Testreaktor ITER statt CERN und LHC
Archivmeldung vom 22.05.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs ist das bisher größte Projekt der Menschheit – aber es geht um nichts Geringeres als die Energieversorgung der Menschheit ab der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts. Doch jetzt droht dem Projekt aus Kostengründen das „Aus“. Seltsamerweise macht sich beim Teilchenbeschleuniger LHC am CERN kaum jemand um das Geld Gedanken. Das ist umso erstaunlicher, als der LHC keinen praktischen Nutzwert hat.
Auf einem gigantischen Areal im südfranzösischen Cadarache soll bis 2019 der erste Testreaktor für die Kernfusion entstehen. Darauf hatten sich die weltweit führenden Industrienationen im Jahre 2006 geeinigt und Grünes Licht für den Bau des „Internationalen Thermonuklearen Experimentalreaktors“ (ITER) gegeben. Kern der Anlage ist ein Versuchsring von zwölf Zentimetern Durchmesser, der in einer 60 Meter hohen Betonversiegelung eingeschlossen ist. Ziel des Versuchsreaktors ist es, bei mehr als 100 Millionen Grad die Kernfusion über mehrere Minuten aufrecht zu erhalten. Sollte dies gelingen, wäre eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle erschlossen.
Die Kernfusion ist der effektivste Prozess der Energiegewinnung überhaupt und der natürlichste zugleich. Unsere Sonne ist im Prinzip nicht anderes als ein natürlicher Fusionsreaktor, und ohne Kernfusion würden nachts keine Sterne funkeln – Romantiker mögen verzeihen. Einziger Nachteil: Gut Ding braucht Weil – dass gilt insbesondere für die Kernfusion. Nach dem ITER-Modell soll es rund 50 Jahre dauern, bis der erste Fusionsreaktor in Betrieb genommen werden kann.
Jetzt könnte dem bisher ehrgeizigsten Projekt der Menschheit das finanzielle „Aus“ drohen, weil die ursprünglich geplanten Baukosten sich nahezu verdreifacht haben. Kalkulationen zufolge sollen diese bei insgesamt 15 Milliarden Euro liegen, wovon 7.2 Milliarden auf Europa entfielen. Angesichts der Finanzkrise wird das ITER-Projekt innerhalb Regierung inzwischen kontrovers diskutiert. Oppositionsparteien wie die Grünen fordern gar einen sofortigen Ausstieg aus dem Milliardengrab.
Es wäre verheerend, wenn es zu einem Ausstieg aus einer ebenso zukunftsträchtigen wie nahezu emissionslosen Energieversorgung käme. Zugleich stellt sich die Frage, weshalb dem CERN mit dem Teilchenbeschleuniger LHC ungeachtet des zu vernachlässigendes Nutzwertes 3 Milliarden Euro bewilligt wurden, wobei wegen der Störanfälligkeit der Anlage mit noch nicht bezifferbaren Mehrkosten und Folgekosten zu rechnen ist.
Fazit: Ein Ausstieg aus dem ITER-Projekt wäre ein tragisches Versagen der Vernunft. Wenn schon Geld gespart werden muss, dann bitte nicht am falschen Ende!
Quelle: Rolf Froböse