Teilchen überwinden Energieberg ohne Highspeed
Archivmeldung vom 10.12.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittPhysikern der Universität Bonn ist es gelungen, an ultragekühlten Rubidium-Atomen und einem optischen Gitter einen Effekt zu beobachten, der eigentlich Teilchen nahe der Lichtgeschwindigkeit vorbehalten ist. Wenn ein Ball genügend Schwung hat, rollt er über einen kleineren Hügel hinweg. Ist der Berg allerdings zu steil und zu hoch, kullert das runde Gebilde wieder zurück. Ähnlich ergeht es auch atomaren Teilchen, wenn sie einen "Energieberg" überwinden müssen.
"Die Teilchen, die so schnell wie Lichtgeschwindigkeit sind, können während des Hochlaufens die Eigenschaften von Antiteilchen annehmen. Dann ist dieser Berg kein Berg mehr, sondern ein Tal", sagt Martin Weitz vom Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn gegenüber pressetext. Ist die Aktivierungsenergie jedoch geringer als für die Höhe der Barriere erforderlich, können die Partikel das Hindernis nicht überwinden.
In der Quantenmechanik gibt es allerdings Ausnahmen: Unter bestimmten Voraussetzungen schaffen es die Teilchen, den Berg quasi zu durchtunneln. Beim üblichen Quantentunneln können extrem dünne und flache Barrieren überwunden werden. Schon 1929 sagte der schwedische Physiker Oskar Klein für sehr schnelle Teilchen voraus, dass sie im Prinzip sogar beliebig dicke Barrieren passieren können. Dieses Phänomen ist als Klein-Tunneleffekt bekannt.
Optisches Gitter gibt Hilfestellung
Für die Beobachtung des Klein-Tunneleffekts an frei fliegenden Elektronen müssten die Teilchen mit nahezu der Lichtgeschwindigkeit von rund 300.000 Kilometer pro Sekunde dahinrasen. "Außerdem bräuchte man gigantische elektrische Feldstärken von zehn Billiarden Volt pro Zentimeter", sagt Weitz. Solch hohe Feldstärken haben bisher eine experimentelle Beobachtung verhindert. Mit Hilfe eines variabel geformten optischen Gitters wies das Forscherteam in Bonn nun das Klein-Tunneln eines atomaren Bose-Einstein-Kondensats nach.
Dieses entsteht, wenn so viele Teilchen auf engstem Raum konzentriert werden, dass sie nicht mehr zu unterscheiden sind. Sie verhalten sich dann wie ein einziges "Superteilchen". Mit der Versuchsanordnung verringerten die Wissenschaftler die effektive Lichtgeschwindigkeit der Teilchen von blitzschnell auf das Tempo einer Schnecke, die mit rund einem Zentimeter pro Sekunde dahinkriecht. Die Bonner Physiker erzeugten das Bose-Einstein-Kondensat, indem sie Rubidiumatome sehr stark abkühlten. Anschließend luden sie das Gebilde auf eine Art optische Wellpappe, die sie aus gegenläufigen Lichtwellen erzeugt hatten, und rüttelten gewissermaßen das Ganze durch.
In einem weiteren Schritt bewegten die Forscher den Haufen aus Rubidiumatomen auf den Potenzialberg zu. Quantenmechanische Effekte sorgten wie von Zauberhand dafür, dass sich der "Berg" für die pendelnden Rubidiumatome in ein leicht passierbares "Tal" verwandelten. Interessanterweise verhielten sich die Atome hier wie rückwärts laufende Antiteilchen. "Dass Gitter macht aus den Rubidiumatomen relativistische Teilchen, die sich ganz anders erhalten, als es die klassische Physik vorhersagt", sagt Weitz.
Quelle: www.pressetext.com/Oranus Mahmoodi