Brückenpfeiler im Großen Belt stören den "Atem" der Ostsee
Archivmeldung vom 07.04.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittOzeanographen des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) entdeckten an der Brücke über den Großen Belt Vermischungseffekte mit möglichen Auswirkungen auf die Sauerstoffversorgung der tieferen Ostseebecken. Sie melden für das Projekt einer festen Fehmarnbeltquerung erheblichen Forschungsbedarf an.
Die Pfeiler der Brücke über den Großen Belt wirken wie überdimensionierte Mixer
auf das durchströmende Wasser. Diese Vermischung greift spürbar in den sensiblen
Salzhaushalt der Ostsee ein. Festgestellt wurde der Effekt bei Messungen des
Salzgehaltes im Oberflächenwasser. "Wir maßen an der Südseite der Brücke in vier
bis acht Metern Wassertiefe eine Erhöhung des Salzgehaltes um zwei bis vier
Promille, das entspricht zwei bis vier Kilogramm Salz pro Kubikmeter Wasser",
sagt IOW-Forscher Dr. Hans-Ulrich Lass, der die Untersuchungen im Belt zwischen
Nyborg und der Insel Sprogoe leitete.
Das Salz stammt aus der
Tiefenströmung, die am Meeresboden sauerstoffreiches Salzwasser von der Nordsee
in die Ostsee transportiert. Die Salzgehaltserhöhung im Oberflächenwasser geht
aber mit einer Verringerung der Salzkonzentration im Tiefenwasser Hand in Hand.
"Mit dem Salzgehalt verliert die sauerstoffreiche Tiefenströmung auch an Dynamik
und kann deshalb die tiefen Becken der Ostsee nicht mehr ausreichend mit
Sauerstoff versorgen", erläutert Prof. Dr. Hans Burchard von der IOW-Sektion
Physikalische Ozeanographie und Messtechnik die Auswirkungen des
Vermischungseffektes.
Der Große Belt zwischen Fünen und Seeland bewältigt
Dreiviertel des gesamten Wasseraustausches zwischen Nord- und Ostsee. Über diese
Verbindung bezieht das Mare balticum - ein Brackwassermeer - den Löwenanteil
seines Salzes. Aus der Nordsee strömt sauerstoffreiches Salzwasser ein. Aufgrund
seiner höheren Dichte strömt es am Meeresboden südwärts durch den 20 Meter
tiefen Belt und dann weiter Richtung Osten. In den oberen Schichten wiederum
fließt in umgekehrter Richtung das leichtere Brackwasser in die Nordsee."Dies
verursacht die typische Schichtung der Ostsee", sagt Hans Burchard: Salzwasser
unten, Brackwasser oben. Zwischen diesen beiden Schichten gibt es wenig
Austausch. Insbesondere der für viele Organismen lebensnotwendige Sauerstoff
kann die Grenze nicht durchdringen. Er gelangt nur seitlich mit dem Tiefenstrom
aus der Nordsee in die Becken.
Brückenpfeiler allerdings greifen nach
Lass' Erkenntnissen in dieses Regime empfindlich ein. Der salzhaltige
Tiefenstrom, aus Norden kommend, wird bei der Brücken-Passage mit dem darüber
liegenden 'süßeren' Wasser vermischt - messbar an einem Anstieg des Salzgehaltes
in den oberen Wasserschichten. Lass' Forscherteam setzte die CTD-Sonde (CTD:
Conductivity, Temperature, Depth) zur Messung von Salzgehalt, Temperatur und
Wassertiefe sowohl punktuell als auch im Schleppverfahren ein. Die Forscher
wiesen die Vermischungseffekte in den oberen Wasserschichten nicht nur längs,
sondern auch quer zur Strömung nach, besonders deutlich in vier bis acht Metern
Wassertiefe. "Wir registrierten alle 70 Meter einen deutlichen Anstieg im
Salzgehalt", sagt Lass, von Hause Physiker. "Genau in diesem Abstand stehen die
Pfeiler der Beltbrücke."
Die IOW-Forscher nehmen an, dass dies nicht
ohne Folgen für die tiefen Becken der Ostsee bleibt. Burchard: "Die
Tiefenströmung stellt den einzigen Transportweg für den Sauerstoff in die
tieferen Becken und Senken dar." Verringert sich der Salzgehalt in der
Tiefenströmung, so wird das Wasser leichter. Im Extremfall kann dann das am
Boden der Becken liegende, an Sauerstoff verarmte Salzwasser nicht mehr
verdrängt werden. Fehlt dort der Sauerstoffnachschub, sterben großflächig Fauna
und Flora am Meeresboden und in den darüber liegenden Wasserschichten ab.
Die Arbeiten am IOW zeigen, dass Brückenpfeiler im Belt diese
Tiefenströmung stören. Eine Erkenntnis, die nach Burchards Worten auch für das
Vorhaben einer festen Fehmarnbeltquerung zwischen Puttgarden und Rødby von
Bedeutung ist. "Eine zweite Brücke neben der Brücke über den Großen Belt in
dieser Meeresstraße würde den Vermischungseffekt verstärken."
Ende Februar
begrüßte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee bei einem Spitzengespräch mit
der dänischen Seite grundsätzlich das Fehmarnbelt-Projekt. Die Umweltbewertung
der Fehmarnquerung erfolgte bisher aber nur unter dem Aspekt des
Gesamt-Wassertransports. Auch der Brückenbau am Großen Belt kümmerte sich
lediglich um die Gesamtbilanz: Was die Bauwerke der Meerenge an Querschnitt
nahmen, wurde z. B. durch das Abtragen von Küstenbereichen ausgeglichen.
Das reicht nach Meinung der IOW-Forscher Burchard und Lass zum Schutz der Ostsee nicht aus. "Wir sehen einen dringenden Forschungsbedarf zu den Auswirkungen des Fehmarnbelt-Projektes." Um den Vermischungseffekt einer Fehmarnbeltbrücke sicher beurteilen zu können, brauchen die Forscher präzisere Kenntnis über die konkreten Strömungen und Wasserschichten am Ort. Ein Computermodell könnte dann simulieren, welche Effekte ein Brückenbauwerk verursachen würde - mit Auswirkungen auf das Ökosystem Ostsee. "In einem weiteren Schritt ließe sich prüfen, ob eine Vermischung des salzreichen Tiefenwassers durch technische Maßnahmen nachweisbar verringert werden kann", sagt Prof. Burchard.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.