiele gerade in Deutschland immer noch einen schlechten Ruf in den Medien, was das Image ankratzt. Auch illegale Raubkopien schaden dem Publisher ganz klar, wenn man davon ausgeht, daß pro illegaler Kopie auch ein Spiel verkauft worden wäre. Teils sind Publisher aber auch selber daran schuld, wenn Kunden die Spiele lieber illegal aus dem Internet laden oder von ihren Freunden kopieren. Es kam schon sehr oft vor, daß Spiele halbfertig auf den Markt geschmissen wurden, um z.B. noch vor Weihnachten in den Regalen der Geschäfte zu stehen. Hiermit macht man den zahlenden Kunden jedoch ohne sein voheriges Einverständnis zum Betatester, wenn er sich mit Spielefehlern rumärgern darf. Wenn er den Publisher dann kontaktieren möchte, kann er es per Email tun oder aber in den meisten Fällen eine teure Mehrwerttelefonnummer à la 0900 anrufen. Wenn er Glück hat, bekommt er auch eine Antwort auf seine Email und wenn er großes Glück hat, sogar eine brauchbare Auskunft. Das Spiel beim Händler umzutauschen ist oft schwierig. Das Rollenspiel The Fall für den PC erlangte hierbei traurige Berühmtheit, denn Spieler berichten davon, daß auch nach dem achten Patch das Spiel immer noch nicht komplett fehlerfrei laufen würde, man brachte sogar eine zweite Auflage in den Handel. Kann man es den gebeutelten Spielern dann verdenken, daß sie nicht mehr bereit sind viel Geld für Computerspiele auszugeben? Wie schon erwähnt, ist die Entwicklung eines Spiel sehr aufwendig und kostspielig, Verzögerungen sind oft tödlich, daher auch die vorschnelle "Marktreife".
Einen Ausweg aus dem Dilemma kann auch ich nicht anbieten. Ich habe Verständnis für die Spieleindustrie und auch für die Spieler. Es geht nicht darum die Computerspiele und die Fortsetzungen schlecht zu reden, denn wie schon erwähnt, haben viele eine Berechtigung. Es gilt nur ein gesundes Maß zu finden.