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Quanten produzieren eigenen Nachwuchs

Archivmeldung vom 23.10.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.10.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Was Physiker an der Montanuniversität Leoben gemeinsam mit ihren Kollegen von der Arizona State University in den USA entdeckt haben, muss als wissenschaftliche Sensation bezeichnet werden. Bei der Untersuchung von so genannten Quantenpunkten von Halbleitern stießen sie auf einen seltsamen Effekt.

Quantenpunkte sind nanoskopische Strukturen, die so klein sind, dass für sie die Gesetze der Quantenphysik gelten. Das bedeutet unter anderem, dass in Quantenpunkten Elektronen Zustände mit bestimmten Energiewerten einnehmen. Werden diese Zustände der Elektronen gemessen, dann wechselwirken diese mit der Umgebung. Durch diese Wechselwirkung vermischen sich die Zustände der Elektronen z.T. miteinander, aber auch mit jenen der Umgebung, und werden energetisch verschmiert. Einige der ursprünglichen Zustände sind jedoch robust und behalten ihre Energiewerte. Diese werden als "Pointer-Zustände" bezeichnet und konnten bisher nur für einzelne Quantenpunkte nachgewiesen werden.

etzt ist es einem Team am Institut für Physik der Montanuniversität Leoben mit Kollegen an der Arizona State University in den USA gelungen, die Existenz von neuartigen Pointer-Zuständen in gekoppelten Quantenpunkten auf einer Halbleiter-Schichtstruktur aus Aluminiumarsenid und Galliumarsenid nachzuweisen. Dazu Roland Brunner aus dem Team von Friedemar Kuchar: "Diese Pointer-Zustände zweier gekoppelter Quantenpunkte haben wir als Bipartite Pointer-Zustände bezeichnet. Sie sind insofern spannend, als sie über zwei Quantenpunkte ausgedehnt sind und somit ein Analogon zu
Molekülen darstellen. Durch die Wechselwirkung mit der Umgebung werden sie einer Messung, z. B. des elektrischen Widerstands, zugänglich."

Tatsächlich gelang es dem Team auch, deutliche Hinweise auf den so genannten Quanten-Darwinismus zu finden. Dieser beschreibt die Idee, dass bei einer Wechselwirkung mit der Umgebung nur die "stärksten" Zustände, eben die Pointer-Zustände, stabil bleiben und diese die Eigenschaft haben, "Nachwuchs" zu produzieren. Zum Nachweis dieser Idee berechnete die Gruppe um Brunner und Kuchar die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten der Elektronen im System mehrerer Quantenpunkte in Serie. Ein solches System entspricht einem Wellenleiter für Elektronen, in dem der elektrische Strom durch transmittierte Elektronenwellen bestimmt wird. Die Berechnung der Elektronen-Aufenthaltswahrscheinlichkeit bei der Energie des Bipartiten Pointer-Zustands zeigte, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit als räumliches Muster für viele verschiedene Elektronenwellen gleich ist, d. h. Nachwuchs der Bipartiten Pointer-Zustände präsent ist. Dieses Ergebnis wird international als Nachweis gewertet, dass Quanten-Darwinismus tatsächlich auftritt.

Wurden in diesem Projekt Quantenpunkte auf rein theoretischer Basis untersucht, so ist ihr möglicher Nutzen durchaus praktischer Natur. Einerseits konnte mit einer früheren Publikation bereits ein Bezug zu einer gemessenen Größe - dem elektrischen Widerstand - hergestellt werden, andererseits können die Quantenpunkte die Quintessenz zukünftiger Bauteile der Quanten-Informationstechnologie wie Quanten-Computer bilden. Diese könnten die Robustheit der Bipartiten Pointer-Zustände nutzen und damit mehr als nur die Zustände "0" oder "1" der binären Logik beschreiben, die das Leistungsspektrum herkömmlicher Computer darstellen. Kritisch für die Entwicklung der Quanten-Computer ist jedoch das Messen der Zustände  also die Schnittstelle zur äußeren "klassischen" Welt. Erst wenn mehrere Messungen den gleichen Zustand erfassen, kann eine Messung oder ein Ergebnis als objektiv gelten. Genau dazu aber muss ein solcher Zustand "Nachwuchs" schaffen, wie es der Quanten-Darwinismus postuliert, der in diesem Projekt eine weitere Bestätigung fand.

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