Erste umfassende Analyse von Chromosom 8 des Menschen
Archivmeldung vom 19.01.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Aufbau des menschlichen Chromosoms 8 ist aufgeklärt: Wissenschaftler des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) veröffentlichen jetzt gemeinsam mit internationalen Kollegen die erste umfassende Analyse der 142 Millionen Basen umfassende Sequenz.
Die neuen Daten können helfen, die Evolution des menschlichen Genoms
und die Entstehung von Krankheiten besser zu verstehen. Die
NGFN-Wissenschaftler vom Leibniz Institut für Altersforschung
(ehemals Institut für Molekulare Biotechnologie) in Jena waren
bereits 2005 an der Sequenzierung des menschlichen X-Chromosoms
maßgeblich beteiligt. Das Chromosom 8 enthält insgesamt nur 793
proteinkodierende Gene. Es gehört damit zu den Gen-armen Chromosomen.
Eine Besonderheit des menschlichen Chromosoms 8 ist ein circa 15
Millionen Basen umfassender Abschnitt an einem seiner Enden. Dieser
Bereich variiert von Mensch zu Mensch sehr stark und unterscheidet
sich deutlich zwischen Mensch und Schimpanse - und das obwohl im
Durchschnitt 98,7 Prozent der Erbinformation zwischen den beiden
Spezies identisch ist. "Dieser Abschnitt des Chromosoms 8 hat sich in
der Vergangenheit schneller und stärker verändert als andere
chromosomale Abschnitte. Nur das männliche Geschlechtschromosom weist
noch mehr Variabilität auf", erklärt Dr. Matthias Platzer, Leiter der
vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten
Studie.
Innerhalb des variablen Abschnitts auf Chromosom 8 liegen unter
anderem Gene, die zur angeborenen Immunität des Menschen beitragen.
So werden die unspezifischen Abwehrmechanismen des Körpers
bezeichnet, die bereits kurze Zeit nach dem Eindringen eines
mikrobiellen Angreifers aktiviert werden und von Geburt an
funktionsfähig sind. Eine Gruppe der beteiligten Gene bilden die
Defensine. Das sind körpereigene Antibiotika, die den Organismus vor
einer Infektion mit Bakterien, Pilzen oder Viren schützen. "Besonders
Gene wie die für Defensine müssen permanent neuen Umweltbedingungen
angepasst werden.
Nur so können sie einen effektiven Schutz zum Beispiel gegen
bisher unbekannte Bakterienarten bieten. Liegen diese Gene in
Regionen, die sich schnell verändern, so ist die Wahrscheinlichkeit
höher, dass neue, besser schützende Varianten entstehen", kommentiert
Platzer die Ergebnisse der aktuellen Studie. Aber auch für die
menschliche Evolution könnte die flexible Chromosomenregion von
Bedeutung sein: Die Wissenschaftler fanden hier Gene, die bei der
Entwicklung des menschlichen Nervensystems eine Rolle spielen. Das
Gen MCPH1 zum Beispiel trägt den Bauplan für das Protein
Microcephalin 1. Ist dieses Protein zerstört, so ist der Kopfumfang
des Betroffenen verringert. Das Protein wiederum, das von dem Gen
CSMD1 hergestellt wird, ist an der neuronalen Signalübertragung
beteiligt. "Diese beiden Gene deuten darauf hin, dass die
beschleunigte Veränderungsrate am Ende des Chromosoms 8 eine wichtige
Rolle bei der Entwicklung der spezifischen Eigenschaften des
menschlichen Nervensystem gespielt haben könnte", so Platzer.
Quelle: Pressemitteilung Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN)