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Bombardierkäfer ist Vorbild für neuartigen Raumfahrtantrieb

Archivmeldung vom 24.01.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.01.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bombardierkäfer der Gattung Brachinus
Bombardierkäfer der Gattung Brachinus

Foto: Patrick Coin
Lizenz: CC-BY-SA-2.5
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Das Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) ist an einem internationalen Projekt zur Entwicklung eines völlig neuen Antriebssystems für Raumfahrzeuge beteiligt. Das Besondere dieser Neuentwicklung: das Prinzip beruht auf einem Vorbild aus der Natur, nämlich dem Verteidigungssystem des Bombardierkäfers. Dabei wird der Schub nicht kontinuierlich erzeugt, sondern in Form von schnell aufeinanderfolgenden Pulsen – unter ausschließlicher Verwendung von „grünen Treibstoffen“.

Das EU-Projekt für die Entwicklung dieses hoch innovativen Raumfahrtantriebs zum Manövrieren von Satelliten und Raumsonden hat einen buchstäblich schönen Namen bekommen: „PulCheR“ (Pulsed Chemical Rocket with Green High Performance Propellants) ist Latein und bedeutet „schön“. Ein passender Name für ein Projekt, das einen großen Beitrag zur Erhöhung der Effizienz von Lageregelungstriebwerken leistet und noch dazu den Umstieg auf umweltfreundliche Treibstoffe ermöglicht.

Traditionell werden Bahnmanöver von Raumsonden und Satelliten mit Hilfe von Hydrazin-Triebwerken durchgeführt. Diese sind schon seit langem in der Raumfahrt im Einsatz, haben aber den Nachteil, dass Hydrazin hochgiftig und krebserregend ist. Dadurch ist der Umgang mit dem Treibstoff während der Vorbereitungen am Boden enorm kompliziert. Außerdem werden solche Systeme meist mit hohem Druck betrieben. Um einen entsprechend hohen Brennkammerdruck zu erreichen ist der Einsatz von Pumpen oder Hochdrucktanks erforderlich, wodurch das Gesamtsystem sehr komplex und schwer wird.

Wie funktioniert der Puls-Antrieb?

PulCheR ist ein neues Antriebskonzept, bei dem die Treibstoffe unter niedrigem Druck in die Brennkammer befördert werden. Sobald der Brennstoff die Brennkammer erreicht, beginnt er mit Hilfe eines Katalysators zu brennen. Dadurch dass Druck und Temperatur steigen, wird ein kurzer Schubimpuls erzeugt. Ist dieser abgeklungen und der Druck wieder niedriger, fließt neuer Treibstoff aus dem Reservoir nach – wiederum unter niedrigem Druck - und der Prozess beginnt von neuem.

Im Rahmen des Projektes sollen zwei Varianten entwickelt werden, die sich in der Art des Katalysators unterscheiden: Eine Variante ist ein Monopropellant-Antrieb, der mit nur einem Treibstoff arbeitet und als Katalysator ein festes Metallgranulat nutzt, das den Zerfall der Treibstoffkomponente auslöst. Bei der Bipropellant-Variante werden zwei Treibstoffe in die Brennkammer gespritzt, die hypergol sind, also bei Kontakt selbst zünden. Die zweite Variante ahmt exakt den „Explosionsapparat“ des Bombardierkäfers nach, der durch Mischen zweier sehr reaktiver Chemikalien heiße Gase erzeugt, um sich gegen seine Feinde zur Wehr zu setzen.

Aufgrund seines Puls-Prinzips ist PulCheR ein zwar diskontinuierlich aber hochfrequent arbeitendes Antriebssystem, das das Potenzial hat, viele derzeit verwendete Antriebskonzepte sowohl im Bereich Orbital-Flüge und inter-planetare Missionen als auch bei wiedereintrittsfähigen Raumfahrzeugen zu ersetzen.

Die Vorteile

Bei allen Satellitenmissionen ist Gewichtsreduzierung ein extrem wichtigstes Thema, da die Gesamtmasse des Satelliten immer durch den Launcher begrenzt ist. Der Pulsantrieb bietet nun den Vorteil, dass das gesamte Antriebssystem durch den niedrigen Druck des Versorgungssystems deutlich an Volumen und Gewicht verliert. Im Vergleich zu Missionen mit klassischem Antrieb können dadurch entweder Kosten gespart oder die gesparte Masse durch anderweitige Ausstattung ersetzt werden. Denkbar wäre, das gesparte Gewicht in mehr Treibstoff zu investieren und damit die Missionsdauer zu verlängern oder z.B. eine leistungsfähigere Kamera für die Beobachtung des Experiments mitzunehmen, die vielleicht mehr Strom braucht (also mehr Masse im Energiesystem erfordert) oder einfach von sich aus schwerer ist.

Ein weiterer wichtiger Vorteil ist die Tatsache, dass für den Antrieb nur Treibstoffe verwendet werden, die als "green propellants" eingestuft und damit deutlich weniger toxisch und viel einfacher zu handhaben sind. Folglich lassen sich mit der Reduzierung der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen bereits bei der Vorbereitung von Missionen weitere Kosten und viel Zeit sparen.

Die ZARM-Arbeitsgruppen "Space Propulsion and Energy Systems" und "Aerospace Combustion Engineering" sind in dem Verbundprojekt unter anderem an der Untersuchung der Injektoren und den Leistungsberechnungen des Gesamtsystems beteiligt. Das Projekt wird durch das siebte Rahmenprogramm (FP7/2007-2013) der Europäischen Union mit der Nummer n°313271 gefördert und wurde Anfang Januar 2013 bewilligt.

Quelle: ZARM Fallturm-Betriebsgesellschaft mbH (idw)

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