Wie am Gummiband
Archivmeldung vom 17.01.2013
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.01.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtWissenschaftler der Universität Bonn berechneten anhand von „R136“, wie Sternhaufen entstehen. Eigentlich müssten die Gebilde explosionsartig auseinanderfliegen, weil die jungen Sterne das Gas in dem Haufen sehr stark aufheizen und herausblasen. Die Eigengravitation wirkt aber wie ein Gummiband, welches den aufgeblähten Sternhaufen wieder zusammenzieht. Wie dies genau geschieht, hängt von der Schwere der Sterne in dem Haufen ab. Die Ergebnisse werden nun in „The Astrophysical Journal“ vorgestellt.
Wie entstehen Sternhaufen? Astronomen zerbrechen sich über diese Frage schon seit Jahrzehnten die Köpfe. „Eine weithin akzeptierte Vorstellung besagt, dass sich das Gas in einer Galaxie an einem Ort verdichten kann“, sagt Dr. Sambaran Banerjee vom Argelander-Institut für Astronomie (AIfA) der Universität Bonn. Das Gas kühlt ab, bildet dabei Moleküle und kann unter der Eigengravitation zusammenfallen. In einer solchen Wolke kommt es zu Schwankungen in der Moleküldichte, wodurch Protosterne entstehen können. Das Gesamtgebilde fügt sich zu einem Sternhaufen zusammen, die typischerweise sehr kompakt sind und bis zu mehrere Millionen Sterne enthalten können. Die vielen jungen Sterne heizen das Gas im Sternhaufen auf, bis es diesen explosionsartig verlässt. „Der junge Sternhaufen stößt auf diese Weise rund 70 Prozent der Gesamtmasse aus“, berichtet Prof. Dr. Pavel Kroupa (AIfA). „Sehr junge Haufen müssten also auseinanderfliegen.“ Allerdings wird dieses Szenario durch neueste Beobachtungen in Frage gestellt.
Sind die Sternhaufen ganz anders entstanden als bisher gedacht?
Ein internationales Team unter der Leitung von Vincent Henault-Brunet (Astronomisches Institut der Universität Edinburgh) hat die Bewegungen der Sterne in dem außerordentlich schweren jungen Sternhaufen „R136“ vermessen und in einer eigenen Publikation vorgestellt (http://www.aanda.org/index.php?option=com_article&access=standard&Itemid...). Das Gebilde ist etwa 150.000 Lichtjahre von der Erde entfernt und weniger als drei Millionen Jahre alt. Der Sternhaufen wiegt etwa 100.000 Sonnen, ist also so schwer wie ein Kugelsternhaufen und befindet sich in unserer Nachbargalaxie, der Großen Magellanschen Wolke. „Die Messungen zeigen, dass die Sterne sich mit Geschwindigkeiten von rund 16.000 Stundenkilometer bewegen – deutlich langsamer als die Theorie vorhersagt“, erläutert Dr. Banerjee. R136 scheint also nicht auseinanderzufliegen. Stimmt die Theorie also nicht? Ist dieser Sternhaufen ganz anders entstanden als bisher gedacht? „Wenn es so wäre, hätte dies bedeutende Auswirkungen auf große Bereiche der Astrophysik, etwa darauf, wie Sterne sich von Geburt aus in eine Galaxie hineinbewegen“, sagt Prof. Kroupa.
Die Forscher berechneten das Schicksal des Sternhaufens „R136“
Die Forscher vom Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn berechneten mit Supercomputern die Entwicklung des Sternhaufens „R136“. Dazu lösten sie unzählige Differentialgleichungen, welche die Bewegung jedes Sternes bestimmen, und berücksichtigten insbesondere die Reaktion der Sterne auf den Ausfluss des aufgeheizten Gases aus dem jungen Sternhaufen. „Die Berechnungen zeigen, dass der Sternhaufen deutlich auf den Gasauswurf reagierte, indem er sich aufblähte“, berichtet Dr. Banerjee. Allerdings zog sich ein bedeutender Teil wieder schnell – binnen etwa einer Million Jahre – zusammen. „Ursache war die Eigengravitation“, sagt Prof. Kroupa. „Deswegen ist der Haufen heute tatsächlich im Gleichgewicht, genau wie die Messungen zeigen.“ Obwohl sich die Sterne in dem Haufen auf chaotischen Bahnen umeinander bewegen, verändert das Gebilde nicht mehr seine Größe.
Eigengravitation wirkt wie ein Gummiband
Bei einem schweren Sternhaufen wirkt die Gravitation wie ein sehr steifes Gummiband, welches sich sehr schnell wieder zusammenzieht, nachdem man es dehnt und loslässt. Bei einem leichteren Sternhaufen, wie etwa dem nur etwa eine Millionen Jahre alten Haufen NGC 3603 in unserer Milchstraße, hingegen wirkt die Eigengravitation wie ein schwaches Gummiband - und solch ein Haufen braucht viel länger, um wieder ins Gleichgewicht zurückzukehren. Viele der kleinen Sternhaufen schaffen dies nie und lösen sich vollständig auf. Prof. Kroupa: „Wir konnten zeigen, dass die Theorie, wie Sternhaufen entstehen, nach wie vor stimmt, und zeigten dabei zum ersten Mal, wie schnell sich schwere Sternhaufen zusammenziehen können.“
Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (idw)