Kometen: weiche Schale, harter Kern?
Archivmeldung vom 01.08.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittKomet Churyumov-Gerasimenko gibt neue Rätsel auf: Bodenmessungen des Landemoduls «Philae» deuten darauf hin, dass sich der Komet verändert hat. Forschende waren bislang davon ausgegangen, dass er seit seiner Entstehung vor rund 4,5 Milliarden Jahren praktisch im gleichen Zustand geblieben war. Die Resultate der Studie, an der auch Forschende der Universität Bern beteiligt sind, wurden im Magazin «Science» publiziert.
Hart wie vereister Schnee statt lose und weich wie Staub: Offensichtlich ist das Material unter der Oberfläche von Komet Churyumov-Gerasimenko weitaus härter als es viele Fachleute erwarteten – dies ergaben zumindest Messungen des Kometen-Landers «Philae». Karsten Seiferlin, Planetologe und Projektmanager am Physikalischen Institut der Universität Bern, war direkt an der Entdeckung beteiligt und ist Co-Autor eines «Science»-Artikels, in dem die Messergebnisse publiziert wurden. «Die Verfestigung des Materials deutet auf Prozesse hin, die den Kometen nachhaltig verändert haben oder immer noch verändern», sagt er.
Für die Rosetta-Mission sei diese Erkenntnis sehr bedeutsam: «Man nahm ursprünglich an, dass Kometen sich seit ihrer Entstehung praktisch nicht verändert haben und somit Aufschluss über die Bildung von Planeten und Kometen geben würden.» Die jüngsten Resultate der «Rosetta»-Mission zeigten nun aber, dass man die Möglichkeit von Veränderungen berücksichtigen müsse.
Ein erster Hinweis auf eine harte Schicht nahe der Oberfläche ergab sich laut Seiferlin schon aus dem überraschend weiten Sprung, den Philae bei seiner dramatischen Landung im November 2014 nach dem ersten Kontakt mit dem Kometen vollzog. Einen direkten Beweis für die harte Schicht lieferte dann das Instrument MUPUS, das Seiferlin von 1994 bis 2002 als Projektleiter betreute – damals noch im Institut für Planetologie an der Universität Münster. Das eigentliche Ziel des Instruments war es, mittels eines Hammermechanismus einen etwa 35 cm langen und mit Temperatursensoren ausgestatteten Stab (MUPUS PEN) in den Boden zu schlagen, um dort die Temperaturen unter der Oberfläche zu messen.
Philaes Hammer kam nicht durch
Dabei lief indes nicht alles glatt: Zwar arbeitete das Instrument zunächst fehlerfrei und genau wie geplant. Es setzte die Temperatursonde in etwa 60 cm Abstand von Philae aus, wo danach der Hammer mit seiner Arbeit begann und versuchte, den Messstab in den Kometenboden zu schlagen. Da aber kein Fortschritt erkennbar war, wurde die Hammerleistung automatisch bis zum Maximum erhöht. Obwohl die stärkste Hammerstufe auf der Erde ausreicht, um zum Beispiel Gasbeton-Steine oder sehr festen Schnee zu knacken, scheiterte das geplante Eindringen auf Churyumov-Gerasimenko letztlich an der unerwarteten Härte des Kometenbodens.
Die Gründe für die beobachtete Härte sind laut Karsten Seiferlin unklar. Man könne sowohl an relativ kurz zurückliegende Vorgänge denken, die durch die in Sonnennähe starke Strahlung angetrieben werden, als auch an weit zurückreichende Prozesse, die mit der Entstehung und Entwicklung von Churyumov-Gerasimenko zusammenhängen. «Der Komet hatte 4,5 Milliarden Jahre Zeit, sich zu verändern.»
Ein Komet mit Amnesie
Nun sei es besonders wichtig, diese Veränderungen zu verstehen, da die ESA-Raumsonde Rosetta anscheinend um einen Kometen kreise, der eben nicht mehr – wie anfangs erwartet – seit Jahrmilliarden unverändert geblieben ist. Seiferlin: «Der erhoffte Zeuge der Entstehung des Sonnensystems leidet gewissermassen an Amnesie.» Die getroffenen Aussagen müssen demnach entsprechend vorsichtig bewertet werden. «Wie fast jedes Mal, wenn Raumsonden einen bis dahin unbekannten Körper untersuchen, kam alles anders als gedacht. Die Natur überrascht uns immer wieder und lässt uns mit mehr Fragen zurück, als wir vorher hatten.»
Die von MUPUS auf Philae beobachteten Veränderungen betreffen aber vermutlich nur die sogenannten flüchtigen Bestandteile wie Wassereis, und nicht die Mineralien und Stoffe, die in einer anderen, aktuellen Studie der Universität Bern beschrieben wurden (vgl. Medienmitteilung UniBE «Glücksfall zeigt, aus welchen Elementen «Chury» besteht» von gestern Mittwoch 29.7.15).
Quelle: Universität Bern (idw)