Kosmische Kollision in unserer Galaxis
Archivmeldung vom 21.01.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAstrophysiker der Universität Jena klären Ursache kosmischer Strahlung aus dem Jahr 774/5 auf. Es ist das Ergebnis einer gewaltigen kosmischen Explosion: wenn zwei extrem kompakte Himmelskörper miteinander verschmelzen, wird blitzartig eine riesige Menge Energie freigesetzt. Ein kurzer Gammastrahlenblitz (engl.: Gamma Ray Burst) entsteht, dessen Strahlung durch das All rast. Solche Blitze lassen sich auch noch in vielen tausend Lichtjahren Entfernung von der Erde aus beobachten.
Während die bisher registrierten Gammablitze jedoch stets auf sehr weit entfernte Ereignisse im Weltall zurückgehen, haben Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena jetzt erstmals Hinweise auf einen kurzen Gammastrahlenblitz aus unserer Galaxis gefunden – in kosmischen Dimensionen also direkt vor unserer Haustür. Darüber berichten die Jenaer Astrophysiker in dieser Woche im angesehenen Fachmagazin „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“. Prof. Dr. Ralph Neuhäuser und sein Mitarbeiter Dr. Valeri Hambaryan vom Astrophysikalischen Institut der Uni Jena liefern in ihrer heute (21. Januar) veröffentlichten Arbeit die erste plausible Erklärung für ein Ereignis, das vor mehr als 1.200 Jahren unseren Planeten erschütterte.
Dessen Spuren reichen zurück bis ins frühe Mittelalter der Jahre 774 und 775: Während Karl der Große das Langobardenreich in Nord- und Mittelitalien erobert und sich zum König der Langobarden krönen lässt; während er Krieg gegen die Sachsen führt und Leo IV. neuer Kaiser des Byzantinischen Reiches wird; genau in dieser Zeit erreichte die Erde die Strahlung einer gigantischen Sternenkollision. Die Folge: ein Schauer kosmischer Strahlung sorgte für einen bisher nie beobachteten Anstieg des radioaktiven Kohlenstoffs „14C“ und des Beryllium-Isotops „10Be“ in der Erdatmosphäre.
„Wir gehen davon aus, dass es damals in 3.000 bis 12.000 Lichtjahren Entfernung einen kurzen Gammablitz gegeben hat“, erläutert Prof. Neuhäuser, „wahrscheinlich durch die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher, Neutronensterne oder Weißer Zwerge.“ Diese nur höchstens zwei Sekunden andauernde Explosion setzte so viel Energie frei, dass davon in der Erdatmosphäre noch etwa die Energiemenge von 14.000 Hiroshima-Atombomben ankam, verdeutlicht der Inhaber des Jenaer Lehrstuhls für Astrophysik. Ob die Menschen das damals überhaupt bemerkt haben, sei allerdings fraglich. Fest steht für die Forscher jedoch: „Würde sich ein solches Ereignis heute wiederholen, so wären die Folgen spürbar“, sagt Dr. Hambaryan. Zwar seien Mensch und Natur durch die Atmosphäre vom Großteil der kosmischen Strahlung geschützt, nicht aber die zahlreichen Satelliten, die die Erde umkreisen. Die würden möglicherweise ausfallen oder beschädigt werden. Allerdings, so beruhigen die Forscher, seien solche Ereignisse sehr selten – im Mittel komme es nur einmal in Tausenden bis Zehntausenden von Jahren vor.
Dem Gammablitz auf die Spur kamen die Forscher im Sommer 2012 als japanische Wissenschaftler in rund 3.000 Jahre alten Zedern einen sprunghaften Anstieg des radioaktiven Kohlenstoff-Isotops „14C“ ausgemacht hatten. „Die Jahresringe der Bäume erlauben eine sehr präzise Datierung dieses Anstiegs auf das Jahr 774 oder 775“, sagt Prof. Neuhäuser. Parallel ließ sich aus Bohrkernen aus dem antarktischen Eis ablesen, dass im selben Zeitraum ebenfalls sehr große Mengen „10Be“ in der Erdatmosphäre entstanden und eingelagert wurden.
Seither rätselten die Forscher weltweit über die Ursachen des Anstiegs der radioaktiven Isotope. „Sowohl die normale Sonnenaktivität als auch eine Supernova scheiden als mögliche Ursachen aus“, erklärt Neuhäuser. Die Astrophysiker der Uni Jena haben daher die Möglichkeit eines kurzen Gammablitzes als Quelle der kosmischen Strahlung geprüft und fanden ihre Vermutung bestätigt. „Sowohl die Energie als auch das Spektrum der Strahlung, die damals die Atmosphäre traf, lassen sich mit einem kurzen Gammablitz sehr genau erklären“, so Neuhäuser. Ein letzter Beweis stehe allerdings noch aus: die Entdeckung der „Überreste“ der kosmischen Kollision. Wenn es tatsächlich einen kurzen Gammablitz gegeben hat, so muss dabei entweder ein neuer massereicher Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch entstanden sein.
Quelle: Friedrich-Schiller-Universität Jena (idw)