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Sehen heißt wirklich Glauben - die Relativität der Wahrnehmung bei Gruppenzugehörigkeit

Archivmeldung vom 20.02.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.02.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Dieter Schütz  / pixelio.de
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de

Wollten Sie schon immer wissen, warum Sportfans sich so aufregen, wenn sie denken, der Schiedsrichter habe zugunsten des Gegners entschieden - wenn beispielsweise der Vorwärtspass des eigenen Teams abgepfiffen wurde, der eigene Spieler angeblich im Abseits stand oder ein Aufschlag im Aus landete?

Forscher der Psychologischen Fakultät der University of Queensland in Australien und des Queensland Brain Institute haben herausgefunden, daß Fans die Aktionen ihrer Mannschaft anders wahrnehmen als die Spielzüge gegnerischer Teams.

Die Studie wurde von Dr. Pascal Molenberghs geleitet und in der Zeitschrift „Human Brain Mapping“ veröffentlicht. Auch in dem Wissenschaftsjournal „New Scientist“ berichtete man darüber. Im Rahmen des Experiments wurden die Probanden willkürlich in rote und blaue Teams aufgeteilt. In einer Wettbewerbssituation sollten sie nun die Schnelligkeit ihres und die des gegnerischen Teams beurteilen. Wenn die Testpersonen ihr Team sahen, reagierte ihr Gehirn anders als wenn sie die gegnerische Mannschaft im Blick hatten, und das ist nicht nur mit einfacher Voreingenommenheit zu erklären.

„Wir haben herausgefunden, dass sich die Testpersonen sehr schnell mit ihrer Gruppe identifizierten und durchweg der Meinung waren, dass die Bewegungen ihres Teams um Bruchteile einer Sekunde schneller waren als die des anderen Teams, auch wenn es sich tatsächlich um identische Bewegungen handelte“, sagte Dr. Molenberghs.

Das Forscherteam, das sich unter anderem aus der Doktorandin Veronika Halász, Professor Jason Mattingley, Dr. Eric Vanman und Professor Ross Cunnington zusammensetzte, wandte schließlich die funktionelle Magnetresonanztomographie an, um die Hirnaktivität eines jeden Teilnehmers während des Experiments zu messen.

Es gibt zwei mögliche Erklärungen: Entweder nehmen wir die Aktionen unserer Mannschaft tatsächlich anders wahr oder wir sehen die Aktionen als gleichwertig an, treffen jedoch eine bewusste Entscheidung darüber, dass unser Team schneller war, so Dr. Molenberghs.

„Das Gehirn der Probanden, die sich stark mit ihrem Team identifizierten, reagierte auf die Aktionen von Teamkollegen anders als auf die Aktionen anderer Testteilnehmer. Entscheidend ist jedoch, dass wir während der Experiments keine unterschiedlichen Hirnreaktionen nachweisen konnten, wenn es um bewusste Entscheidungen ging. Das bedeutet, dass wir die Handlungen unseres Teams unbewusst anders wahrnehmen als die Handlungen anderer Mannschaften. Die Voreingenommenheit zugunsten unseres Teams scheint entgegen der landläufigen Meinung also tatsächlich unbewusst zu entstehen. „Wir entscheiden nicht, die Aktionen unserer Mannschaft besser zu beurteilen, weil sie die beste sei. Es ist vielmehr so, dass unser Gehirn aufgrund des Zugehörigkeitsgefühls die Handlungen unserer Teammitglieder wohlwollender beurteilt.

„Sollten wir demnächst also mal wieder der Meinung sein, die Schiedsrichter hätten sich gegen unsere Mannschaft verschworen, sollten wir im Kopf behalten, dass sich unser Zugehörigkeitsgefühl durchaus auf die Verarbeitung des Gesehenen auswirken könnte.“

Dr. Molenberghs ist der Meinung, dass diese Forschungsergebnisse weitreichende Auswirkungen haben. So könnten sie beispielsweise auch die Diskriminierung aufgrund von Rasse, Geschlecht und Nationalität erklären. Denn die Studie weist darauf hin, dass wir das Handeln von Menschen, die nicht unserer Gruppe angehören, anders sehen – und was wir sehen, das glauben wir.

Dr. Molenberghs möchte an diese Forschungsergebnisse anknüpfen, indem er ähnliche Experimente mit Mitgliedern realer Teams durchführt. So wird sich zeigen, ob diese veränderten Testbedingungen die Ergebnisse beeinflussen.

Quelle: Australisch-Neuseeländischer Hochschulverbund / Institut Ranke-Heinemann (idw)

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