Zeige mir deine Finger, und ich sage dir deine Gesichtsform
Archivmeldung vom 15.02.2012
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDas Verhältnis von Zeige- zu Ringfinger gilt als Richtmaß für die hormonelle Umgebung innerhalb der Gebärmutter. Unabhängig von Körperhöhe, Körpergewicht und Alter erklärt es allein 15 Prozent der Varianz in der Gesichtsform von Kindern. Je länger der Ringfinger im Verhältnis zum Zeigefinger, desto robuster ist das Gesicht von Buben, so eine Forschungsgruppe um Katrin Schäfer vom Department für Anthropologie der Universität Wien. Die Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe des Journals " Proceedings of the Royal Society B" veröffentlicht.
In mehr als 60 Fachartikeln pro Jahr wird das Verhältnis von Zeige- zu Ringfinger thematisiert. ForscherInnen des Departments für Anthropologie der Universität Wien konnten für Jungen zwischen vier und elf Jahren einen signifikanten Zusammenhang zwischen ihrer Gesichtsform und dem Verhältnis von Zeige- zu Ringfinger, dem sogenannten 2D:4D-Wert, nachweisen. Je länger der Ringfinger (4D) im Verhältnis zum Zeigefinger (2D), desto robuster ist das Gesicht mit niedrigerer Stirn und breiterem Unterkiefer. Mit einem höheren 2D:4D-Wert geht eine grazilere Gesichtsform einher.
Präpubertäre "Aktivierung" nachgewiesen
Das Fingerlängenverhältnis wird als retrospektiver Marker für die hormonelle Umgebung in der Gebärmutter herangezogen. Je kleiner der 2D:4D-Wert, also je länger der Ringfinger im Verhältnis zum Zeigefinger, desto höher war die Testosteronexposition des Fötus in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft. "Bisher ist man davon ausgegangen, dass der Zusammenhang von Testosteron und Gesichtsform vorgeburtlich 'organisiert' und in der Pubertät 'aktiviert' wird. Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese Ausprägung bei Buben bereits präpubertär besteht", erklärt Katrin Schäfer vom Department für Anthropologie der Universität Wien und Leiterin der Studie.
Bereits in früheren Untersuchungen konnten die ForscherInnen zeigen, dass Erwachsene mit einem größeren 2D:4D-Wert grazilere Gesichtsformen hatten als solche mit einem kleineren Fingerlängenverhältnis. Jener Einfluss war bei Männern dreimal so hoch wie bei Frauen.
Forschungsergebnisse dank Geometrischer Morphometrie
Die aktuellen Ergebnisse wurden mit der Methode der Geometrischen Morphometrie erzielt – in deren Entwicklung und Anwendung das Department für Anthropologie der Universität Wien zu den weltweit führenden Zentren zählt. Diese koordinatenbasierten Analyseverfahren erlauben erstmals den Einfluss einzelner Variablen auf biologische Formvariation zu quantifizieren. Innovativ ist hierbei auch, dass sich die Ergebnisse nicht nur als Zahlen, sondern auch als Bilder darstellen lassen, wie in dieser Studie das Ergebnis einer Regression der Gestaltkoordinaten von Kindergesichtern auf ihr Fingerlängenverhältnis.
Wer gilt als männlich?
"Männer mit kleinerem Fingerlängenverhältnis und robusterer Gesichtsform gelten interessanterweise als männlicher und dominanter als jene mit einem größeren Fingerlängenverhältnis und grazileren Gesichtern", sagt Anthropologin Katrin Schäfer. Sie leitet daraus die spannende Frage ab, ob nicht auch Buben entsprechend unterschiedlich beurteilt und behandelt werden – sei es von Eltern, LehrerInnen, Spiel- oder Klassenkameraden: "Dies wäre eine bedeutende Information für das tägliche Zusammenleben und für Personen in pädagogischen Berufen."
Die ForscherInnen beschäftigen sich auch mit der evolutionären Relevanz; der Frage, inwieweit dieser Gestaltvariation biologische Anpassungen zu Grunde liegen. Wenig bekannt sind zudem bislang die unmittelbaren Mechanismen, beispielsweise der Anteil der Mutter an der hormonellen Umgebung des Fötus, und der Einfluss von Stress und sozialem Ranggefüge. Die derzeit laufenden Studien behandeln erweiternd Mädchen und Jugendliche im interkulturellen Vergleich sowie die Erfassung der Gesichtsform in drei Dimensionen mittels Oberflächenscanner.
Quelle: Universität Wien (idw)