Spin-Pump-Effekt erstmals nachgewiesen
Archivmeldung vom 14.09.2011
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.09.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDen Spin-Pump-Effekt in magnetischen Schichten haben Bochumer Physiker um Prof. Dr. Hartmut Zabel erstmals experimentell nachgewiesen. Das Verhalten des Spin-Pumpens war bisher nur theoretisch vorausgesagt worden. Dem Forscherteam der RUB ist es nun gelungen, den Effekt durch ultraschnelle Röntgenstreuung mit Auflösung im Pikosekundenbereich zu messen. Mit ihrer Rotation der magnetischen Momente, der so genannten magnetischen Präzession, können sich einzelne Elektronen durch eine nicht-magnetische Zwischenschicht hindurch in ihrer Drehbewegung (Spin) gegenseitig beeinflussen. Das ist eine entscheidende Erkenntnis für künftige Generationen von Magnetsensoren in Festplatten-Leseköpfen und anderen Datenspeichern.
Ein Kreisel, einmal in Schwung gebracht und sich selbst überlassen, wird nach einigen Rotationen langsamer und kommt schließlich zum Stehen. Reibungsverluste entziehen ihm Energie, bis er schließlich aufhört zu drehen. Auch zwei Kreisel in einem gewissen Abstand, um Berührung zu vermeiden, zeigen im Großen und Ganzen das gleiche Verhalten. „Insbesondere erwarten wir nicht, dass der eine Kreisel den anderen in seiner Rotation beeinflussen kann“, so Prof. Hartmut Zabel. Ob beide Kreisel sich in der gleichen oder in entgegengesetzter Richtung drehen, sollte keinen Einfluss auf die Zahl der Rotationen bis zum Stillstanden haben. „Genau das ist aber bei magnetischen Kreiseln der Fall“, bestätigt die Bochumer Forschergruppe in ihren Experimenten.
Magnetische Rotation im Gigahertzbereich
Einmal angestoßen rotieren die magnetischen Momente in einem Kristallgitter solange, bis ihre Rotationsenergie durch Anregung von Gitterschwingungen und Spinwellen aufgebraucht ist. Spinwellen sind Anregungen der magnetischen Momente in einem Kristall, die sich wellenartig ausbreiten. Das Forscherteam hat zwei ultradünne magnetische Schichten durch eine Kupferschicht getrennt. Die Kupferschicht wurde so dick gewählt, dass die beiden ferromagnetischen Schichten keinen Einfluss aufeinander ausüben können – zumindest nicht statisch. Sobald jedoch eine der beiden ferromagnetischen Schichten zu sehr schneller Präzession im Gigahertzbereich angeregt wird, hängt die Dämpfung der Präzession von der Orientierung der zweiten magnetischen Schicht ab. Sind beide Schichten gleich orientiert, dann ist die Dämpfung geringer; sind beide entgegengesetzt orientiert, dann ist die Dämpfung größer.
Dynamische Wechselwirkung
Der als „Spin-Pumpen“ bezeichnete Effekt konnte aber bisher noch nicht experimentell erforscht werden. Der Nachweis gelang den Wissenschaftlern jetzt an der von RUB-Physikern gebauten Messkammer ALICE in Berlin. Die Präzession der magnetischen Momente in einer ferromagnetischen Schicht wird durch die nicht-magnetische Kupfer-Zwischenschicht hindurch „gepumpt“ und von der zweiten ferromagnetischen Schicht aufgenommen. Mit anderen Worten: Ferromagnetische Schichten, die statisch nicht mit einander wechselwirken, da die Zwischenschicht zu dick ist, können dennoch dynamisch durch Pumpen und Diffusion von Spins von einer Schicht zur anderen miteinander „agieren“.
Ein typisches „Spinventil“ in Datenspeichern
Die gewählte Schichtabfolge im Experiment entspricht der eines typischen Spinventils. Das sind nanomagnetische Schichtstrukturen, die als Magnetsensor in den Leseköpfen von Festplatten eingesetzt werden sowie in nicht-flüchtigen magnetischen Datenspeichern die logischen Bits „0“ und „1“ kodieren. Die Geschwindigkeit, mit der Daten gelesen und geschrieben werden können, hängt entscheidend von der Präzession der magnetischen Momente und deren Dämpfung ab. „Daher ist die Erkenntnis, dass die Dämpfung der magnetischen Präzession durch Spin-Pumpen über nicht-magnetische Zwischenschichten hinweg beeinflusst wird, nicht nur von grundsätzlichem sondern auch von praktischem Interesse für industrielle Anwendungen“, sagt Prof. Zabel.
Quelle: Ruhr-Universität Bochum (idw)