Soziale Netzwerke machen abhängig
Archivmeldung vom 26.04.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSoziale Netzwerke sind für ihre Nutzer bereits so wichtig, dass ein Verzicht suchtartige Entzugserscheinungen hervorrufen kann. Das behaupten US-Forscher von der University of Maryland. Für die Aktion "24 Hours:Unplugged" verzichteten 200 Studenten einen Tag lang völlig auf jede Art digitaler Medien und bloggten anschließend über ihre Erfahrungen.
"Wir waren überrascht, wie viele zugaben dass sie unglaublich abhängig von Medien sind. Bei vielen ist der Verzicht darauf nicht eine Frage des Wollens, sondern des Könnens", wird Studienleiterin Susan D. Moeller in der Pressemeldung zitiert. Häufig war das verzweifelte Verlangen danach, doch wieder online zu kommen, viele berichteten von Unruhe, extremer Nervosität, Spannung und Verrücktheit, was ähnliche Zeichen wie bei Entzug von Alkohol- und Drogensüchtigen sind.
Besonders bei Social Networks und SMS fiel der Verzicht schwer,
zeigten die sehr ausführlichen Rückmeldungen. 18- bis 21-jährige
Studenten nutzen heute laut Studie ständig Facebook, während Handy und
E-Mail mit großem Abstand dahinter weitere Formen sind, um in Kontakt
mit Freunden und informiert zu bleiben. Moeller geht soweit, das Leben
ohne Social Media in der heutigen Welt mit dem "Leben ohne Freunde und
Familie" gleichzusetzen.
Läuterung durch längeren Verzicht
In einer ähnlichen Schweizer Studie verzichteten "Facebook-Junkies" kürzlich ein ganzes Monat lang auf ihre Gewohnheit - für eine Belohnung von 300 Franken. Studienleiter Dominik Orth sperrte dazu vor den Augen der Probanden deren Facebook-Passwörter. "Besonders der Anfang des Verzichts ist sehr emotionsgeladen. Manche sagten, sie fühlten sich als sei die Mutter gestorben, als würde der Wohnungsschlüssel abgenommen oder als würde am Flughafen persönliches Gepäck inspiziert", berichtet der Psychologe bei der Agentur Rod im pressetext-Interview.
Auch wenn in diesem längeren Versuch andere Medien erlaubt waren,
fühlten sich die Probanden von der Welt abgeschnitten und sozial
ausgegrenzt, besonders gegenüber den noch Eingeloggten. "Die meisten
berichteten aber auch von Vorteilen im Verlauf der Studie. Das
Selbstbild wurde wichtiger als das Fremdbild, sie fühlten sich im Alltag
ruhiger und nutzten die gewonnene Zeit", so Orth. Die meisten gaben
nach dem Monat an, sie würden Facebook nun effizienter nutzen und sich
"in weniger dekadent häufiger Form" einloggen. Künftig ganz auf Facebook
verzichten wollte allerdings keiner.
Verpflichtung zum Einloggen
In der Schweiz verfügen 70 bis 80 Prozent aus der Gruppe der 15- bis 30-Jährigen über ein Facebook-Konto, was Orth als "enormen Standortvorteil" des sozialen Netzwerkes bezeichnet. Zur Sucht trage vor allem das Gefühl der Nutzer bei, zum zumindest täglichen Einloggen verpflichtet zu sein. Dieses sei ein Ritual, das den Alltag stabilisiere. "Damit ist Facebook jedoch nicht nur Entertainment, sondern auch ein hoher Stressfaktor", so der Schweizer Studienleiter.
Quelle: pressetext.schweiz Johannes Pernsteiner